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Ex-Eishockeyprofi Juraj Simek
In Kloten ausgemustert, findet er sein Glück in Bülach an der Bande

2024_09_14_Bülach_Saisonstart MyHockeyLeague, EHC Bülach - Martigny_Auswahl. Juraj Šimek Head Coach EHC Bühlach
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In Kürze:
  • Juraj Simek bestritt als Flügelstürmer 477 Spiele in der National League, sein Traum von der NHL erfüllte sich nie.
  • 2022 gehörte er zur Aufsteigermannschaft des EHC Kloten, erhielt dann aber keinen Vertrag mehr.
  • Seine Karriere beendete er mit einem Meistertitel in Polen.
  • Seit dieser Saison ist Simek Cheftrainer beim EHC Bülach in der MyHockey League.

Passiert ist es 2006 beim Aufwärmen vor der Resega in Lugano mit den Teamkollegen von Genf-Servette. Juraj Simek sieht den Fussball aufs Dach eines Lastwagens des Tessiner Fernsehens fliegen. Er sprintet zwischen den Fahrzeugen durch, im Blick hat er nur den Ball, er will ihn haben, unbedingt. Was er nicht sieht, ist die offen stehende Wagentür. Das Nächste und kurzfristig Letzte, was er hört, ist Mitspieler Jim Slater, der ruft: «Call an ambulance!»

Zehn Minuten später kommt Simek wieder zu sich. Er fühlt sich frisch, wie nach einem Powernap. «Ich hatte nicht einmal Kopfschmerzen», erinnert er sich. Erst als er in der Garderobe in den Spiegel schaut, weiss er, warum ihn Cheftrainer Chris McSorley nicht spielen lassen will: Sein Mund sieht aus wie nach einer wilden Schlägerei, mehrere Zähne fehlen, da sind Schnittwunden, und alles ist voller Blut.

Als Jurai Simek an diesem Montagmorgen in einem Café in Kloten erzählt, wie er damals «fadegrad» in diese Tür gerannt ist, kann er darüber lachen. Er, der auf dem Eis nie einen Zahnschutz trug, holte sich beim Two-Touch-Fussball die höchste Zahnarztrechnung seiner Karriere. Die Anekdote zeigt beispielhaft, wie Simek funktioniert: Es geht bei ihm nie einfach um den Spass, ums Aufwärmen, Auslaufen, Zeitvertreiben. Es geht immer auch ums Gewinnen.

Inzwischen steht er nicht mehr als Spieler auf dem Eis, sondern als Trainer an der Bande des EHC Bülach in der dritthöchsten Liga. Doch etwas bleibt gleich: «Verlieren macht mich noch immer unglaublich hässig.»

Mit 15 Jahren ins Hotel gezogen

Aufgewachsen ist Juraj Simek in Bern. Sein Vater, ein ehemaliger Spitzenhandballer, zog 1993 mit der Familie aus der damaligen Tschechoslowakei in die Schweiz. Der Sohn, der wie der Vater Juraj heisst, war erst 15 Jahre alt, als er von Bern in die Klotener Juniorenbewegung wechselte und ein Zimmer im kleinen Hotel Bramen bezog. In Bern sei nicht richtig trainiert worden, sagt er. «Kloten hingegen war in dieser Zeit die Nummer 1 punkto Ausbildung.» Neben Vladimir Jursinov suchte Simek vor allem die Zusammenarbeit mit dem Tschechen Mirek Hybler. «Seine Trainings waren so hart, dass ich nach dem ersten Tag Sommertraining wegen Muskelkater zu Hause blieb. Aber genau das habe ich gesucht.»

Der ehrgeizige Flügelstürmer wurde 2006 in der sechsten Runde von den Vancouver Canucks gedraftet. Simek zog noch im Juniorenalter aus nach Nordamerika und durfte sich Hoffnungen auf einen NHL-Vertrag in Vancouver machen. Am Ende schaffte er den letzten Cut bei den Canucks aber nicht. Nach fünf Jahren AHL kehrte er in die Schweiz zurück.

Emotionales Ende

In der National League absolvierte Simek 477 Spiele, die meisten davon für Servette. Mit den Genfern gewann er 2013 auch den Spengler-Cup. Nach einem Abstecher zu den Lakers spielte er schliesslich wieder für Kloten in der Swiss League. Doch ausgerechnet beim Aufstieg im Frühling 2022 stand er nicht auf dem Eis, schon im Januar hatte ihn ein Riss der Trizepssehne zum Zuschauer gemacht. Dass ihn der EHC Kloten schliesslich am selben Tag ausmusterte, wie er seinen Operationstermin erhielt, war für ihn ein Schlag ins Gesicht, emotional ähnlich schmerzhaft wie der Zusammenprall mit der Lastwagentür in Lugano. Simek sagt: «Der Kreis hätte sich geschlossen. Ich hatte gehofft, meine Karriere mit Kloten in der National League zu beenden.»

