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Analyse zu Pro Helvetia
Hat die Kultur­förderung ein Israel-Problem?

Die Basler DJ Leila Moon
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In Kürze:
  • Der Basler Regierungspräsident hat der Künstlerin Leila Moon den Kulturförderpreis entzogen.
  • Das System der Checks and Balances in der Kulturförderung hat dabei gut funktioniert.
  • Das Israel-Problem in der Kulturszene sollte nicht nur auf der Ebene der Städte, sondern von der Pro Helvetia diskutiert werden.

Warum forderte Basel den renommierten Autor Alain-Claude Sulzer auf, seinen Gebrauch eines veralteten Wortes für Sinti und Roma zu überdenken? Warum entzog die Stadt der Künstlerin Leila Moon den Kulturförderpreis?

Die Kulturförderung in der Schweiz funktioniert als ein System der Checks and Balances. Sie ist weit weg von der Politik positioniert, weil die Demokratie nichts mehr fürchtet, als in den Ruch einer Staatskultur zu gelangen.

In der Literaturförderung entscheiden Autoren, Buchhändler, Verleger. Musiker sitzen in der Jury für die Musikförderung. Es sind Peergroups, die am besten die künstlerischen Qualitäten eines Projekts beurteilen können.

Da aber mit Steuergeldern gefördert wird, prüft die Verwaltung, ob die Entscheidungen mit den politischen und moralischen Wertvorstellungen des Staatswesens kongruent gehen.

Bei Sulzer war das nicht der Fall, weil er in seinem Buch rassistische Wörter verwendet. Wobei es sich in dem Verfahren nie um Zensur handelte, wie überall behauptet wurde. Bei Leila Moon ging es darum, dass sie die israelisch-amerikanische Band Yemen Blues kritisierte, weil die sich nicht gegen den Rachefeldzug der Israelis in Gaza positioniere. Jüngst musste in Amsterdam ein Konzert dieser Band wegen propalästinensischer Proteste abgesagt werden.

Bei Leila Moon schob die Verwaltung einen Riegel vor, weil die einseitige Stellungnahme gegen Israel aus Sicht des schweizerischen Staatswesens nicht geht. Auch wenn der Blutzoll der Palästinenser jenen der Israelis um ein Vielfaches übersteigt, so ist die Geiselnahme durch die Hamas vom 7. Oktober 2023 ein Fanal, das an Bestialität nicht zu überbieten ist und als Auslöser dieses Kriegs nie vergessen werden kann.

Aufgabe für Kulturministerin oder Staatssekretär für Kultur

Dennoch ist die Parteinahme von Künstlerinnen und Künstlern für die Sache der Palästinenser so verbreitet – sehr prominent war der Auftritt von Nan Goldin in der Neuen Nationalgalerie Berlin am 22. November –, dass die staatliche Kulturförderung mit einem grösseren Problem konfrontiert ist. Sie muss die künstlerische Freiheit garantieren und zugleich Israel ein Existenzrecht einräumen.

Das geht nur über eine breite politische Sensibilisierung der Förderstrukturen, die das Israel-Problem in der Kunstszene im Blick haben müssen. Für diese Aufgabe prädestiniert wäre eine Kulturministerin oder eine Staatssekretärin für Kultur, wie man das aus Frankreich oder Deutschland kennt.

Aber in der Schweiz legte man in den letzten Jahrzehnten die Kulturförderung in die Hände der aufstrebenden Klasse der Kulturmanager, die einen reibungslosen Betrieb garantieren, aber wenig zu sagen haben. So wurde etwa die Pro Helvetia zu einer reinen Geldverteilmaschine, die kulturpolitische Sonntagsreden ihrem Bundesrat Alain Berset überliess.

Es ist an der Zeit, dass an die Spitze der Schweizer Kulturstiftung, ob als Direktor oder als Präsident, wieder eine philosophisch und politisch kompetente Persönlichkeit gewählt wird, die zu den wichtigen kulturpolitischen Problemen und der Förderpolitik des Bundes und der Städte laut hörbar eine Debatte entfacht.