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Kommentar zum Ukraine-Krieg
EU muss China auf ihre Seite ziehen

Solidarität mit der Ukraine: Demonstration im deutschen Regierungsviertel in Berlin. 
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Meldungen über eine vermeintliche Verhandlungsbereitschaft Russlands haben eine trügerische Hoffnung geweckt: Könnte diese Invasion beendet werden, ehe noch mehr Blut vergossen wird? Könnte es einen Preis geben, den die  Ukraine und auch die Europäer entrichten müssten, damit Wladimir Putin seine Truppen zurückzieht?

Schon wer diese Frage stellt, ist Opfer der russischen Kriegsführung. Putin fällt nicht nur mit 190’000 Soldaten in das Nachbarland ein, er lässt nicht nur Raketen auf Wohnhäuser hageln und Städte einkesseln. Teil der russischen Kriegsstrategie ist die politische Verwirrung und Spaltung.

Dieser Teil der Invasion hat Wochen vor dem eigentlichen Einmarsch begonnen. Ihr sind der US-Präsident, der französische Staatschef und der deutsche Bundeskanzler zum Opfer gefallen. Und nun spielt Russland das Spiel der Spaltung und Desorientierung weiter, indem es Hoffnungen weckt und Parolen von einem vermeintlich begrenzten Kriegsziel in die Welt setzt.

Ein politisch vereinbartes Ende der Kriegshandlungen ist möglich.

Das politisches Begleitfeuer zum eigentlichen Raketenhagel verwundert einerseits, weil es sehr früh, bereits 24 Stunden nach Beginn des Überfalls, einsetzt. Andererseits erlebt die Ukraine eine ungeheure politische Solidarisierungswelle – und Russland eine nie dagewesene Isolierung.

Es kann also nicht erstaunen, dass Moskau diese Solidarität aufzubrechen versucht. Die vermeintlichen Gesprächsangebote tragen also zunächst dazu bei, politischen Grenzläufern wie dem ungarischen Ministerpräsidenten eine Nische zu bieten, in der er Schutz suchen kann. Wenig verwunderlich also, dass es ausgerechnet Ungarn ist, das sich als Austragungsort für Gespräche anbietet.

Ein Treffen in Minsk? Absurd

Wie wenig Russland mit diesen Gesprächen rechnet, zeigt ja bereits der Vorschlag, ein Treffen im weissrussischen Minsk zu arrangieren, was nun garantiert nicht der sicherste Ort für welches ukrainische Regierungsmitglied auch immer ist.

All dies bedeutet freilich nicht, eine Verhandlungsmöglichkeit abzutun oder gar auszuschiessen. Im Gegenteil: Dieser Krieg endet entweder, indem Russland seine Ziele militärisch erreicht, oder wenn Wladimir Putin sich geschlagen gibt. Beides erscheint absehbar unwahrscheinlich.

Russland führt Krieg ohne Rücksicht auf die Bevölkerung: Zerstörtes Wohngebäude in Kiew.

Also muss auch mit einem politisch vereinbarten Kriegsende gerechnet werden. Dazu müssen die politischen Schutzmächte der Ukraine, die Staaten der EU und die USA, jetzt schon ihre Bedingungen nennen und auch Eskalationsmöglichkeiten in Aussicht stellen, falls sie nicht erfüllt werden.

Je brutaler Russland Krieg führt, desto weniger werden die westlichen Nachbarn der Ukraine die Unterstützung auch mit Waffen verweigern können. Jeder Tag mehr in diesem ungleichen Gemetzel macht es moralisch schwerer, dem Land die Unterstützung bei der eigenen Verteidigung zu verweigern. Den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung gibt es nicht nur im Strafrecht.

Umweg über Peking könnte sich lohnen

Politisch haben die EU-Staaten den grössten Hebel, indem sie Russlands Isolation vorantreiben. Auch dafür sind noch lange nicht alle Optionen ausgereizt. Der grosse Preis liegt in Peking, so kompliziert die Operation auf den ersten Blick auch wirkt. China ist in seiner Treue zu Russland erschüttert, aber nicht ernsthaft herausgefordert.

Der unzweifelhafte Bruch der UNO-Charta und der territorialen Souveränität eines Landes widerspricht den Grundsätzen chinesischer Aussenpolitik. Die Enthaltung Chinas in der Abstimmung über die gegen Russland gerichtete Resolution im UNO-Sicherheitsrat zeugt von dieser Unentschlossenheit.

Auch Xi Jinping muss nun den Preis für die falsche Partnerwahl spüren.

Auch Peking spürt immer mehr: Der eklatante Normbruch Wladimir Putins erlaubt keine Neutralität und auch keine Laviererei. Wer nicht Partei gegen Putin ergreift, stützt ihn – auch durch vielzüngiges Schweigen.

Die EU muss China also herausfordern, auch durch wirtschaftlichen Druck. China hat die USA als wichtigsten Handelspartner der EU abgelöst, selbst im bilateralen Handel rangiert die Ukraine vor Russland. Ein Drittel der chinesischen Getreideeinkäufe kommt aus der ukrainischen Kornkammer. Auch Xi Jinping muss nun den Preis für die falsche Partnerwahl spüren.

Nach der ersten Verurteilungs- und Empörungswelle bleibt der EU-Diplomatie nun ein gewaltiges Feld. Auch der politische Krieg hat gerade erst begonnen.