Finanzielle Folgen der ErderwärmungSo viel Geld kostet uns der Klimawandel
Fluten in China, Waldbrände auf Hawaii, Dürre in Uruguay: Extremwetter richtet rund um die Welt enorme Schäden an. Und das sei erst der Anfang, sagen Forschende und Versicherer.
Wenn die Temperaturen im Hochsommer auf 30 Grad steigen und über Wochen kaum Regen fällt, dann ist in Alexandroupolis «Feuerwetter». Dann braucht es wenig – ein Funken, ein heftiger Windstoss –, und die ausgetrockneten Wälder in den Hügeln rund um die griechische Küstenstadt brennen lichterloh.
Waldbrände hatte es unter diesen Bedingungen in Alexandroupolis schon 2021 und 2022 gegeben. Doch das war nichts im Vergleich zum Feuersturm, der diesen August über die griechische Region hinweggefegt ist. 825 Quadratkilometer Land brannten über eine Woche hinweg ab, eine Fläche so gross wie der Kanton Jura. Alexandroupolis ist damit zum Schauplatz der grössten Waldbrandkatastrophe geworden, die im Register der Europäischen Union seit dessen Einrichtung um die Jahrtausendwende verzeichnet ist.
Die Feuersbrunst auf dem griechischen Festland ist ein Extrembeispiel, aber kein Einzelfall. Spanien, Italien, Portugal, Frankreich – praktisch der ganze Mittelmeerraum stand diesen Sommer in Flammen. Von Bränden betroffen waren auch populäre Touristendestinationen wie Rhodos, Korfu, La Palma und Teneriffa. Gemäss Schätzungen entstanden dabei Schäden über 4 Milliarden Euro.
Die Kosten steigen permanent
Klimaforscher stellen fest: Wetter-Extremereignisse wie diese werden im Zuge des Klimawandels immer häufiger. Und Versicherungen sagen: Man muss damit rechnen, dass diese Ereignisse immer grösseren Schaden anrichten.
Wirbelstürme, Überschwemmungen und Waldbrände kosten bereits heute viel Geld. Swiss Re, eine Rückversicherung mit Sitz in Zürich, bezifferte die weltweite Schadensumme für das vergangene Jahr auf 275 Milliarden Dollar. Munich Re, ihre Konkurrentin aus München, kommt auf eine ähnliche Summe.
Inbegriffen in dieser Zahl sind Sachschäden an kaputten Gebäuden, zerstörte Infrastruktur wie Strassen oder Brücken und ausgefallene Erträge, etwa aus der Landwirtschaft – nicht aber die Menschenleben, die den Katastrophen zum Opfer fallen. Diese könnten, je nachdem, wie man die verlorenen Lebensjahre umrechnet, noch einmal Dutzende von Milliarden pro Jahr ausmachen.
Über die Zeit zeigen die Zahlen einen klaren Aufwärtstrend. Naturkatastrophen verursachen weltweit immer höhere Schäden. Das gilt auch, wenn man die Inflation aus den Zahlen herausrechnet.
Die Treiber dieser Entwicklung sind mannigfaltig. Doch zwei Ursachen ragen besonders heraus: die stetige Ausdehnung der menschlichen Siedlungs- und Wirtschaftsaktivitäten – und der Klimawandel. Beide Tendenzen lassen sich anhand eines Extremereignisses illustrieren, das exakt ein Jahr zurückliegt.
Am 28. September 2022 setzten Sturmwinde über Südwestflorida ein. Hurrikan Ian, ein tropischer Zyklon der Kategorie 4, hatte von der Karibik her kommend das Festland erreicht. Er brachte Böen von 250 Kilometern pro Stunde und eine meterhohe Sturmflut – und verwüstete in nahe liegenden Städten wie Fort Myers alles, was ihm im Weg stand: Häuser, Strassen, Plätze, Autos, Boote.
Hurrikan Ian richtete in den USA und in Kuba insgesamt Schäden von 100 Milliarden Dollar an. Damit war der Wirbelsturm allein für über ein Drittel aller Schäden des letzten Jahres verantwortlich. Aus statistischer Sicht ist das ein herausragendes Ereignis. Aber kein untypisches: Stürme sind mit Abstand der grösste Posten in der langjährigen Schadenbilanz der Extremereignisse.
Laut Thierry Corti, der bei Swiss Re das Dossier Klimawandel leitet, treten tropische Wirbelstürme wie Ian im Zuge der globalen Erwärmung nicht häufiger auf. «Aber ihre Intensität nimmt zu.» Das liegt unter anderem daran, dass sie ihre Energie aus der Verdunstung von Meerwasser erhalten: Je wärmer das Wasser wird, desto mehr Energie steckt in der Luft. Durch den Klimawandel werden tropische Wirbelstürme in der Tendenz also stärker.
