Streit um ESC-BeitragIst es feministisch, sich eine «Schlampe» zu nennen?
Mit dem provokanten Lied «Zorra» will sich Spanien beim Eurovision Song Contest am 11. Mai in Malmö präsentieren. Aber die Diskussion um den Text spaltet das ganze Land.
«Füchsin» ist die wörtliche Übersetzung des spanischen Nomens «zorra». Doch der Begriff hat in Spanien eine weit über die Zoologie hinausgehende Bedeutung: «Schlampe» ist noch eine der freundlicheren Übersetzungen.
«Zorra» ist nun auch der Titel von Spaniens Beitrag zum Eurovision Song Contest, der am 11. Mai in Malmö ansteht. Gewählt wurde das Lied Anfang Februar beim Benidorm Fest, einem von viel Medienrummel begleiteten Musikfestival an der Costa Blanca. Geschrieben und vorgetragen hat «Zorra» ein Künstlerduo namens Nebulossa. Vom fetzigen Elektropop des Keyboarders Mark Dasousa, 49, begleitet, liess sich Sängerin Mery Bas, 55, von zwei Männern mit schwarzem Latexkorsett und nacktem Hintern umtanzen. «Klar weiss ich, dass ich nur eine Zorra bin …», beginnt das Lied, und tagsüber sei sie noch mehr Zorra als nachts. «Ich werde auf die Strasse gehen und schreien, was ich fühle.» Und sinngemäss: Die Zorra, die du so fürchtest, hat nun das Heft in der Hand.
Gemeint ist es als feministische Selbstermächtigung. Der Ausdruck soll jenen aus der Hand gerissen werden, die ihn abwertend und verächtlich benutzen. Eine Schlampe: Ja, genau das bin ich, und was für eine. Na und?
Feminismus sei auch unterhaltsam, meint der Regierungschef
Doch ob das Feminismus ist oder das genaue Gegenteil, diese Frage spaltet nun Spanien. Zunächst wurde das Lied mit Begeisterung angenommen. 3,3 Millionen Abrufe meldete der Streamingdienst Spotify in der vergangenen Woche, 2,8 Millionen Klicks verzeichnete das Video auf der Website des TV-Senders RTVE, Übersetzungen in mehrere Sprachen wurden angekündigt.
Sogar Spaniens Premierminister Pedro Sánchez meldete sich im Fernsehsender La Sexta zu Wort: Feminismus sei eben nicht nur richtig, sondern auch unterhaltsam. «Solche Formen der Provokation müssen aus der Kultur kommen», sagte der sozialistische Regierungschef, um dann, ganz der Politiker, gegen die Rechte auszuholen: Die «Faschosphäre» hätte wohl lieber «Cara al Sol» als Spaniens Beitrag gehabt. Letzteres (auf Deutsch «Gesicht zur Sonne») war die Hymne der Faschisten im Bürgerkrieg und in der Franco-Diktatur.
Auf den Erfolg im Netz und die lobende Zustimmung des Regierungschefs folgten heftige Proteste, viele von einflussreichen Frauen. Elena Valenciano, eine frühere sozialistische Abgeordnete, liess auf Twitter wissen: «Mir gefällt es nicht, eine ‹Zorra› genannt zu werden, und auch nicht, wenn sie meine Tochter so nennen. Nicht mal im Spass. Um unsere Freiheit einzufordern, müssen wir nicht zu verbaler Gewalt greifen.» Ebenfalls auf Twitter erklärte die feministische Plattform «Gegen die Auslöschung der Frauen», Sánchez’ Äusserungen würden Holz in das Feuer der Frauenfeindlichkeit werfen.
Den Text des Songs als «feministisch» zu werten, sei eine Beleidigung des Verstands, kritisierte der Madrider Verband für Frauenrechte. Ángeles Álvarez, die ehemalige Sprecherin für Gleichstellungsfragen der sozialistischen Partei PSOE, beklagte, der Song sei eine «Glorifizierung kitschigster Männlichkeit».
Gleichstellungsbeauftragte von Rundfunkanstalt zurückgetreten
Und ausgerechnet in der staatlichen spanischen Rundfunkanstalt RTVE, dem Sender, der das Benidorm Fest übertrug, mit «Zorra» Rekord-Klickzahlen erzielte und in der vergangenen Woche die Übersetzung in andere Sprachen ankündigte, trat die Gleichstellungsbeauftragte Montserrat Boix aus Protest von ihrem Posten zurück. Inzwischen spielt «Zorra» auf der Website von RTVE kaum mehr eine Rolle.
Von einem Reporter am Rande der Verleihung der Goya-Filmpreise zu den Vorwürfen befragt, erklärte das Nebulossa-Duo, man gehöre doch eher der Boomer-Generation an und bekomme von dem Getöse in den sozialen Medien nicht so viel mit.
Doch mit Blick auf den Eurovision Song Contest in Malmö könnte das Getöse um «Zorra» noch europaweit anschwellen. Der Liedtext sowie die nackten Männerhintern der Bühnenbegleitung von «Zorra» wurden nach anfänglichen Bedenken von den Organisatoren des Wettbewerbs als präsentabel durchgewinkt.
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