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Meinung

EU-Sicherheit mit Russland und Ukraine
Europa ist erwacht – allein, in einer gefährlichen Welt

Russische Soldaten gehen an zerstörten Häusern vorbei im Dorf Kasatschja Loknja im Bezirk Sudscha, Region Kursk, am 18. März 2025 während des russisch-ukrainischen Kriegs.
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Zu den wirklich mausetot gerittenen politischen Metaphern gehört die vom «Weckruf»: Irgendein schlimmes Ereignis rüttelt so an der verschlafenen Politik, dass die aus ihren Träumen aufschrickt und etwas tut, was ähnliche Ereignisse künftig verhindert.

In Europa ist das Weckruf-Sprachbild derzeit beliebt, um zu beschreiben, warum und wie die einst als Versöhnungs- und Friedensmacht gegründete EU sich zur kriegsfähigen Sicherheitsmacht wandeln muss. Russlands Überfall auf die Ukraine, vor allem aber der zweite Amtsantritt von Donald Trump, dem EU- und Nato-Verächter, werden als jene schlimmen Ereignisse genannt, die Europas Träumereien beenden und entschlossene Gegenmassnahmen auslösen. Konkret: Eurobeträge im dreistelligen Milliardenbereich sollen künftig ausgegeben werden, um Europa militärisch handlungsfähig zu machen, notfalls ohne auf amerikanische Hilfe angewiesen zu sein.

Zu kapitulieren, käme viel teurer

Das ist einerseits völlig richtig. Die Europäer tun endlich, was man von einem Bund wohlhabender, erwachsener, souveräner Nationen erwartet, deren Sicherheit bedroht ist: Sie kümmern sich selbst um ihre Verteidigung, auch wenn das politisch schwierig und unendlich teuer ist. Aber vor Russland und/oder Trumps Amerika zu kapitulieren, wäre in jeder Hinsicht ungleich teurer.

Andererseits sollte man seinen Optimismus zügeln. Weckrufe gab es in der Vergangenheit viele. 2014 annektierte Russland die Krim. 2016 wurde Trump zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt. Der russische Grossangriff auf die Ukraine begann 2022. Alles, was Europas Staats- und Regierungschefs jetzt beschliessen, um ihren Kontinent sicherer und unabhängiger zu machen, hätten sie auch vor elf, neun oder drei Jahren beschliessen können und müssen.

Erst ein Teil ist erwacht

Schaut man sich eine Landkarte der EU an, dann sieht man jedoch, dass eben erst ein Teil der Mitgliedsländer tatsächlich aufgewacht ist und sich entschieden hat, der doppelten Bedrohung aus Moskau und Washington nicht nur deklaratorisch in Gipfelerklärungen zu begegnen, sondern in der Realität. Die Bereitschaft, Milliarden Euro für Rüstung auszugeben, steht in der EU – grob gesagt – in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zur geografischen Lage, genauer zur Entfernung von der russischen Westgrenze: Nord-, Mittel- und Osteuropäer führen und zahlen, weil sie existenzielle Angst haben. Süd- und Westeuropäer zuckeln hinterher, weil sie weit weg sind. Die Bemerkung des spanischen Regierungschefs Pedro Sánchez, der Russe werde schon nicht über die Pyrenäen kommen, ist für diese Spaltung symptomatisch.

Aber Europa kann keine Verteidigungsgemeinschaft sein, wenn so wichtige Staaten wie Spanien, Italien und Frankreich – das als einzige Atommacht sogar eine Führungsrolle beansprucht – ihre Beiträge nicht leisten. Dazu sind die Nord- und Osteuropäer zu klein und zu arm.

Europa ist, das ist die bittere Realität, allein in einer gefährlichen Welt. Der Wecker schrillt seit Jahren. Wenn die Hälfte der europäischen Regierungen ihn jetzt wieder nur vom Nachttisch schubst und sich noch mal gemütlich umdreht, könnten die Folgen dramatisch sein. Vielleicht werden sie dann eines Tages von Kanonendonner geweckt.