Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Harry Styles’ neues Album
Ewige Jugend und wirklich gute Partys 

Harry Styles (28), Premium-Popstar mit Millionen-Alben-und-Grammy-Bilanz, und einem aussergewöhnlichen Talent: Menschen in die Jugend zurückführen.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Harry Styles, das ist der Mann, der auf Fotos die gut gefärbten Wollpullöverchen, die Schlaghosen aus teuren Häusern oder auch die eigenen, nackten Rippen so wunderbar trägt wie kaum ein anderer. Ein Model, ein Coverboy für den weissen Middleclass-Geschmack. Aber eben auch, was ja nicht ein Widerspruch sein muss, ein echter Künstler. Wenn es nicht so sehr nach Fanclub-Fiction klänge, man müsste sogar sagen: ein Magier. In jedem Fall ein freundlicher Geist.

Denn Styles (28), Engländer, Premium-Popstar mit der üblichen Millionen-Alben-und-Grammy-Bilanz, besitzt ein aussergewöhnliches Talent. Wenn er singt und spielt, dann fühlen sich auch Zuschauerinnen und Zuschauer jenseits der 25 plötzlich in einen seltsamen Urzustand zurückversetzt. In eine Stimmung, die ganz fantastisch himbeerbrausig nach Teenager-Sein schmeckt.

Harry Styles, der Mensch, ist ein Mann mit vielen, vielen Bildern – aber ohne wirkliche Eigenschaften.

Ihm zuzuhören, diesem smarten Speedy Gonzales des Kopfhörerstöpsel-Pop, kann zu einer Art Rollenspiel werden, in dem man noch einmal die gesamte Erregung und Selbstvergessenheit des jugendlichen Existierens erleben kann, ohne dabei die Füsse vom realen Boden zu nehmen. Robbie Williams beherrschte das auch, aber bei ihm reichte es nur für zwei, drei Sommer. Die tatsächlich jungen Leute, die am Ende wohl den grössten Anteil von Styles' weltweiter Anhängerschaft ausmachen, haben eh sofort alles kapiert.

2010 wird Harry Styles (2.v.r.) bei der Talentshow «X Factor» entdeckt und Teil der Band One Direction, eine der erfolgreichsten Boybands Pop-Geschichte. 
2017 veröffentlicht Harry Styles sein Solo-Debüt. Gleich mit der ersten Single «Sign of the Times» gelingt im ein Hit mit aktuell über 2 Milliarden Streams. Sein 2019er Album «Fine Line» gehört zweieinhalb Jahre nach Release noch zu den zehn meistgehörten auf Spotify.

«Watermelon Sugar» zum Beispiel, den Styles-Song, der im Frühjahr 2020 zwar schon einige Monate alt war, aber mit einem neuen Badestrand-Video genau in die erste grosse Covid-Verunsicherung hineinveröffentlicht wurde. «This video is dedicated to touching», schrieb der Künstler auf eine einleitende Texttafel. Schwer zu übersetzen: «Dieses Video widme ich dem Sich-gegenseitig-Berühren.»

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Ein glühender, schmerzensreich süsser Soul-Schunkler, angeblich inspiriert von Richard Brautigans Roman «In Wassermelonen Zucker», und natürlich kam Styles damit unter anderem in den USA bis Platz eins der Charts. Gewann ein knappes Jahr später einen Grammy dafür, den er unrasiert, zerwuschelt und mit einer langen pinken Stola über dem gelbschwarz karierten Tweed-Jackett entgegennahm.

Und man muss, wenn nun «Harry's House» erscheint, sein insgesamt drittes Album, gar nicht viel mehr wissen als dies: Harry Styles, der Mensch, ist ein Mann mit vielen, vielen Bildern – aber ohne wirkliche Eigenschaften.

Als Typ materialisiert er sich eigentlich erst in seiner Musik so richtig. Und in diesen 13 Liedern erkennt man dann auch sofort die Eckpfeiler des ästhetischen Gebäudes, auf das der Plattentitel möglicherweise anspielt. Das Haus hat eine Menge Türen, durch die man rein und wieder raus kann.

Styles beschäftigt die Frage: Was macht heute eigentlich Gemeinschaften aus?

