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Israel und die internationale Justiz
Ex-Mossad-Chef soll früherer Chefanklägerin gedroht haben

epa09048850 (FILE) - Prosecutor Fatou Bensouda appears in court during the trial of alleged Malian Islamist militant Al-Hassan Ag Abdoul Aziz Ag Mohamed Ag Mahmoud (not pictured), in the courtroom of the International Criminal Court (ICC) during his trial in the Hague, the Netherlands, 08 July 2019 (reissued 03 March 2021). ICC prosecutor Bensouda in a statement on 03 March 2021 said that formal investigations into war crimes in the Palestinian Territories will be opened regarding the Decemeber 2019 conflicts.  EPA/EVA PLEVIER / POOL *** Local Caption *** 55623906
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Es ist eine Geschichte, die an die Welt grob geschnitzter Mafiapaten erinnert. Ein Topspion, der wegen seines stilvollen Auftretens in Israel den Spitznamen «das Model» trägt, soll die langjährige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) über Jahre bedroht haben. Es geht um abgehörte Privatgespräche, um Einschüchterungsversuche – und um einen prominenten Auftraggeber: Benjamin Netanyahu, Premierminister in Jerusalem.

Ein enger Vertrauter Netanyahus, der damalige Chef von Israels Auslandsgeheimdienst Mossad, Yossi «das Model» Cohen, soll in den Jahren bis 2021 die damalige Chefanklägerin des IStGH, Fatou Bensouda, unter Druck gesetzt haben, um sie von Ermittlungen gegen sein Land abzubringen. So berichten es zwei israelische Journalisten und Friedensaktivisten, Meron Rapoport und Yuval Avraham, unter Berufung auf «mehr als zwei Dutzend» anonyme Quellen.

Die britische Zeitung «The Guardian» hat ihre Recherche veröffentlicht, die israelische Zeitung «Haaretz» hat anschliessend bestätigt, dass auch sie diese Vorgänge kenne, aber bislang davon abgehalten worden sei, sie zu publizieren.

Yossi «Das Model» Cohen.

Schon im Februar 2015 sollen zwei unbekannte Männer demnach vor der Wohnung der Chefanklägerin Bensouda in Den Haag aufgetaucht sein. Ihre Namen wollten sie nicht verraten, aber ein Couvert übergeben. Darin sollen sich mehrere Hundert Dollar in bar sowie eine israelische Telefonnummer befunden haben. Eine interne Untersuchung beim IStGH deutete dies als Drohgebärde.

Damals hatte der Gerichtshof gerade ein neues Mitgliedsland aufgenommen: den «Staat Palästina». Mahmoud Abbas, der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, hatte sich in Den Haag dabei persönlich mit Bensouda getroffen. Wenige Wochen darauf hatte Bensouda Vorermittlungen gestartet, um den von Abbas erhobenen Vorwürfen gegen Israel nachzugehen. In Israels Regierung soll dies grosse Aufregung ausgelöst haben.

Der damalige Mossad-Chef Yossi Cohen soll von nun an eine intensive Überwachung des IStGH betrieben haben. Telefonleitungen wurden abgehört, E-Mails abgefangen. Cohen soll sich demnach auch persönlich bei der damaligen IStGH-Chefanklägerin vorgestellt haben, zuerst ganz offiziell bei einem Treffen am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Jahr 2017, dann noch einmal 2018 bei einem Treffen in einer Hotelsuite in New York.

Dann änderte sich die Tonlage des Agenten

Cohen habe versucht, eine persönliche Beziehung zu Bensouda aufzubauen, anfangs noch freundlich. Als Bensouda im Jahr 2019 unbeirrt einen Antrag auf offizielle Eröffnung von Ermittlungen im Hinblick auf Palästina bei den Richterinnen und Richtern des IStGH stellte, änderte Cohen demnach aber seine Tonlage.

Dreimal soll sich Cohen zwischen 2019 und 2021 noch persönlich mit Bensouda getroffen haben. Enge Mitarbeiter Bensoudas werden damit zitiert, der Israeli habe ihr gesagt: «Sie sollten uns helfen und uns ermöglichen, dass wir uns um Sie kümmern. Sie wollen sich nicht in Dinge verwickeln, die Ihre Sicherheit oder die Sicherheit Ihrer Familie kompromittieren könnten.»

Einen israelischen Journalisten «eingeschüchtert»

Ein Investigativjournalist von «Haaretz», Gur Meggido, hat inzwischen beschrieben, wie er 2022 bereits kurz davor gestanden habe, diesen Kampf der Netanyahu-Regierung gegen den IStGH öffentlich zu machen. Doch dann sei er plötzlich in eine israelische Sicherheitsbehörde einbestellt worden. Mehrere hochrangige Beamte hätten ihm klargemacht: Wenn er in dieser Sache publiziere, würde er «Verhörzellen von innen kennen lernen». «Haaretz» sah dann von einer Veröffentlichung ab. Yossi Cohen schied 2021 aus dem Mossad aus.

Fatou Bensouda hat 2021 ihre Amtszeit regulär beendet. Heute lebt sie als Diplomatin in Grossbritannien. Noch kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit hatten die Richterinnen und Richter am IStGH ihrem Antrag auf Ermittlungen in den Palästinensergebieten stattgegeben. Bensoudas Nachfolger, der Brite Karim Khan, hat weitergearbeitet – und kürzlich Haftbefehle unter anderem gegen Israels Premier Netanyahu beantragt.