EU-Afrika-GipfelEuropa kämpft um Einfluss in Afrika
Die Europäer wollen das zuletzt schwierige Verhältnis mit der Afrikanischen Union verbessern. Für Misstöne sorgt der Umgang mit Impfstoffpatenten.
Die Frau steht ganz am Rand der Bühne im Mediensaal des Brüsseler Ratsgebäudes. Das wirkt nicht besonders höflich, ist aber den Hierarchien geschuldet: Am Freitagnachmittag präsentierten gleich fünf Spitzenpolitiker die Ergebnisse des Gipfeltreffens von EU und Afrikanischer Union (AU). Ratspräsident Charles Michel hatte sich als Gastgeber in der Mitte postiert, rechts und links von ihm folgten jeweils Präsidenten von Mitgliedsstaaten und am Rande dann die Chefs der Behörden: der Vorsitzende der AU-Kommission sowie eben als einzige Frau Ursula von der Leyen, die EU-Kommissions-Präsidentin.
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union und etwa 40 ihrer Amtskollegen aus Afrika diskutierten Donnerstag und Freitagvormittag darüber, wie beide Kontinente besser bei Wirtschafts-, Sicherheits- oder Gesundheitspolitik zusammenarbeiten können. Es war der sechste EU-AU-Gipfel, die Vorgängerveranstaltung hatte 2017 in der Elfenbeinküste stattgefunden.
Die EU will damit ihre zuletzt manchmal belasteten Beziehungen zu Afrika verbessern und den Einfluss des Rivalen China zurückdrängen.
Streit um Covid-Impfstoff-Patente
Einer der grössten Streitpunkte war der Umgang mit Covid-Impfstoff-Patenten. Die afrikanischen Regierungen wünschen sich, dass die EU ihre Forderungen nach einer Freigabe unterstützt. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa sagte: «Es ist nicht akzeptabel, dass Afrika sich mit Blick auf Medikamente stets hinten anstellen muss.»
Immerhin präsentierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Rande des Gipfels ein Projekt, bei dem in sechs afrikanischen Staaten, darunter Südafrika, patentfreier Impfstoff mit der modernen mRNA-Technologie gefertigt werden soll.
Die EU hingegen machte den afrikanischen Staaten keine konkreten Versprechen. Diplomaten hatten hinter den Kulissen lange über die entsprechende Formulierung in der Abschlusserklärung gerungen. Jetzt heisst es bloss, EU und AU würden sich «konstruktiv» für ein Abkommen bei der Welthandelsorganisation (WTO) einsetzen, das die Pandemiefolgen bekämpfen und sich mit Fragen der Handelspolitik und des geistigen Eigentums beschäftigen soll.
Deutschland gegen Patentfreigabe
Trotz dieser eher nichtssagenden Formulierung nannte Senegals Präsident Macky Sall diese Ankündigung «ermutigend», als er bei der gemeinsamen Medienkonferenz auf der Bühne stand.
Deutschlands Regierung lehnt eine Patentfreigabe für Covid-Vakzine konsequent ab. Schliesslich könnte dann jeder Hersteller weltweit die Technologie des deutschen Biontech-Konzerns nutzen, ohne dass er Lizenzgebühren zahlen oder Strafen befürchten müsste. Kanzler Olaf Scholz wies nach dem Gipfel Vorwürfe zurück, diese Haltung verhindere eine schnellere Impfkampagne in Afrika und anderen armen Regionen.
Seine Regierung sei bei der Pandemiebekämpfung «ein zuverlässiger Partner» und werde ihren Teil dafür leisten, damit das Impfziel der WHO von 70 Prozent der Weltbevölkerung erreicht werde. Doch die Eigentumsrechte von Firmen müssten gewahrt bleiben, um Fortschritte nicht zu verspielen, sagte Scholz.
Wichtig sei es, Produktionsmöglichkeiten vor Ort in Afrika zu schaffen, und hier engagiere sich die EU nun, wie auch die Aktivitäten von Biontech zeigten. Die Beziehungen zwischen der EU und der Afrikanischen Union seien «von strategischer Relevanz für beide Seiten», sagte Scholz. Die «grossen Fragen unserer Zeit» wie Klimaschutz oder Migration liessen sich nur gemeinsam beantworten.
EU-Rats-Präsident Michel sagte euphorisch, die Zusammenarbeit mit Afrika sei nun von einem «neuen ehrgeizigen Geist» beseelt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verlangte jedoch bei der gemeinsamen Medienkonferenz ganz nüchtern mehr Engagement bei Finanzhilfen.
Dabei geht es um sogenannte Sonderziehungsrechte beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Das sind Milliardengelder, die den reichen Staaten zustehen, auf welche die Regierungen aber zugunsten armer Länder zum Teil verzichten sollen.
Die Abschlusserklärung des Gipfels verweist darauf, dass einige EU-Staaten bislang Rechte für 13 Milliarden Dollar abgeben wollen – aber doch bitte mehr EU-Länder überlegen sollten, «zu dieser weltweiten Initiative beizutragen». Die Arbeit müsse hier weitergehen, sagte Macron.
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