Denn so sexy Styles auch sein mag: Sein Pop verzichtet auf alle zu weit ausschweifenden Hüftschwünge, auf die R'n'B-Koketterie, die ihm ja jeder Produzent der Welt problemlos hätte programmieren können. Reinweisser 90er-Britpop ist «Harry's House» allerdings auch wieder nicht, obwohl das gelegentlich über Styles' Musik und Erfolgsgeheimnis behauptet wird. Klar: Er hat sich ein erfrischend altmodisches Verständnis von Melodik und Eingängigkeit bewahrt.

Dennoch besitzt vieles hier den herrlich bedröhnt-verwaschenen Groove von gutem, metrosexuellem Late-Night-Funk. Auf dem grossen Marktplatz für Eskapismus gibt es derzeit kaum bessere Angebote, die sich so konsequent gegen alles Böse und Schmutzige abschotten.

2017 gibt Styles seinen Einstand in Hollywood – mit einer kleinen Rolle im Kriegsdrama «Dunkirk». Im Herbst 2022 wird er im Psychothriller «Don't Worry Darling» in der Hauptrolle zu sehen sein.
2020 ist Styles als erster Mann alleine auf dem Cover der «Vogue» zu sehen – in einem wuchtigen Kleid. Er reisst als Modefigur Gender-Grenzen ein, trägt Nagellack, Rüschen, Tütüs, Pailetten-Hosen und Perlenketten.

Dabei zählt Styles zu den wenigen nachhaltig faszinierenden Figuren, die mit Hilfe der TV-Castingshows gefunden wurden, die nach der Jahrtausendwende so breit beliebt wurden. Beim britischen «The X Factor» war er 2010 zum ersten Mal öffentlich zu sehen, als 16-jähriger Wackelkandidat, der mühsam Stevie Wonders «Isn't She Lovely» sang. Die von den Showproduzenten zusammengestellte Gruppe One Direction belegte am Ende den dritten Platz – und wurde anschliessend zur britischen Teenagersensation mit kaum fassbarem USA-Erfolg: Ihre ersten vier Alben stiegen alle auf Platz eins in die Billboard-Charts ein. Ein Rekord.

2016 kündigten die vier Mitglieder an, das gemeinsame Projekt ruhen zu lassen, um solo voranzukommen. Es gab bis heute keine Trennung, nicht mal einen vernünftigen Zank. Was man langweilig oder vorbildlich finden kann.

Und wenn man «Harry's House» am Ende doch noch etwas aufmerksamer hört, als es beim fröhlichen Joggen und Gin-Tonic-Trinken, Quiche-Backen oder Gesichtsmasken-einwirken-Lassen möglich ist – dann bemerkt man, dass Styles sich in der Tat etwas tiefer mit diesem Thema beschäftigt: Was macht heute eigentlich Gemeinschaften aus, wie gestalten sich Communities, im grossen und kleinen Stil?

Im Mai 2022 erscheint Styles drittes Album «Harry’s House». Mit der Single «As It Was» setzt er Streaming-Bestmarken fürs laufende Pop-Jahr. 

So empfiehlt er dem Mädchen in «Matilda», einer besonnenen Gitarrenballade, zur Party auf keinen Fall ihre Eltern und Geschwister einzuladen, denn die hätten sich ja nie um sie geschert. «Gründe lieber deine eigene Familie, die dich immer lieben wird», rät der Erzähler, und auch ohne weitere Erläuterung ist klar, dass er hier sicher kein klassisches Modell mit heteronormativer Fortpflanzung meint.

«Boyfriends» ist der anrührendste Moment des Albums. Ein karges, an Simon & Garfunkel erinnerndes häusliches Drama. «Du liebst einen Idioten, der einfach nur weiss, welche Knöpfe er bei dir drücken muss», fasst er hier den Beziehungsstatus der Angesprochenen zusammen, die sich nur auf die Kategorie Partnerschaft zu berufen scheint, um das Gespenst der Einsamkeit zu vertreiben.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

So kann man «Harry's House» denn am Ende auch hören: als Plädoyer für Communities, die ohne traditionelle Definitionen auskommen. Als Versuch, den sozialen Individualismus zu transzendieren, ohne dabei in die bereits überholten Zustände zurückzufallen.

Anders gesagt: Ein WG-Zimmer in Harrys Haus könnte sicher der beste denkbare Rückzugsort sein. Ewige Jugend, wirklich gute Partys. 

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.