Dass sie so hohe Schäden anrichten, liegt aber auch an der Risikobereitschaft der Amerikaner. Es ist kein Geheimnis, dass es an der Küste von Florida regelmässig Hurrikans gibt. Trotzdem sind in den letzten Jahrzehnten viele Leute dorthin gezogen. So hat sich etwa die Wohnbevölkerung im von Hurrikan Ian betroffenen Gebiet nach Angaben von Swiss Re seit 1970 versiebenfacht.
«Der Schaden, den Extremereignisse in ärmeren Ländern anrichten, wird in den Zahlen ungenügend abgebildet.»
Immerhin sind viele dieser Leute versichert: Grössere Teile der Schäden sind gedeckt. Und gemessen an der gesamten Wirtschaftskraft der USA, fallen sie – auch wenn sie Einzelpersonen hart treffen – nur wenig ins Gewicht.
Das ist in ärmeren Ländern ganz anders, wie ein weiteres Beispiel zeigt.
Wasser, Wasser und noch mehr Wasser: Das brachte im vergangenen Jahr die Monsunzeit in Pakistan. Die ausserordentlich intensiven Niederschläge führten zu weitflächigen Überschwemmungen: Ein Drittel des Landes stand zeitweise unter Wasser. 33 Millionen Menschen waren insgesamt betroffen, 5 Millionen verloren ihr Zuhause, und fast 2000 Menschen verloren das Leben.
Nicht weniger verheerend als die menschliche ist die wirtschaftliche Bilanz der Flut. Internationale Organisationen beziffern den Schaden auf 15 Milliarden Dollar. Die Summe scheint niedrig im Vergleich zu den Schäden bei Hurrikan Ian. Doch im Kontext eines Entwicklungslandes ist sie horrend: 15 Milliarden Dollar entsprechen rund 4 Prozent des Bruttoinlandprodukts von Pakistan.
Als Folge der Überschwemmung fielen grössere Teile der Reis- und Baumwollernte aus. Über eine Million Kühe, Schafe und Ziegen verendeten. Das ist für Pakistan doppelt schlimm, weil das Land nur über eine schmale industrielle Basis verfügt. Viele Haushalte leben direkt oder indirekt von der Landwirtschaft.
Die globalen Schadenstatistiken unterschätzen demnach das Problem in weiten Teilen der Welt. «Der Schaden, den Extremereignisse in ärmeren Ländern anrichten, wird in den Zahlen ungenügend abgebildet», sagt David Bresch, Professor für Wetter- und Klimarisiken an der ETH Zürich. «Hinzu kommt, dass die meisten Schäden in diesen Ländern nicht versichert sind.»
Das verheisst für die Zukunft wenig Gutes. Denn nicht nur wachsen Bevölkerung und Wirtschaft in ärmeren Ländern stark – gerade auch in Risikogebieten wie Pakistan, die öfter von Überschwemmungen betroffen sind.
Sondern auch der andere Risikotreiber, der nachweislich für Katastrophen wie jene in Pakistan verantwortlich ist, schreitet rasant voran: der Klimawandel.
Ausgetrocknete Stauseen
Man muss differenzieren: Nicht jedes Extremereignis lässt sich eindeutig dem Klimawandel zuordnen. Das zeigt etwa eine Untersuchung zu den Regenfällen, die im Mai über Norditalien niedergingen. Wassermassen überfluteten damals Ortschaften in der Region Ravenna und verursachten einen Schaden von 9 Milliarden Euro. Die Studie kam zum Schluss, dass Ereignisse dieser Art in Norditalien weder durch die gängigen Klimaprojektionen erklärt würden noch dass sie sich in den letzten Jahrzehnten dort gehäuft hätten.
Gewisse Extremereignisse hängen auch nur zum Teil mit dem Klimawandel zusammen. Ein Beispiel dafür ist die Dürre, die seit vier Jahren in Teilen von Südamerika herrscht und Länder wie Uruguay dazu bewogen hat, den nationalen Notstand wegen Wasserknappheit auszurufen.
Dabei steht laut einer Gruppe von Forschern die Tatsache, dass es wenig geregnet hat, nicht zwingend im Zusammenhang mit dem Klimawandel – Wetterphänomene wie La Niña könnten solche Trockenphasen auch erklären. Doch die heissen Temperaturen, die mit dem Klimawandel einhergehen, verschlimmern die Folgen ausbleibenden Regens auf jeden Fall.
