F/A-18-Unglück am SustenpassFluglotse akzeptierte Urteil nicht – zur Überraschung vieler
Ein falscher Funkspruch führte zum Absturz einer F/A-18. Der Fluglotse wurde der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen. Nun kommt es erneut zum Prozess.

Eine F/A-18 fliegt in eine Felswand. Der Pilot stirbt. Der Fluglotse wird wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, weil er eine falsche Flughöhe über Funk befohlen hat.
Das ist die Zusammenfassung eines Unglücks, das sich vor über acht Jahren ereignete. Nun wird das Unglück heute Donnerstag noch einmal aufgerollt und auseinandergenommen. Der Fluglotse und der Auditor, der Staatsanwalt des Militärs, waren nicht einverstanden mit dem erstinstanzlichen Urteil im Januar 2024. Dem Fluglotsen war es zu hart, dem Auditor zu mild.
Im zweitägigen Prozess in Aarau geht es um den 29. August 2016. Damals herrschte in Meiringen anspruchsvolles Flugwetter: klare Sicht auf der Startbahn, keine Sicht oberhalb von 1000 Metern wegen einer dichten Wolkendecke. Dazu starke Winde.
Sie starten in Meiringen innerhalb von 15 Sekunden
Zwei F/A-18-Jets starteten damals innerhalb von 15 Sekunden auf dem Militärflugplatz Meiringen. Sie wollten über dem Sustenhorn trainieren und einen Abschluss simulieren. Vorne der erfahrene Pilot und Fluglehrer. Hinten ein damals 27-Jähriger, der gerade vor dem Abschluss des Umschulungskurses zum F/A-18-Piloten stand.
Nach dem Start versuchte der jüngere Pilot, Trailer genannt, seinen Radar auf denjenigen des älteren Piloten, Leader genannt, aufzuschalten, um diesem sicher durch die Wolkendecke folgen zu können. Das gelang ihm nicht. Darauf kommt es zum verhängnisvollen Funkverkehr mit dem Fluglotsen, der ihn durch die Wolkenfront hätte führen sollen.
Fluglotse: «… Trailer, confirm you have radar contact with the Leader.»
Pilot SN12, der Trailer: «Having uhh unable SN12.»
Fluglotse: «Roger SN12 level off ahh Flight level 100.»
Der letzte Satz ist der fatale Funkspruch. Der Fluglotse sagt dem Piloten, er solle auf «flight level 100» übergehen. Das heisst, auf einer Flughöhe von 10’000 Fuss in den Horizontalflug wechseln. Für das Gebiet wären 15’000 Fuss richtig gewesen.
Der 27-jährige F/A-18-Pilot befolgt die Anweisung, er reduziert sogar noch die Flughöhe. 58 Sekunden nach dem fatalen Funkspruch ist er tot. Er fliegt 11 Meter unter dem Grat ins Sustenmassiv.
Der erstinstanzliche Prozess arbeitete die letzten Sekunden akribisch auf. Er zeigte auch, wie der Fluglotse noch vor dem Einschlag gemerkt hatte, dass er eine fehlerhafte Flughöhe durchgegeben hatte. Plötzlich war der Radarpunkt des hinteren Piloten stehen geblieben. Der zuerst gestartete Pilot berichtete darauf von «black smoke». Der Lotse realisierte das Unglück und brach im Lotsenraum zusammen.
Der erstinstanzliche Prozess sorgte nicht nur für Klarheit, sondern auch für eine überraschende Wendung. Die Ermittlungen legten damals nahe, dass der Fluglotse die Flughöhe versehentlich vertauscht hatte. Am Morgen des Unfalltages starteten die Flugzeuge in Meiringen noch nach Westen. Hier wäre Flight Level 100 korrekt gewesen. Aus wettertechnischen Gründen wechselte man während des Tages die Abflugrichtung. Gegen Osten wäre Flight Level 150 angebracht gewesen.
Der Lotse sagte dann vor Gericht aus, dass er dem Piloten ganz bewusst Flight Level 100 gesagt habe, weil er eine Kollision habe verhindern wollen. Er wisse nicht, was er hätte anders machen sollen, um die Vorgaben einhalten zu können.
Fluglotse muss 40’000 Franken Gerichtskosten zahlen
Tatsächlich ist der vordere Pilot eher zu steil und zu langsam aufgestiegen, der verunfallte Pilot aus ungeklärten Gründen viel zu flach und schnell. Auf seinem veralteten, zweidimensionalen Radargerät seien sich darauf die Punkte gefährlich nahe gekommen, sagte der Fluglotse. Deshalb habe er die beiden Flugzeuge separieren wollen. Er machte das mittels unterschiedlicher Höhenangabe. Die Separierung klappte, nur stellte sich dem verunglückten Piloten das Sustenmassiv in den Weg.
Zivile Flugzeuge werden in solchen Situationen vor Hindernissen gewarnt. Bei Militärflugzeuge machen solche Systeme wenig Sinn, weil sie sich oft in Tälern und nahe an Bergen aufhalten statt darüber.
Der Fluglotse wurde damals zu einer bedingten Strafe von 60 Tagessätzen à 170 Franken verurteilt, zudem wurden ihm Gerichtskosten von 40’000 Franken auferlegt. Beobachter, inklusive des Rechtsanwalts des Fluglotsen, sprachen von einer milden Strafe. Trotzdem hat der Fluglotse zur Überraschung vieler weitergezogen. Der zweite Pilot wiederum wurde von der fahrlässigen Tötung freigesprochen, obwohl sein Startprozedere (zu steil, zu langsam) nicht der Norm entsprach.
Der Fluglotse arbeitet heute nach wie vor bei Skyguide, doch er leitet nicht mehr Militärflugzeuge durch den Himmel. Das Unglück belastet ihn gemäss eigenem Umfeld noch immer stark, weshalb er heute im Bereich Weiterbildung angestellt ist.
In Aarau wird nun während zweier Tage der Absturz vor dem Militärgericht nochmals aufgerollt. Am Freitag um 14 Uhr soll das Urteil veröffentlicht werden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.