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Neuer EU-Deal
Hat der Bundesrat schönfärberisch informiert? Was nun besonders zu reden gibt

CORRECTION / Swiss President Viola Amherd (L) shakes hands with European Commission President Ursula von der Leyen after a statement in Bern on December 20, 2024. Switzerland has concluded a new set of agreements with the European Union which would finally reset and stabilise ties with the surrounding bloc. However, the government's green light, after years of sometimes hostile negotiations, is just the first step on the road to recalibrating relations between the wealthy Alpine nation and its biggest trading partner. (Photo by Gabriel Monnet / AFP) / “The erroneous mention[s] appearing in the metadata of this photo by FABRICE COFFRINI has been modified in AFP systems in the following manner: [GABRIEL MONNET] instead of [FABRICE COFFRINI]. Please immediately remove the erroneous mention[s] from all your online services and delete it (them) from your servers. If you have been authorized by AFP to distribute it (them) to third parties, please ensure that the same actions are carried out by them. Failure to promptly comply with these instructions will entail liability on your part for any continued or post notification usage. Therefore we thank you very much for all your attention and prompt action. We are sorry for the inconvenience this notification may cause and remain at your disposal for any further information you may require.”
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In Kürze:
  • Nach dem EU-Deal geben vor allem die Schutzklausel und der Lohnschutz zu reden.
  • Kritiker sagen, der Bundesrat habe das Ergebnis anders dargestellt als die EU.
  • Der Bund betont, die Schutzklausel ermögliche der Schweiz eigenständiges Handeln.
  • Den Lohnschutz sollen die noch unbekannten Begleitmassnahmen gewährleisten.

In einem Punkt sind sich die meisten Parteien und Kommentatoren einig: Die Schweiz hat in den Verhandlungen mit der EU viel herausgeholt. Doch es gibt auch Kritik an der Kommunikation des Bundesrates. Besonders zu reden geben seit Freitag zwei Punkte: die Schutzklausel und der Lohnschutz.

Beim ersten Punkt streiten Befürworter und Kritiker des Vertragspakets, worauf sich die Schweiz und die EU geeinigt haben. Die Schutzklausel soll der Schweiz ermöglichen, bei schwerwiegenden Problemen mit der Zuwanderung Massnahmen zu ergreifen. Bloss: wie genau? Der Bundesrat habe etwas anderes behauptet als die EU-Kommission, sagen Kritiker aus dem rechten Lager.

Der Grund: Bundesrat Beat Jans sagte am Freitag, die Schweiz könne die Schutzklausel eigenständig aktivieren und Massnahmen ergreifen. EU-Vizekommissions-Präsident Maros Sefcovic dagegen sagte gleichentags, die Schutzklausel sei kein einseitiges Instrument und die Schweiz werde die Personenfreizügigkeit nicht einschränken können. Was gilt nun?

Kein einseitiges Instrument, aber eigenständiges Handeln

Jans’ Departement sieht auf Nachfrage dieser Redaktion keinen Widerspruch. «Die Schweiz und die EU haben eine konkretisierte Schutzklausel ausgehandelt, in deren Zentrum ein paritätisches Schiedsgericht steht», sagt Kommunikationschef Oliver Washington. «Innerhalb dieses Rahmens kann die Schweiz eigenständig handeln und entscheiden.» Die Schweiz könne neu entscheiden, ob sie bei einer Blockade im gemischten Ausschuss das Schiedsgericht anrufen wolle – und sie könne letztlich immer eigenständig entscheiden, ob sie Schutzmassnahmen ergreifen wolle.

Ist das Schiedsgericht damit nicht einverstanden, würde die Schweiz zwar härtere Ausgleichsmassnahmen der EU riskieren. Diese wären aber auf die Marktzugangsabkommen beschränkt.

Gestritten wird auch über die Frage, ob der Europäische Gerichtshof (EuGH) bei der Schutzklausel das letzte Wort hätte. Dazu sagt Jans’ Kommunikationschef: «Das Schiedsgericht muss überprüfen, ob als Folge der Personenfreizügigkeit ‹serious economic difficulties› eingetreten sind. Das ist kein Begriff des EU-Rechts. Deshalb geht der Bundesrat davon aus, dass das Schiedsgericht bei der Schutzklausel den EuGH nicht konsultieren muss.»

«Eine Beschränkung der Zuwanderung ist denkbar»

Doch warum sagt Sefcovic, die Schweiz könne die Zuwanderung nicht begrenzen? Welche Massnahmen könnte sie überhaupt ergreifen? Jans’ Departement hält fest, die Schutzmassnahmen müssten eine konkrete Antwort auf die realen Probleme sein. Und sie müssen befristet, zweckmässig und verhältnismässig sein. «Eine Beschränkung der Zuwanderung ist denkbar», sagt Oliver Washington. Infrage kämen auch Massnahmen in einzelnen Regionen oder Branchen.

Wann der Bundesrat Schutzmassnahmen prüfen muss, soll im Schweizer Recht festgelegt werden. Mögliche Beispiele sind eine hohe Zuwanderung, ein akuter Lohnzerfall oder ein akuter Mietpreisanstieg. Der Bundesrat wird dem Parlament einen Vorschlag präsentieren. Klar scheint, dass «Dichtestress» allein kein Grund sein kann.

Befürworter des Vertragspakets betonen, dass die Zuwanderung aus der EU weiterhin im Wesentlichen aus Arbeitsmigration bestünde – und dass es die Schweizer Firmen sind, die nach Arbeitskräften rufen.

Noch unbekannte Massnahmen sollen es richten

Zum zweiten heiss diskutierten Punkt – dem Lohnschutz – hatte der zuständige Bundesrat Guy Parmelin am Freitag gesagt, dieser werde abgesichert. Die Gewerkschaften widersprechen vehement. Daniel Lampart, der Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, warf dem Bundesrat in mehreren Interviews am Wochenende vor, falsch informiert zu haben. «Vieles ist schönfärberisch. Die Aussage, der Lohnschutz bleibe erhalten, ist aber schlicht falsch», sagt Lampart.

Parmelins Departement hält dazu fest, nach Auffassung des Bundesrates sichere das mit der EU vereinbarte Konzept das schweizerische Lohnschutzniveau auf Grundlage der flankierenden Massnahmen ab. Sozialpartner, Kantone und Bundesrat seien sich aber einig, dass das aussenpolitische Resultat allein nicht reiche, um den Lohnschutz, wie ihn die Schweiz heute kenne, aufrechtzuerhalten. «Die inländischen Begleitmassnahmen, die derzeit in Erarbeitung sind, werden das Konzept zusätzlich stärken», sagt Sprecherin Irène Harnischberg. Zur Debatte steht auch ein Ausbau der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Gesamtarbeitsverträgen.

Bundespräsidentin Viola Amherd warnt in einem «SonntagsBlick»-Interview derweil vor den Folgen eines Scheiterns. Ein Nein zum Verhandlungspaket wäre für die Schweiz «sehr schädlich», sagt sie. Mittelfristig würde ein grosser Schaden für die Schweizer Wirtschaft angerichtet – und damit auch für die Bevölkerung. «Wenn man es im täglichen Leben merkt, ist es bereits zu spät.»