In vielen anderen Fällen ist die Zuordnung jedoch eindeutig. So etwa bei den Waldbränden, die im Frühsommer in Kanada auf einer Fläche dreimal so gross wie die Schweiz wüteten. Der Klimawandel habe die Chance eines solchen Ereignisses mehr als verdoppelt, schreiben Forscher in einer Studie dazu.
Auch der Klimarat IPCC hält in seinem sechsten Sachstandsbericht fest, dass der Klimawandel bereits heute mehr Extremereignisse mit sich bringt. «Fast sicher» komme es weltweit zu mehr Hitzewellen, «wahrscheinlich» zu mehr Starkniederschlägen, und mit «mittlerer Sicherheit» häufen sich Dürren.
Laut der Klimaforscherin Sonia Seneviratne, die als Hauptautorin das Kapitel über Extremereignisse im IPCC-Bericht verfasst hat, sind diese Erkenntnisse sogar noch vorsichtig formuliert – die wissenschaftlichen Gepflogenheiten wollen es so. «Wir beobachten klar, dass es seit einigen Jahren deutlich mehr Extremereignisse gibt – und das ist konsistent mit allen Klimasimulationen.»
Aus diesen Simulationen geht laut Seneviratne auch hervor, dass mit einer weiteren, starken Zunahme von Extremereignissen zu rechnen ist. «Was wir jetzt erleben, ist erst ein Vorgeschmack auf die Zukunft», sagt die Forscherin.
«Wir haben in den letzten Jahren eine neue ‹Normalität› von Schadenhöhen erreicht.»
Stand heute hat sich die Erde um 1,2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmt. Bereits 2030 dürfte sie um 1,5 Grad wärmer sein – egal, wie stark sich die Menschheit bemüht, den Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren.
Entsprechend eindeutig sind die Formulierungen des IPCC für diesen Zeitraum. Es sei «extrem wahrscheinlich», dass es dannzumal mehr Hitzewellen gebe, schreibt der Klimarat. Mit «hoher Zuversicht» sagt er weiter Folgendes voraus: mehr Starkregen in den meisten Regionen, mehr Regionen, in denen es öfter Dürreperioden gibt, und anteilsmässig mehr extreme tropische Wirbelstürme.
Von diesem Trend ist die Schweiz nicht ausgenommen. Mehr Hitzewellen, intensivere Niederschläge, mehr sommerliche Trockenheit: All das steht in Zukunft gemäss den Szenarien des Zentrums für Klimawissenschaften NCCS auch hierzulande auf dem Programm. (Keine Vorhersagen können allerdings für Tornados gemacht werden, wie sie jüngst in La Chaux-de-Fonds auftraten: Dafür reicht die Datenbasis laut Stephan Bader von Swissmeteo nicht aus.)
Diesen September wurden praktisch zeitgleich verschiedenste Weltregionen von starken Regenfällen heimgesucht. Aufnahmen sogenannter Flash Floods zeigen überflutete Strassen, weggespülte Autos und wegbrechende Häuser in Griechenland, Spanien, Bulgarien, Libyen, Guatemala, Mexiko, Brasilien, Hongkong und in der Türkei. Eine solche Massierung von Unwettern ist aussergewöhnlich. Doch genau darauf stellen sich auch die Versicherer ein.
So schätzt Swiss Re, dass die weltweiten Schäden durch Naturkatastrophen im Schnitt um 4,5 Prozent wachsen werden. Ähnlich tönt es bei Munich Re. «Wir haben in den letzten Jahren eine neue ‹Normalität› von Schadenhöhen erreicht», sagt Ernst Rauch, der beim Rückversicherungskonzern die Klimaforschung leitet. «Doch diese Normalität wird bald übertroffen, wenn keine Massnahmen zur Schadenvermeidung ergriffen werden.»
Massnahmen solcher Art hat die Schweiz verschiedentlich getroffen. Als Reaktion auf das Hochwasser von 2005 wurden etwa Flüsse renaturiert. Um Ortschaften zu schützen, wurden Zonen definiert, in denen die Gefahr besteht, dass Gewässer über die Ufer treten könnten. «Das hat geholfen, dass es in den letzten Jahren trotz starker Niederschlagsphasen keine grösseren Überschwemmungsschäden gab», sagt Thierry Corti von Swiss Re.
Um die Widerstandsfähigkeit gegenüber klimatischen Extremereignissen zu erhöhen, braucht es allerdings Geld – und gute Planung seitens der Behörden. Beides ist in vielen ärmeren Weltregionen nicht ohne weiteres vorhanden.
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