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Mundartkönige sind zurück
So klingt der neue Song von Züri West

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Man hat sich diese Frage in letzter Zeit öfter gestellt: Wie könnte das klingen, falls Züri West noch einmal ein Album veröffentlichen sollte? Würde es anders sein als sonst? Würde es von der Endlichkeit handeln? Oder vom Wunder des Daseins? Wäre es von bitterer Melancholie durchsetzt? Oder von trotziger Feierlichkeit?

Seit Kuno Lauener, die Kühlerfigur der Band, an Multipler Sklerose erkrankt ist, hat man nicht mehr viel von ihm gehört. Bis auf einen «Tagesschau»-Beitrag zum 60. Geburtstag im März 2021, in dem er davon berichtete, dass er damit beschäftigt sei, neue Songs zu schreiben. Und dass es ihm mit der Krankheit, die so unterschiedliche Verläufe nehmen kann, «verhältnismässig gut» gehe. 

Im Dezember folgt das Album

Nun wird es also ein neues Züri-West-Album geben. Es steht bereits im Lager des Vertriebs und in der Pipeline der Streamingdienste. Dreizehn neue Lieder wird es enthalten. Am 8. Dezember wird es ausgeliefert. Mehr darf noch nicht verraten werden.

Das erste und einzige Vorabmüsterchen ist der Song «Loch dür Zyt». Und schon beim ersten Durchhören wird klar: Züri West ist eine andere Band als in der Epoche Mitte der Neunziger bis Mitte der Nullerjahre, als die Hits nur so aus dem Song-Köcher purzelten. 

Nachdenklich und ernst

Es ist – und diese Entwicklung hat sich schon auf den letzten Tonwerken abgezeichnet – eine ernstere Band geworden, nachdenklicher, nicht auf die schnelle Wirkung und den zündenden Refrain aus. Die Stimme von Kuno Lauener wirkt auf dem neuen Lied ein wenig fragil. Und ein resoluter Beat stampft durch den Song, als wolle er den Weg für Kunos Poesie vorbahnen. Kuno Lauener singt von der Zeit, die versickert, von Träumen, die immer weiter in die Ferne rücken, wenn das Zeitbudget langsam knapp wird. Er singt von der Einsamkeit, von verpassten Chancen, von Erinnerungen, von verwelkter Liebe, von Ungewissheiten. Alles nur Gedankenfragmente, nichts, woran man sich festhalten könnte. Denn die Zeilen werden eher aufgesagt als gesungen. Auf einen erlösenden Refrain wartet man vergebens. 

Es ist kein Song, mit dem man sich für die Hauptbühne eines Sommerfestivals bewirbt. Das wird Züri West nicht mehr leisten können. Kein Lied, zu dem sich Schweizerinnen und Schweizer verlieben werden, oder das jemals an einer Hochzeit gespielt wird. Davon hat die Band genug.

Das Lied wirkt wie eine Übung in Schwermut. Eine Lebensbetrachtung in Moll.

Und genau das macht dieses unscheinbare Lied so kostbar. Es verfolgt keine Absichten, es will nicht gefallen, es will noch nicht einmal eine Geschichte erzählen. Es wirkt wie eine klingende Gedankenkaskade, wie eine Übung in Schwermut. Eine Lebensbetrachtung in Moll. Und je mehr man es sich anhört, desto näher wächst es einem ans Gemüt und ans Herz. Auch wenn es einem die Botschaft zuflüstert: Die Flegeljahre sind vorbei, jetzt folgt der trübe Lebensherbst mit all seinen Dramen und Tragödien.

Züri West mit Sänger Kuno Lauener (3.v.r.) ist heute eine andere Band als zu jener Zeit, als die Hits aus dem Song-Köcher purzelten.

Was für ein schöner Kontrast zur grassierenden Heimat- und Daseins-Verklärung im Mundart-Zweig dieses dürre Lied doch darstellt. Was für ein wohltuender Bruch zur Feel-good-Volksnähe in Dauerschlaufe, zu mehrstimmigen Chören, die fast schon unerträglich von der Leichtigkeit des Seins berichten. Nein, das neue Lied von Züri West hat keinen Anfang und schon gar kein Happy End, die Sonne wird zur Qual, die Einsamkeit hat alle Träume zurechtgestutzt. Nur das einsame Herz pocht unbeirrt weiter, wie der Beat, der dieses Lied zusammenhält. 

Alter Text

Für alle, zu deren Hobbys es gehört, aus der Poesie von Kuno Lauener Rückschlüsse auf dessen Lebenszustand zu destillieren, wird es jetzt etwas schwierig. Der neue Song basiert nämlich auf einem Text, der nicht neu ist. Er wurde für das erste Züri-West-Album zum Song «Z.W.» gedichtet. Es war kein sonderlich inspirierter Song damals im Jahr 1987. Eine bubenhafte Aufbruchstimmung war ihm eigen – und ein bisschen Subkultur-Schnoddrigkeit. Nun hat Kuno Lauener ihn zu einer ernsten, melancholischen Ballade heruntergedimmt. Zeilen wie «Bau jede Aabe Rock’n’Roll / Bau jede Aabe viu z’viu Schtimorol» hat er eliminiert. Die Aufbruchstimmung ist ins Gegenteil verdreht. 

Und irgendwo in den Büros der Hitradio-Musikredaktionen fragt man sich wohl gerade, ob man so ein Lied dem Publikum zumuten will, ob das noch mit dem Leitbild von Radio Sunshine oder Radio Energy vereinbar ist. Vermutlich nicht. Und das macht so was von rein gar nichts.