Jubel bei den Klotener beim 1:1 von Klotens Simek Juraj (9), Eishockey, Swiss League, EHC Kloten gegen EHC Visp in der SWISS Arena in Kloten  24.02.2021 Foto: Leo Wyden

Die Aussage «Du bist zu alt für den Profisport» hat den 36-Jährigen erst recht angestachelt. Aufhören war für Simek keine Option. Nach einem Intermezzo in der Slowakei landete er schliesslich in Polen bei Katowice und feierte fernab der Heimat tatsächlich seinen ersten Meistertitel. Positiv überrascht von der Professionalität des polnischen Eishockeys, wäre er wohl noch eine weitere Saison bei Katowice geblieben, hätten in der Schweiz nicht seine Frau und sein neunjähriger Sohn auf ihn gewartet. Er wollte Juraj junior beim Hockeyspielen unterstützen und sein Training begleiten.

Juraj Simek betont, dass bereits auf den untersten Juniorenstufen eine professionelle Ausbildung nötig ist, damit die Schweiz weiterhin international mithalten kann. Und dass dabei der kompetitive Gedanke nicht zu kurz kommen sollte. «Die Junioren dürfen nicht mit der Einstellung aufwachsen, es sei egal, ob sie gewinnen oder verlieren. Wie sollen sie so eine Winnermentalität entwickeln?» Das ist kurz gefasst Simeks Sicht der Dinge. Und sie hat ihn nach seiner Rückkehr aus Polen veranlasst, auf privater Basis selbst Fördertrainings für Kinder im Alter zwischen acht und zehn Jahren anzubieten. Mit einem erneuten Engagement als Eishockeyspieler hat es nicht mehr geklappt, obwohl er offenkundig gerne ambitioniert weitergespielt hätte.

«Glücksfall» EHC Bülach

Inzwischen hat Simek mit dem Kapitel Profisport abgeschlossen und arbeitet Vollzeit bei einer Versicherung. Zu tun hat er genug. Und doch musste er nicht lange überlegen, als im vergangenen Frühsommer der EHC Bülach bei ihm anklopfte. Er selbst hatte Wochen zuvor den damaligen Headcoach Ramon Schaufelberger wegen einer Mitarbeit im Staff kontaktiert. Und als dieser daraufhin einen Vertrag in der Swiss League beim EHC Olten erhielt, fragte er Simek direkt für seine Nachfolge an. Ein Einstieg ins Trainergeschäft als Headcoach auf Stufe My Hockey League? Simek musste nicht lange überlegen. «So eine Chance bekommt nicht jeder», sagt er und spricht von einem «Glücksfall».

2024_09_14_Bülach_Saisonstart MyHockeyLeague, EHC Bülach - Martigny_Auswahl. Juraj Šimek Head Coach EHC Bühlach

Weniger glücklich gestaltete sich der Saisonstart der Bülacher, die in der dritthöchsten Schweizer Liga noch nie leichtes Spiel hatten. Die finanziellen Mittel des Vereins sind begrenzt, die Verletzten aktuell zahlreich. Aus zehn Spielen resultierte bis anhin nur gerade ein Sieg. Am Wochenende unterlagen die Unterländer dem Tabellenzweiten Thun 0:3. Und doch ist Simek nicht unzufrieden: «Ich habe den Jungs gesagt, dass wir diese Saison als Prozess betrachten. Und ich sehe Fortschritte.» Er meint, dass sein junges Team in vier Spielen jeweils zumindest einen Punkt hätte rausholen können. «Im Moment machen wir aber in jedem Duell noch ein, zwei krasse Fehler und werden dafür bestraft. Das müssen wir abstellen.» Saisonziel bleibt das Erreichen des Pre-Playoff.

Als ehemaliger Profi, der davon spricht, dass hierzulande oftmals zu wenig häufig, zu wenig intensiv und zu wenig professionell trainiert werde, arbeitet er nun mit Spielern, die hauptberuflich einer anderen Arbeit nachgehen. Geht das überhaupt zusammen? Simek sagt Ja. Er wisse um die Schwierigkeit, die richtige Balance zu finden. Und er habe Verständnis dafür, dass manche aus beruflichen Gründen nicht immer ins Training kommen könnten. Was bleibt, ist die Sache mit dem Verlieren, daran will er sich nie gewöhnen.