Streit bei den RepublikanernDer lange Arm von Donald Trump
Die konservative Abgeordnete Liz Cheney ist mit dem Ex-Präsidenten verfeindet und verliert deshalb wohl einen wichtigen Parteiposten. Für die Republikaner ein Moment von historischer Bedeutung.
Die American Conservative Union, eine politische Organisation, die ihre Gesinnung stolz im Namen trägt, verteilt regelmässig Noten an die Abgeordneten im US-Kongress. Je konservativer eine Politikerin oder ein Politiker ist, desto mehr Punkte bekommt sie oder er. Liz Cheney, die Republikanerin, die den Bundesstaat Wyoming im Repräsentantenhaus vertritt, hat es auf 78 von 100 Punkten geschafft. Damit ist sozusagen amtlich bestätigt, dass Cheney eine verlässliche, orthodoxe Konservative ist.
Cheneys Parteifreundin Elise Stefanik, die ihren Wahlkreis in New York hat, bekommt von der American Conservative Union dagegen nur 43 Punkte. Das ist so wenig, dass bei Stefanik in der Grafik der Balken, der die Punkte darstellt, blau ist, nicht rot wie bei Cheney. Blau ist in den USA die Farbe der Demokraten, Rot die der Republikaner. Aus Sicht jener, die im rechten Lager über die Linientreue wachen, steht Stefanik mithin fast schon auf der Seite der Gegner.
Profilierte Konservative mit konservativem Vater
Trotzdem, da ist sich das politische Washington ziemlich sicher, wird es in den kommenden Tagen einen bemerkenswerten Personalwechsel im Kongress geben. Derzeit ist Liz Cheney in der Führung der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus die Nummer drei. Sie ist die House Republican Conference Chairwoman, formell macht sie dieses Amt zur mächtigsten Republikanerin im Parlament. Doch wenn alles so läuft wie erwartet, werden die Mitglieder der Fraktion sie abwählen und ihren Posten an Elise Stefanik vergeben.
Dass eine profilierte Konservative, noch dazu die Tochter des früheren Verteidigungsministers und Vizepräsidenten Dick Cheney, durch eine Hinterbänklerin ersetzt wird, die in ideologischer Hinsicht deutlich moderater ist, hat es in der jüngeren Geschichte der Republikaner noch nicht gegeben. Aber es sagt viel – vielleicht sogar alles – über den Zustand der Partei aus. Denn der Grund für die Umbesetzung hat nichts mit eventuellen Meinungsverschiedenheiten zwischen Cheney und Stefanik über programmatische Dinge zu tun. Es geht, wie seit Jahren bei den Republikanern, nur um eines respektive nur um einen: Donald Trump.
Die erste namhafte Republikanerin, die Joe Biden gratulierte
Man übertreibt wohl nicht, wenn man Cheney als Feindin Trumps bezeichnet. Dass die beiden einander nicht mögen, ist nicht neu. Aber seit der Wahl im November und vor allem seit dem 6. Januar, an dem Trump-Anhänger unter dem Beifall des Präsidenten das Capitol stürmten, ist der Bruch offensichtlich und dramatisch. Cheney war Ende 2020 die erste namhafte Republikanerin, die Joe Biden zur Präsidentschaft gratulierte und Trumps Behauptung widersprach, ihm sei der Wahlsieg durch Betrug und Trickserei gestohlen worden. Nach dem 6. Januar warf Cheney Trump in einer sehr scharfen Erklärung vor, den Angriff auf das Parlamentsgebäude provoziert zu haben. Zusammen mit nur neun anderen republikanischen Abgeordneten stimmte sie damals für das zweite Impeachment gegen den Präsidenten. Wobei auch das zweite Amtsenthebungsverfahren scheiterte.
Das machte Cheney schon Anfang des Jahres zu einer Zielscheibe für Trump und seine Anhänger. Da die Abgeordnete zunächst aber noch die Rückendeckung ihrer beiden ranghöheren Kollegen in der Fraktionsspitze hatte, scheiterte damals ein erster Versuch von Trump-Getreuen, Cheney aus ihrem Führungsamt zu werfen. Jetzt allerdings scheint ihre Zeit gekommen zu sein: Der Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, der Trump im Januar selbst noch für den Sturm auf das Capitol verantwortlich gemacht hatte, hat sich inzwischen gegen sie gestellt. Vor einigen Tagen sagte er zu einem Fernsehmoderator, er habe «die Nase voll» von Cheney.
Beinharte Verteidigerin des Ex-Präsidenten
Stefaniks Verhältnis zu Trump ist das genaue Gegenteil. Die Abgeordnete aus New York war so gut wie unbekannt, bis sie sich Ende 2019, während des ersten Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump, einen Namen als beinharte Verteidigerin des Präsidenten machte. Diese Rolle hat sie danach nicht mehr aufgegeben. Sie hielt auch dann fest zu Trump, als der geschlagene Präsident mit der «Big Lie» hausieren ging, wie die Lüge vom gestohlenen Sieg mittlerweile genannt wird, als er sich illegal im Amt zu halten versuchte und seine Anhänger am 6. Januar anfeuerte.
Und weil persönliche Loyalität zu Trump in der Republikanischen Partei heutzutage allemal mehr zählt als politische Integrität oder auch nur die simple Wahrheit, wird Cheney von ihren Parteifreunden jetzt wie eine Aussätzige behandelt, Stefanik hingegen wie die Hoffnungsträgerin der Partei. In Washington wird die Entscheidung zwischen den beiden Frauen daher wohl zu Recht als eine Personalie gesehen, die für die Republikaner von historischer Bedeutung sein kann – als der Moment, in dem die Republikaner den Schwenk von der konservativen Programmpartei zum trumpschen Personenkult vollenden.
«Die Geschichte schaut auf uns»
Cheney selbst jedenfalls hat die Messlatte für ihre Partei sehr hoch gehängt. In einem Gastbeitrag in der Zeitung «Washington Post» schrieb sie diese Woche, dass die Republikaner «an einem Wendepunkt» stünden und sich entscheiden müssten – für Trump oder für die Verfassung, für Trump oder für die Wahrheit, für Trump oder für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. «Die Geschichte schaut auf uns», schrieb Liz Cheney. «Unsere Kinder schauen auf uns. Wir müssen den Mut haben, die fundamentalen Prinzipien zu verteidigen, auf denen unsere Freiheit und unsere Demokratie ruhen.»
So, wie es aussieht, haben die Republikaner diesen Mut nicht.
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