Sturm auf das Capitol«Es gibt keine Limits in dieser Untersuchung»
Alles scheint möglich im Untersuchungsausschuss, der im US-Kongress den Aufstand vom 6. Januar untersucht. Womöglich eines Tages auch Donald Trump im Zeugenstuhl.
Ex-Präsident Donald Trump darf die Ansage des Ausschussvorsitzenden Bennie Thompson durchaus als Drohung verstehen. Er werde nicht zögern, das Mittel der Vorladung einzusetzen, um an Informationen zu kommen, sagte Thompson vergangene Woche. Sein Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Capitol habe «absolut» die Autorität, das zu tun. Auch mit gerichtlicher Hilfe. «Es gibt keine Limits in dieser Untersuchung.»
Der Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses soll klären, wie es zum Sturm auf das Capitol kam. Die sieben Demokraten und zwei Republikaner im Ausschuss wollen in den kommenden Monaten, womöglich Jahren Beweise finden, mit denen die Verantwortung einzelner Personen festgemacht werden kann.
Im Fokus stehen Mitarbeiter der Trump-Regierung, Abgeordnete mit Verbindungen in rechte Gruppen. Und der ehemalige erste Mann im Staate selbst, Donald J. Trump. (Lesen Sie dazu den Artikel «Donald Trump verharmlost Sturm aufs Capitol».)
Capitol-Sturm war keine spontane Aktion
In dem Getümmel am Tag des Aufstandes etwa hatten diverse republikanische Abgeordnete telefonischen Kontakt mit Trump. Einige Republikaner stehen unter Verdacht, von den Plänen für den Aufstand gewusst zu haben. Dass das eher keine spontane Aktion war, dafür haben andere Kongressausschüsse Hinweise gefunden. Aber welche Rolle hat Trump darin gespielt? Neben der natürlich, die Aufrührer in einer vorangegangenen Kundgebung persönlich zum Capitol geschickt zu haben.
Vergangene Woche war die Auftaktsitzung. Dort hatten vier Polizisten, die am 6. Januar das Capitol verteidigt hatten und zum Teil schwer verletzt wurden, sehr emotional von ihren Erlebnissen berichtet. Tränen flossen. Auch die von Abgeordneten. Die sind nicht nur Ermittler in der Sache, sondern auch Betroffene. Eine demokratische Abgeordnete sagte, sie sei sich nicht sicher gewesen, ob sie ihre Kinder je wiedersehen werde.
Noch beraten die Ausschussmitglieder, wie die nächsten Schritte genau aussehen sollen. Trotz anstehender Sommerpause des Repräsentantenhauses könnte es eine nächste Anhörung bereits in diesem Monat geben. In der nächsten Sitzung könnte es um eine Rekapitulation der Sicherheitspannen am 6. Januar gehen.
Es hat kaum Vorwarnungen gegeben, die Sicherheitskräfte sind überrannt worden. Verstärkung kam erst, als die Aufständischen schon in die beiden Kammern des Kongresses vorgedrungen waren und diverse Büros verwüstet hatten. Darunter das von Nancy Pelosi.
Die beiden Republikaner im Ausschuss dürften ernsthaft an Aufklärung interessiert sein. Liz Cheney aus Wyoming und Adam Kinzinger aus Illinois haben das Angebot von Nancy Pelosi angenommen, am Untersuchungsausschuss teilzunehmen. Beide gelten als beinharte Konservative.
Nach dem Sturm auf das Capitol aber sind sie überzeugt, dass Ex-Präsident Trump für den Aufstand zumindest mitverantwortlich zu machen ist. Beide haben ihre Parteifreunde aufgefordert, diesen Ausschuss nicht wie einen weiteren parteilichen Streit zu behandeln.
In ihrer Fraktion sind sie zunehmend isoliert. Dort herrscht die Ansicht vor, dass die festgenommenen Aufrührer politische Gefangene seien und die im Capitol erschossene Trump-Anhängerin Ashli Babbitt eine Märtyrerin. Und Nancy Pelosi die Drahtzieherin des Aufstandes.
Kevin McCarthy, Chef der Republikaner im Repräsentantenhaus, hatte seine fünf Nominierungen für den Ausschuss zurückgezogen, weil Pelosi gegen Jim Jordan und Jim Banks ihr Veto eingelegt hatte. Beide gehören zu den grössten Krawallmachern und glühendsten Trump-Verehrern im Kongress. Und sie verbreiten die «Big Lie», die grosse Lüge, dass Trump der Wahlsieg gestohlen worden sei. Jordan dürfte ziemlich sicher als Zeuge geladen werden. Er und wenige andere seiner Fraktion hatten am Tag des Aufstandes direkten Kontakt zu Trump.
Zerwürfnis im Lager der Republikaner
Für Cheney und Kinzinger hat ihr Engagement ein Nachspiel. Der «Freedom Caucus», eine 45-köpfige, extrem rechte Gruppe innerhalb der Kongress-Republikaner, der auch Jordan und Banks angehören, fordert jetzt, Kinzinger und Cheney aus der republikanischen Fraktion auszuschliessen. (Lesen Sie auch den Artikel «Der lange Arm von Donald Trump».)
Der «Freedom Caucus» hat es zwar im Mai schon geschafft, Cheney als Nummer drei der Republikaner durch eine Trump-treue Mitstreiterin zu ersetzen. Führende Republikaner fürchten aber, ein Ausschluss der Abtrünnigen könnte im aufflammenden Kongresswahlkampf eher schaden.
Wie tief die parteiinternen Gräben sind, zeigt Cheneys Reaktion auf die Rauswurfforderung. Sie liess über ihren Sprecher ausrichten, der «Freedom Caucus» repräsentiere eine «gefährliche Fäulnis», die ihre Wurzeln in der «‹Big Lie›, in Verschwörungstheorien, in Bigotterie und Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und unserer Strafverfolgungsbehörden» habe. Neue Freunde hat sie sich damit nicht gemacht.
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