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Reisefreiheit in Europa
EU will die Schweiz beim Impfpass dabeihaben

In Israel gibt es ihn schon, den «Digitalen Grünen Impfpass», der zum Beispiel beim Besuch im Theater vorgewiesen werden muss.
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Jetzt soll es schnell gehen. Nach dem holprigen Start bei der Impfkampagne braucht die EU dringend positive Schlagzeilen. Die EU-Kommission hat am Mittwoch ihren Vorschlag für einen «Digitalen Grünen Impfnachweis» präsentiert. «Mit diesem digitalen Zertifikat wollen wir verantwortungsvoll und sicher die Personenfreizügigkeit wiederherstellen», sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Der Nachweis soll zum 1. Juni bereit sein, also rechtzeitig für die Sommerferien. Brüssel will dabei auch die Schweiz einbeziehen. Rechtsgrundlage wäre das bilaterale Freizügigkeitsabkommen. Notwendig sei auf Schweizer Seite ein System, das mit der Plattform (»Gateway») der EU kompatibel sei, hiess es in Brüssel: «Wir hoffen, dass es auf Schweizer Seite Interesse gibt», so EU-Kreise. Eine Beteiligung sei freiwillig und beruhe auf Gegenseitigkeit. Schon diesen Freitag, wenn die EU-Botschafter ein erstes Mal über das Gesetz reden, soll auch ein Vertreter der Schweiz dabei sein.

Die EU orientiert sich bei ihrem Nachweis am «Grünen Pass» für Geimpfte in Israel. Zentraler Punkt ist ein QR-Code, der die Sicherheit und Echtheit des Zertifikats garantieren soll. Erfasst werden können Impfungen, aber auch die Ergebnisse von PCR-Tests oder Antigen-Schnelltests sowie eine Immunisierung nach einer überstandenen Corona-Infektion. Jeder einzelne Staat wird entscheiden können, wozu der Nachweis berechtigt, ob etwa auch für Theater- oder Kinobesuche. Wer ein Zertifikat bei sich hat, soll künftig ohne Quarantäneauflagen oder zusätzliche Tests reisen können. EU-Parlament und Mitgliedsstaaten müssten dem Gesetz im Eiltempo zustimmen, damit es rechtzeitig vor dem Sommer in Kraft treten kann. Der Impfnachweis soll gratis sein und neben der digitalen Form etwa auf dem Handy auch auf Papier möglich sein. Ob das klappt, ist offen. Vor allem die Südeuropäer, abhängig vom Tourismus, drängen. In Deutschland, Frankreich oder Belgien gibt es noch Vorbehalte.

Vorbereitungen in der Schweiz

Auch in der Schweiz laufen die Vorbereitungen für einen solchen Impf- und Testpass bereits auf Hochtouren. «Wir werden uns im Laufe dieses und der nächsten Jahre in gewissen Bereichen nur bewegen können, wenn wir belegen können, dass wir geimpft sind; sei das, wenn Sie Auslandsreisen planen, sei das, wenn Sie Festivals oder Anlässe besuchen wollen», stellte Bundesrat Ueli Maurer am Mittwoch im Nationalratssaal klar. Die Signale seien unmissverständlich. Es sei also sinnvoll, im Covid-Gesetz eine Rechtsgrundlage für einen Impfnachweis zu schaffen (lesen Sie hier mehr über die Einigungskonferenz zum Covid-Gesetz).

Dies sah auch das Parlament so: National- und Ständerat stimmten einem entsprechenden Antrag zu. Den Parlamentariern schwebt ein Zertifikat vor, das «persönlich, fälschungssicher, unter Einhaltung des Datenschutzes überprüfbar» ist und wenn möglich für die Ein- und Ausreise in andere Länder verwendet werden kann. Wie es beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) heisst, laufen gegenwärtig «intensive Abklärungen», wie die neue Bestimmung des Parlaments konkretisiert werden kann.

Ob sich die Schweiz an einer möglichen EU-Lösung beteiligen wird, kann BAG-Sprecher Daniel Dauwalder noch nicht sagen. Im Hinblick auf die mögliche Einführung eines global anerkannten Impfnachweises seien sowohl die laufenden Arbeiten der WHO, konkret das Projekt «Smart Vaccination Certificate», als auch jene der EU zu berücksichtigen. Der Bund begleite diese Arbeiten auf internationaler Ebene sehr nah, «eine mögliche Umsetzung auf nationaler Ebene wird sorgfältig geprüft».

«Schweiz muss vorwärtsmachen»

FDP-Nationalrätin Regine Sauter, die die Debatte im Schweizer Parlament mit einem Einzelantrag lanciert hat, sagt: «Es ist zentral, dass die Schweiz jetzt vorwärtsmacht. Wenn wir jetzt die notwendigen gesetzlichen Grundlagen nicht schaffen, stehen wir am Ende abseits, während die Bürgerinnen und Bürger anderer Länder längst wieder frei reisen dürfen.» Sie hoffe deshalb, dass die Schweizer Lösung mit der EU kompatibel sei und die Schweiz nicht etwas Neues erfinde. «Dass der Impfnachweis im internationalen Reiseverkehr anerkannt ist, ist das A und O.»

