Schneller und günstiger bauenEuropas erstes Mietshaus aus dem Drucker
Bei Ulm steht das erste Mehrfamilienhaus Europas, das mit der 3D-Drucktechnik errichtet wurde. Künftig könnte ein Einfamilienhaus schon in 48 Stunden fertig gedruckt sein.
Felix Jehle stammt aus Wallenhausen, einem Ortsteil der bayrischen Stadt Weissenhorn bei Ulm, nun bezieht er hier seine erste eigene Wohnung. Der 23-Jährige bleibt seiner Heimat also verbunden, und trotzdem zieht er in die grosse Welt, irgendwie.
Denn Felix Jehle zieht nicht in irgendeine Wohnung. Er ist einer von vier Mietern in Europas erstem mit 3D-Drucktechnik gebauten Mehrfamilienhaus. Trotzdem, sagt er, sei eigentlich alles ganz normal. «Wenn ich nicht wüsste, dass es ein Haus aus dem 3D-Drucker ist, würde ich es kaum merken.»
Ökologisch sinnvoll und auch ökonomisch
Das Familienunternehmen Michael Rupp Bauunternehmung hat das Haus hochgezogen. Ökologisch sinnvoll soll die Bautechnik sein, ökonomisch auch, weil so ein Haus schneller und kostengünstiger gebaut werden kann als in konventioneller Bauweise: So zumindest versprechen es sich die beiden Söhne im Familienunternehmen, die sich der 3D-Drucktechnik verschrieben haben.
Fabian und Sebastian Rupp wollen nach ihrem Pilotprojekt noch weitere Häuser aus dem Drucker gestalten. Irgendwann, so das Ziel, soll so ein Haus dann auch komplett aus dem Drucker stammen. Beim Mehrfamilienhaus in Wallenhausen musste zum Beispiel der Keller noch konventionell, Ziegel auf Ziegel, gebaut werden, der Statik wegen. Auch die Decken sind als Beton-Fertigteile angeliefert worden. Die Wände jedoch stammen komplett aus dem 3D-Betondrucker eines dänischen Herstellers.
«Der 3D-Betondruck ermöglicht uns eine material- und kostensparende Bauweise, so dass möglichst keine Rohstoffe verschwendet werden.»
Der Vorteil ist, dass der Drucker Steckdosen und andere Öffnungen in den Wänden gleich mitberechnet und einfach ausspart – so muss am Ende nichts mehr geschlitzt werden.
«Dem Drucker ist es egal, ob er gerade oder geschwungene Wände drucken soll, glatte oder raue Oberflächen», sagt Fabian Rupp, der Meister im Maurer- und Betonbauerhandwerk ist. Auch Überhänge seien problemlos zu erstellen, für die man in konventioneller Bauweise eine teure Sonderschalung benötige.
«Der 3D-Betondruck ermöglicht uns eine material- und kostensparende Bauweise, so dass möglichst keine Rohstoffe verschwendet werden», sagt Sebastian Rupp. Tatsächlich gibt es in vielen Ländern Versuche, die 3D-Drucktechnik zu etablieren. Die Rupps sind sich sicher, dass sich die Bautechnik durchsetzen wird.
60 Quadratmeter wird Felix Jehle in seiner neuen Bleibe zur Verfügung haben, an die Bauweise erinnert ihn von innen betrachtet nur ein Bilderrahmen von etwa ein Meter Länge und 50 Zentimeter Höhe: Hier ist die Wand unverputzt geblieben, dahinter sind die grauen Betonwürste zu sehen, wie sie der Drucker ausgespuckt hat.
Wie wenn ein Zuckerbäcker eine Torte fertigt
Die Bauweise darf sich der Laie vorstellen, wie ein Zuckerbäcker seine Torte fertigt: 15 Meter breit, zehn Meter hoch und beliebig lang kann der Drucker auf einer Baustelle installiert werden. Der Druckkopf bewegt sich auf drei Achsen auf einem fest installierten Metallrahmen – nach links und rechts, vorne und hinten sowie runter und rauf. Zwei Maurer bewachen am Computer die Technologie, die voll automatisiert läuft.
Von aussen ist die geriffelte Wandstruktur, die durch die einzelnen Schichten aus dem Spritzer des Druckers entsteht, beim fertigen Wohnhaus zu erkennen. Ansonsten, versichert Sebastian Rupp, sei das Haus optisch eher klassisch gestaltet. «Wir wollten, dass es sich optimal ins Ortsbild einfügt.»
In 48 Stunden ist ein Einfamilienhaus fertig gedruckt
Der Drucker arbeitet mit einer Geschwindigkeit von bis zu einem Meter pro Sekunde. So kann etwa ein normales Einfamilienhaus in durchschnittlich 48 Stunden fertig gedruckt sein. Es gibt auch keine langen Trocknungs- oder andere Wartezeiten zu beachten. Die so entstehende Zeitersparnis nennt Fabian Rupp «nicht unerhebliche». Der 3D-Druck ist aus seiner Sicht deshalb eine gute Alternative zu Fertighäusern.
Allerdings kämpfen die Bauherren trotz der modernen Technologie mit den gleichen Problemen wie die Konkurrenz. Die Brüder wollen einen Teil ihrer neuen Firmenzentrale drucken, eigentlich sollte der Bau schon laufen. Allerdings macht ihnen der angespannte Baustoffmarkt einen Strich durch die Rechnung. «Wir bekommen gerade einfach nicht genug Material», sagt Fabian Rupp. Es soll aber nur eine kurze Pause sein, bis er den 3D-Drucker wieder anschmeissen wird.
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