EU-Kommission: Zeitumstellung könnte 2020 passé sein
Ob nach der sich abzeichnenden Abschaffung die Winter- oder Sommerzeit beibehalten werden soll, könnte jedes EU-Land selbst bestimmen.
Bei der EU-Umfrage zur Zeitumstellung haben sich nach offiziellen Angaben 84 Prozent der Teilnehmer für eine Abschaffung ausgesprochen. Die vorläufigen Zahlen veröffentlichte die EU-Kommission am Freitag. Zuvor waren bereits inoffiziell Ergebnisse durchgesickert.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will der Mehrheit folgen und die Abschaffung des Hin und Hers im Frühjahr und im Herbst vorschlagen. Nachdem sich die EU-Bürger für die Abschaffung ausgesprochen hätten, werde das nun auch gemacht, kündigte Juncker im ZDF an: «Die Menschen wollen das, wir machen das.»
Er werde in der Kommission für die Abschaffung werben. «Das werden wir heute beschliessen», sagte er mit Blick auf die laufende Kommissionsklausur. Dann seien die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament am Zug und am Ende werde die Abschaffung der Zeitumstellung «auch kommen». Es wäre sinnlos, die Menschen erst zu einem Thema zu befragen, und dann, wenn es einem nicht passe, dem nicht zu folgen.
84 Prozent für Ende der Zeitumstellung in der EU
In der gesamten Europäischen Union hatten sich nach Angaben der Kommission 4,6 Millionen Menschen an der Online-Umfrage beteiligt. Das entspricht 0,89 Prozent der EU-Bevölkerung. In Deutschland lag der Anteil mit 3,79 Prozent weit darüber. Auch in Österreich, Luxemburg, Finnland und Estland beteiligten sich überdurchschnittlich viele Menschen. Die geringsten Teilnehmerquote hatten Italien und Rumänien (jeweils 0,04 Prozent der Bevölkerung) sowie Grossbritannien (0,02 Prozent).
Die Ablehnung der Zeitumstellung war unter den Teilnehmern in fast allen Ländern überwältigend: In Finnland und Polen erreichten die Gegner des Hin und Her Quoten von jeweils 95 Prozent, in Spanien 93, in Litauen 91 und in Ungarn und Kroatien jeweils 90 Prozent der Abstimmenden.
Nur in Griechenland und Zypern waren die Befürworter der Zeitumstellung unter den Teilnehmern in der Mehrheit, mit einem Anteil von 56 Prozent beziehungsweise 53 Prozent.
«Die Botschaft ist sehr deutlich»
Die EU-Kommission will einen Gesetzesvorschlag zur Abschaffung des Wechsels zwischen Sommer- und Winterzeit vorlegen, wie sie am Freitag mitteilte. «Millionen Europäer haben die öffentliche Konsultation genutzt, um sich Gehör zu verschaffen. Die Botschaft ist sehr deutlich», sagte die zuständige EU-Kommissarin Violeta Bulc.
Einen Termin für den Gesetzesvorschlag nannte Bulc zunächst nicht. Sie sagte jedoch, wenn EU-Parlament und EU-Staaten dem zustimmten, könnte die Entscheidung schon im kommenden Jahr fallen – und die Zeitumstellung 2020 oder 2021 passé sein. Anschliessend könnten die einzelnen Länder selbst entscheiden, ob sie dauerhaft die Winter- oder die Sommerzeit einführen wollen.
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Wird die Zeitumstellung in der EU nun wirklich abgeschafft?
Wahrscheinlich schon, aber noch nicht sofort. Die EU-Kommission hat zunächst einmal nur ein Vorschlagsrecht. Das EU-Parlament und die EU-Staaten müssen noch zustimmen. Wenn das noch vor Ende der Legislaturperiode im Mai 2019 passieren soll, müssen sie sich beeilen. Die Befürworter der Abschaffung sind sich sicher, dass es im EU-Parlament eine Mehrheit dafür gibt. Im Rat der Mitgliedsländer ist die Lage unübersichtlicher.
Wollen die Bürger die Abschaffung wirklich?
Das wollte die EU-Kommission mit der Online-Umfrage herausfinden und das Ergebnis war sehr eindeutig: Wie diese Woche bereits durchsickerte, wollten 80 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer ein Ende des Hin und Hers zweimal im Jahr. Die Umfrage war allerdings nicht repräsentativ - es konnte jeder mitmachen, und die Vermutung liegt nahe, dass sich vor allem Menschen mit einer sehr klaren Meinung beteiligten. Die Kommission hatte stets betont, dass das Votum in ihrer Online-Umfrage nicht bindend sei. Nun will sie ihm aber nach Junckers Angaben trotzdem folgen.