Lediglich die SVP stimmte am Mittwoch im Nationalrat mehrheitlich gegen den Antrag. Fraktionspräsident Thomas Aeschi sagt: «Eine Mehrheit unserer Fraktion lehnt die Einführung eines Impfpasses ab, weil wir nicht wollen, dass Personen, die sich nicht impfen lassen können oder wollen, diskriminiert werden.» Es dürfe nicht sein, dass ein Restaurantbesuch oder andere Aktivitäten plötzlich Geimpften vorbehalten sind. Und für den Nachweis eines negativen Testresultats brauche es keinen staatlichen Ausweis.

Apotheker bringen sich in Stellung

Bereits heute gibt es in der Schweiz die Möglichkeiten, die eigene Covid-Impfung in einem elektronischen Impfbüchlein erfassen zu lassen. Die Schweizer Apotheken haben zudem die Plattform Abilis lanciert, in welcher künftig sowohl Corona-Impfungen als auch Testresultate gespeichert werden können. In beiden Fällen können die Kunden auch per App auf die Bescheinigungen zugreifen.

Ob der Bund künftig auf eines dieser Systeme setzen könnte, liess das BAG offen. In einem Brief an die Gesundheitspolitiker des National- und Ständerats haben die Apotheker jedenfalls bereits für ihr System geworben. Die Plattform sei einsatzbereit, zudem könnte theoretisch auch eine Schnittstelle geschaffen werden zu einer internationalen Lösung, sagt Mario Magada, Generaldirektor der Berufsgenossenschaft der Schweizer Apotheker.

Bei der Auswahl der künftigen Lösung kann auch der Eidgenössische Datenschützer Adrian Lobsiger mitreden. Er sei bereits vom BAG konsultiert worden, bestätigt er. Für Lobsiger ist es zentral, dass ein allfälliger Impfnachweis nicht nur per App, sondern auch in Papierform erbracht werden kann. Es dürfe nicht sein, dass die Einführung eines solchen Ausweises zu einer allgemeinen «Smartphone-Tragepflicht» führe.

Davon zu trennen sei die Frage, ob und inwieweit Private und Behörden den Zugang zu ihren Leistungen überhaupt vom Nachweis entsprechender Test- und Impfergebnisse abhängig machen dürfen. Auch dazu liefen derzeit Gesprächen mit parlamentarischen Kommissionen und der Bundesverwaltung.

«Es ist ein Gebot der Verhältnismässigkeit, den Menschen dort Freiheiten zurückzugeben, wo es möglich ist.»

Eva Maria Belser, Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Freiburg

Tatsächlich gehen die Meinungen in diesen ethischen und rechtlichen Fragen selbst in Fachkreisen auseinander, wie Eva Maria Belser, Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Freiburg, sagt. Sie ist der Ansicht, dass kein Weg an einem staatlichen, einheitlichen Impfpass vorbeiführt. Die derzeit geltenden Einschränkungen seien nur solange zumutbar, wie es für den Schutz der Bevölkerung unbedingt erforderlich sei. «Sobald aber eine wesentliche Zahl von Menschen geimpft ist und wissenschaftlich erwiesen ist, dass die Impfung auch vor der Übertragung des Virus schützt, müssen Lockerungen an die Hand genommen werden.»

Es gehe dabei auch um die Wirtschaftsfreiheit. «Es lässt sich nicht begründen, warum Restaurants darauf verzichten sollen, Leute zu bedienen, die nicht oder kaum mehr riskieren, zu erkranken und das Gesundheitssystem zu belasten.»

Die nationale Ethikkommission stellte sich in ihren Empfehlungen auf den Standpunkt, dass Erleichterungen für Geimpfte frühestens dann vertretbar seien, wenn alle Menschen die Gelegenheit hatten, sich impfen zu lassen. Belser sieht das anders. Dürften Senioren schon wieder in die Ferien fliegen, während junge Menschen noch auf den Impftermin warteten, wäre das für sie keine Tragödie. «Klar: Eine solche Ungleichbehandlung wäre kein schöner Zustand. Aber es ist ein Gebot der Verhältnismässigkeit, den Menschen dort Freiheiten zurückzugeben, wo es möglich ist», so Belser.

Und wenn man bedenke, dass ältere Menschen im letzten Jahr am meisten unter Einschränkungen und Ängsten gelitten hätten, erscheine es ihr vertretbar, dieser Bevölkerungsgruppe auch zuerst die Freiheit wieder zurückzugeben.

Auch von einer Diskriminierung könne keine Rede sein, so Belser weiter. Schliesslich werde niemand wegen eines verpönten Merkmals herabgemindert, beispielsweise in Bezug auf Rasse oder Sexualität. Vielmehr stütze man sich auf sachliche Kriterien.

Die Option auf Papier, der gelbe internationale Impfausweis.