Album «Loch dür Zyt»Die neuen Züri-West-Songs in der Einzelkritik
Kein Album aus Schweizer Manufaktur hat 2023 dermassen die Neugier geweckt wie das neue Werk von Züri West. Wie klingt es? Wir hangeln uns von Song zu Song.
«D’Idee»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Wird es ein Abschiedsalbum sein? Ein heillos schwerblütiges? Nachdem Kuno Lauener an multipler Sklerose erkrankt ist, ist die Zukunft der bedeutendsten Mundart-Band des Landes ungewiss. Und diese Daseins-Ratlosigkeit findet sich auch im Eröffnungslied des Albums. In «D’Idee» vollbringt Kuno Lauener die grosse Kunst der kleinen poetischen Geste. Er findet Worte für die grösste aller Fragen: Warum sind wir hier? Was ist der Plan? Dazu gibt es unheimliche Rückwärts-Gitarren und ein schweres Piano. Schöner kann man das Taumeln zwischen Melancholie, Zukunfts-Bangigkeit und schulterzuckendem Fatalismus nicht zu Musik machen.
«Hü»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Obacht. Stimmungswechsel. Muntere Americana-Gitarren suchen uns heim. Der Beat galoppiert. Und wieder wird ein Altersphänomen thematisiert: Die Beziehung, die besungen wird, ist vorbelastet, weil da eine andere Person im Kopf und somit auch im Schlafzimmer herumspukt. Das Lied sei inspiriert von der brasilianischen Geschichte «Dona Flor und ihre zwei Ehemänner» von Jorge Amado, hat Kuno Lauener im Gespräch verraten. Es ist von einer fast schon mani-matterschen Heiterkeit umspielt.
«Schnägg»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Vieles konnte vom neuen Züri-West-Album erwartet werden – aber eher nicht, dass man sich beim Anhören vor Lachen kugelt. «Schnägg» machts möglich. Einem schreienden Bébé wird hier eine Nacktschnecke in den Mund gesteckt. Und dann ist tatsächlich Ruhe im Kinderwagon. Inspiriert wurde Kuno dabei von einer Gerhard-Polt-Geschichte. Die Musik dazu? Klingt ein bisschen nach Pop-Rock für die Coop-Filiale. Nicht unangenehm, aber nichts, was den Moment überdauert. Doch wer so was singt, dem kann es nicht ganz schlecht gehen.
«Mercury Blues»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Wir kommen zum ersten Cover dieses Albums. «Mercury Blues» ist eine Bluesnummer aus den Vierzigerjahren von D. C. Douglas. Sie wurde bereits mannigfach gecovert, aber bestimmt noch nie mithilfe eines Analog-Synthesizers (Oli Kuster an den Tasten) und einer verstaubten Beatbox. Irgendwann rattert sie im flotten Rock-’n’-Roll-Tempo (Gitarren Küse Fehlmann und Manu Häfliger) vorwärts. Es ist die Ode auf ein schickes Automobil, weshalb die Ford Company sich einst die Rechte am Lied gesichert hat. Diesen Song hätte man gerne live gehört – obschon das Suisa-Geld dann wohl bei ebendiesem Autobauer gelandet wäre.
«Loch dür Zyt»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Es wird wieder nachdenklich: Die Stimme von Kuno Lauener wirkt brüchig, angeschlagen, doch – es sei bereits vorweggenommen: Dieser Eindruck wird sich in den restlichen Songs des Albums nicht so offensichtlich wiederholen. Kuno Lauener singt von der Zeit, die versickert, von Träumen, die immer weiter in die Ferne rücken. Der Text wurde für das erste ZW-Album 1987 geschrieben. Eine bubenhafte Aufbruchstimmung war ihm eigen. Nun hat Kuno Lauener ihn zu einer ernsten, melancholischen Ballade heruntergedimmt. Die Aufbruchstimmung ist ins Gegenteil verdreht. Grossartig.