Warum gibt es den Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit überhaupt?
Eigentlich soll das Tageslicht besser genutzt werden. In Deutschland gab es die Sommerzeit schon mehrfach. Zuletzt wurde sie 1980 wieder eingeführt. Unter dem Eindruck der Ölkrise von 1973 hatte man die Hoffnung, auf diese Weise Energie zu sparen. Ein weiterer Grund war die Anpassung an die Nachbarländer, die diese Regelung schon hatten. Seit 1996 gibt es eine einheitliche EU-weite Regelung. Seitdem beginnt die Sommerzeit Ende März und hört Ende Oktober auf. In dieser Zeit ist es abends eine Stunde länger hell.
Warum wollen das die Kritiker der Zeitumstellung nicht mehr?
Sie argumentieren, dass tatsächlich keine Energie gespart wird. Laut Umweltbundesamt schalten zum Beispiel die Deutschen im Sommer zwar wegen der Zeitumstellung abends seltener das Licht an - im Frühjahr und Herbst wird morgens allerdings mehr geheizt.
Mediziner sehen zudem Risiken für die Gesundheit. In einer repräsentativen Studie des Forsa-Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit gab im Frühjahr rund ein Viertel der Befragten an, schon einmal gesundheitliche Probleme gehabt zu haben wegen der Zeitumstellung. Als Beschwerden wurden vor allem Müdigkeit, Schwierigkeiten beim Einschlafen und Konzentrationsprobleme genannt.
Was passiert, wenn der Gesetzesvorschlag wirklich beschlossen wird?
Sollte das Hin und Her tatsächlich abgeschafft werden, könnte jedes Land für sich entscheiden, ob es dauerhaft die Standardzeit - also Winterzeit - oder die Sommerzeit einführen möchte. Die Entscheidung, welche der beiden Zeiten dauerhaft gilt, ist eine nationale Angelegenheit und würde von einer Abschaffung der Zeitumstellung nicht berührt.
Würde das nicht zu einem Flickenteppich der Zeit in der EU führen?
Gut möglich, dass es noch mehr zeitliche Unterschiede geben würde. Spanien etwa würde wohl kaum die Sommerzeit beibehalten - denn dann würde die Sonne in Madrid im Winter erst gegen 9.30 Uhr aufgehen. In der von Deutschland dominierten Online-Umfrage wollte hingegen eine Mehrheit die dauerhafte Sommerzeit.
Schon jetzt gibt es drei Zeitzonen in der EU. In 17 Staaten herrscht die gleiche Uhrzeit: die Mitteleuropäische Zeit, genannt MEZ. Darunter sind die Niederlande, Belgien, Österreich, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Kroatien, Polen und Spanien. Acht Länder - Bulgarien, Estland, Finnland, Griechenland, Lettland, Litauen, Rumänien und Zypern - sind eine Stunde voraus: dort gilt die Osteuropäische Zeit oder OEZ. Drei Staaten sind eine Stunde zurück, nämlich Irland, Portugal und Grossbritannien, wo die Westeuropäische Zeit gilt, die WEZ.
«Portugal hat eine andere Zeit als Spanien, und Finnland hat eine andere Zeit als Schweden», sagte der CDU-Politiker Peter Liese, ein langjähriger Gegner der Zeitumstellung. «Daher wäre es kein Problem, wenn sich einige Mitgliedstaaten für die ständige Winterzeit und andere für die ständige Sommerzeit aussprechen.» Nur eines soll EU-weit wegen des Binnenmarkts einheitlich sein: Zeitumstellung oder nicht. Wie merke ich mir noch mal, ob die Zeit eine Stunde vor oder zurück gestellt werden muss?
Dazu gibt es zahlreiche Eselsbrücken. Eine davon lautet: «Im Frühjahr stellt man die Gartenmöbel vor die Tür. Im Herbst stellt man sie zurück in den Schuppen.» Im März wird die Uhr also eine Stunde vorgestellt, im Oktober eine Stunde zurück. Auf Englisch geht es noch einfacher: Spring forward, fall back.
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Video: «Ich fühle die Zeitumstellung bis zum Herbst»
SDA/oli
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