Neue Corona-Risikogruppe Firmen wollen Schwangere jetzt besser schützen
Seit gestern zählen auch schwangere Frauen zu den durch Covid-19 «besonders gefährdeten Personen», da für sie das Risiko eines schweren Verlauf erhöht ist. Erste Arbeitgeber reagieren.
«Bis jetzt deutet nichts darauf hin, dass eine Covid-19-Infektion bei Schwangeren ohne Vorerkrankungen zu schwereren Symptomen oder einem schwereren Krankheitsverlauf führt (…) Schwangere gehören daher nicht zur Kategorie der besonders gefährdeten Personen, wie sie vom BAG definiert ist.» So stand es noch am Mittwochnachmittag unter den «häufig gestellten Fragen» auf der Website des Bundesamts für Gesundheit (BAG) geschrieben. Dabei war das Amt da bereits umgeschwenkt: Wie die Betagten sowie Menschen mit Vorerkrankungen rechnet der Bund jetzt auch werdende Mütter zu den «besonders Gefährdeten».
Was hat den Bund zu dieser Umklassierung veranlasst? Primär waren es neuere Forschungen, wie Patrick Mathys vom BAG vor den Medien erläuterte. Welche Befunde damit gemeint sind, geht aus einem Expertenbrief hervor, den die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe am Mittwoch veröffentlichte. Demnach haben schwangere Frauen gemäss aktuellsten Studien ein rund fünfmal höheres Risiko als Nichtschwangere, wegen Covid-19 ins Spital eingeliefert zu werden. Das gilt vor allem für das letzte Drittel der Schwangerschaft.
Schwangere leiden eher an Übergewicht, Bluthochdruck oder Thrombosen – alles Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf. Zudem ist die Immunabwehr während der Schwangerschaft grundsätzlich schwächer. Ein schwerer Krankheitsverlauf erhöht zudem das Risiko für eine Frühgeburt. Auch kann sich das Neugeborene anstecken, wobei es nur selten zu schweren Verläufen kommt. Noch wenig weiss man bisher über die Auswirkungen einer Infektion mit dem Coronavirus im ersten Schwangerschaftsdrittel.
«Wir behandeln diese Fälle kulant und unkompliziert.»
Dass der Bund die Lage jetzt neu beurteilt, wird jedenfalls Folgen haben – zum einen für die schwangeren Frauen, denen das BAG nun besondere Vorsicht in Sachen Hygiene und Prävention empfiehlt. Zum anderen aber auch für die Firmen, in denen die Frauen arbeiten: «Der Arbeitgeber ist unter Umständen neu verpflichtet, eine Risikoanalyse vornehmen zu lassen», sagt Fabian Maienfisch vom Staatssekretariat für Wirtschaft. «Der behandelnde Arzt hat im Einzelfall zu entscheiden, ob die notwendigen Massnahmen zum Schutz der Arbeitnehmerin und des ungeborenen Kindes getroffen wurden. Oder ob er aufgrund der Gefährdung die Weiterbeschäftigung untersagt.»
Erste Firmen geben auf Anfrage denn auch bekannt, dass sie Schwangere besser schützen wollen. «Der Schutz unserer Mitarbeitenden hat für uns oberste Priorität. Wir werden mit den schwangeren Mitarbeiterinnen Lösungen finden», sagt Patrick Häfliger, Sprecher von Coop. Mitarbeitende, die einer Risikogruppe angehörten, könnten gegen Vorweisen eines ärztlichen Attestes zu Hause bleiben. «Wir behandeln diese Fälle kulant und unkompliziert», so Häfliger.
Ähnlich tönt es bei Lidl Schweiz: Man werde für die Schwangeren das Schutzkonzept anwenden, das für die Risikogruppen gelte, sagt Sprecherin Corina Milz. Die Betroffenen würden beispielsweise an Orten eingesetzt, «an denen keine oder nur sehr wenige Personen arbeiten» – oder während Zeiten, zu denen nur sehr wenige Kunden in den Filialen seien.
Noch unklar ist, wie die Migros reagieren wird. «Was die neue Einstufung von Schwangeren als Risikogruppe bedeutet, ist noch offen. Wir werden darüber in den nächsten Tagen entscheiden», erklärt Firmensprecher Marcel Schlatter. Bei der Migros wurden die Regeln für Risikogruppen Ende Juni aufgehoben. Diese müssen seither wieder so wie andere Angestellte arbeiten.
Risikoland Spanien
Nebst der neuen Gefahrenstufe für Schwangere traf das Bundesamt für Gesundheit am Mittwoch noch einen weiteren weitreichenden Entscheid: Das spanische Festland – aber nicht die Kanarischen Inseln und die Balearen – gilt ab Samstag als Corona-Risikogebiet. Das bedeutet, dass für zehn Tage in Quarantäne muss, wer von dort in die Schweiz einreist. Der Entscheid dürfte nicht nur Schweizer Ferienreisende treffen, sondern insbesondere auch spanische Staatsangehörige, die in der Schweiz leben und in den Sommerwochen ihre Familien besuchten.
Wie viele Menschen mit Schweizer Wohnsitz sich derzeit in Spanien aufhalten, ist nicht bekannt. Patrick Mathys vom BAG schätzt ihre Zahl aber als «bedeutend» ein.
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