«Badalamenti am Klavier»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Er sei ein grosser Fan von David Lynch, diesem Regisseur des Abgründigen, hat Kuno Lauener im Gespräch erwähnt. Angelo Badalamenti hat den Soundtrack zu dessen Horror geliefert. Dieses Züri-West-Lied ist entstanden, als dieser Ende 2022 verstarb. Eine Piano-Ballade zu einer surrealen Traumsequenz, die anmutet wie ein lyncheskes Filmset: eine Mörderballade ohne Pointe.
«Blueme Tier u Vögu»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Der Ton ist optimistisch, zutraulich fast, als wolle man einen jungen Frühlingstag begrüssen. Ein Schlafloser betrachtet im Schlafzimmer im Licht einer orange blinkenden Ampel seine schlafende Bettpartnerin. Voller Liebe, voller Zärtlichkeit. Und irgendwann erwacht in diesem anheimelnden Setting die Verlustangst. «Bi mir blibe bitte», wiederholt Kuno Lauener irgendwann fast Mantra-artig. Leeres Schlucken. Und dazu singt die Orgel eine umarmende Melodie.
«Im Bett»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Wieder ein Cover. Und zwar aus dem helvetischen Musikarchiv. «Im Bett» von Frostschutz. Das war Anfang der 80s eine der sonderbarsten Post-Punk-Bands des Landes, mit Handorgel und einem Hang zum Skurrilen. «Mit Frostschutz haben wir vor ein paar Jahren mal ein Konzert gespielt, was mich auf die Idee brachte, einen ihrer Songs zu covern», sagt Kuno. «Wir fanden diese Band schon geil, als es Züri West noch gar nicht gab.» Entstanden ist eine rumpelige Rock-’n’-Roll-Nummer mit schiefen Gitarren. Oder eine Ode auf die Bettlägerigkeit?
«Schöne Morge im April»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Es wird wieder nachdenklich. Das Thema: Vereinsamen im Frühling. Ein Lied über einen, der sich in seiner Wohnung verschanzt und denkt, die Welt sei wohl eher für die anderen. Bleibt nur noch das Warten. Auf den Tod, aufs Leben oder auf das Zwitschern einer Amsel. Und die Musik? Sie klingt wie die Tonspur, mit der man in den frühen 70s softerotische Filmchen vertont hat. Doch um Liebe geht es hier nicht. Eher um die Abwesenheit derselben.
«Schnee vo Philadelphia»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Eine bittere Trennungsgeschichte, über verpasste Chancen und die verflogene Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft. Zwischen Fatalismus, Furor und Ratlosigkeit. Ein einfaches Lied, ohne Schnörkel, mit tragendem Piano und traurig heulenden Gitarren.
«Blätter gheie»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Das nächste Lied ist ein vertontes Gedicht von Franz Hohler. Betrachtungen im Milieu der Herbstblätter. Wie sie fallen, wie sie vom Wind zu einem letzten Tanz gebeten werden, wie sie sterben – und wie es auf einmal still wird. Das ist so himmeltraurig schön. Eine Meditation über das Vergehen.
«Vanishing Act»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Wieder ein Cover. Schon das gleichnamige Original war eine hingetupfte Piano-Ballade über das Verschwinden, im Nebel, alles hinter sich lassend, ohne zurückzublicken. Lou Reed hat viele traurige Lieder geschrieben, aber dieses ist eines der himmeltraurigsten. Kuno macht daraus eine Ballade, die im Nebel spielt; ein Nebel, der von einem mysteriösen Licht illuminiert ist. Der Tod? Eine Hoffnung? Seelenerschütternd schön.
«Winterhale»
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Winterhale ist ein Quartier in Bern-Bethlehem. Wieder ist es früh am Morgen, es hat geschneit in der Nacht. Alles ist noch ruhig. Ein neues Jahr ist im Anmarsch. Es solle nur kommen, noch gäben wir nicht auf, ruft ihm Kuno zu. Es sei das Lied, das seinen Gemütszustand ganz treffend beschreibe, hat er verraten. Der gloriose Abschluss eines Albums, das in seinen nachdenklichen Momenten zum Besten gehört, was in diesem Land je zum Thema Lebensherbst gedichtet worden ist.
Fehler gefunden?Jetzt melden.