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Neue Regierung in Österreich
SPÖ, ÖVP und Neos einigen sich und wollen Asylpolitik verschärfen

Andreas Babler, Christian Stocker und Beate Meinl-Reisinger bei der Präsentation des Regierungsprogramms von ÖVP, SPÖ und NEOS in Wien, 27. Februar 2025.
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151 Tage nach der Nationalratswahl steht Österreich unmittelbar davor, eine neue Regierung zu bekommen. Am Donnerstag haben die Vorsitzenden der konservativen ÖVP, der sozialdemokratischen SPÖ und der liberalen Neos ihre Pläne für eine künftige Dreierkoalition präsentiert. Das Regierungsprogramm mit dem Titel «Das Richtige tun. Für Österreich» enthält mehrere entscheidende Punkte bei den Themen Asyl und Soziales. So ist ein verpflichtendes Integrationsprogramm für Zugewanderte geplant, und der Nachzug von Familien Geflüchteter soll ausgesetzt werden. Dazu soll es eine Art Mietpreisbremse und eine Rentenreform geben.

Der ÖVP-Vorsitzende Christian Stocker, der demnächst Bundeskanzler werden könnte, zeigte sich erleichtert über den «Durchbruch». Mit «Konsensfähigkeit und Pragmatismus» sei es gelungen, eine arbeitsfähige Regierung zu bilden. Damit steht nun jenes schwarz-rot-pinke Dreierbündnis, das im ersten Anlauf Anfang Januar gescheitert war. Ob die Regierung wie geplant Anfang kommender Woche vereidigt werden kann, hängt noch von den Sozialdemokraten und den Neos ab, die das Programm am Wochenende ihren Gremien beziehungsweise Mitgliedern vorlegen müssen.

Neos erstmals mit Regierungsverantwortung

SPÖ-Parteichef Andreas Babler, der zukünftige Vizekanzler, erklärte, dass eine massive Sanierung des Haushalts vorgesehen sei, wenn auch in sozial ausgewogener Form. Allein in diesem Jahr müssen mehr als sechs Milliarden Euro eingespart werden, um ein Defizitverfahren der EU abzuwenden. Einnahmen soll es etwa durch eine Art Steuer für Banken und grosse Konzerne geben, ausgabenseitig soll das Rentensystem reformiert sowie Bürokratie abgebaut werden.

Für Letzeres wird es einen eigenen Staatssekretär geben, den die Neos stellen. Die kleine Partei, die es erst seit 13 Jahren gibt, findet sich damit das erste Mal in Regierungsverantwortung wieder. Deren Chefin, Beate Meinl-Reisinger, soll das Aussenministerium übernehmen. ÖVP und SPÖ erhalten jeweils sechs Ministerien, die Neos zwei.

Lange und zähe Regierungsverhandlungen

Historisch gesehen ist es das zweite Dreierbündnis in Österreich. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben ÖVP, SPÖ und die kommunistische KPÖ zwei Jahre lang zusammen regiert. In jedem Fall waren es aber die längsten Regierungsverhandlungen in der Geschichte der Zweiten Republik – und auch die schwierigsten, wie es ÖVP-Chef Stocker formulierte. Das lag unter anderem an Herbert Kickl von der extrem rechten FPÖ. Dieser hatte die Wahl im September gewonnen, vom österreichischen Bundespräsidenten aber keinen Auftrag zur Regierungsbildung erhalten.

Daraufhin verhandelten erst ÖVP, SPÖ und Neos über eine Koalition, nach dem Scheitern der Verhandlungen erklärte sich die ÖVP bereit, als Juniorpartnerin in eine Koalition unter Herbert Kickl einzutreten. Auch diese Verhandlungen scheiterten schliesslich Mitte Februar. Kickl bezeichnete das Dreierbündnis als «Koalition der Verlierer» und erneuerte seine Forderungen nach Neuwahlen. Umfragen sehen die FPÖ bei mehr als 30 Prozent.

Konsens- und Kompromissfähigkeit seien österreichischen Tugenden

So verwundert es nicht, dass sich einige Themen der FPÖ in diesem Regierungsprogramm finden. Etwa eine Reduktion der Leistungen für Asylbewerber und ein Kopftuchverbot für minderjährige Mädchen, bei dem jedoch die Frage ist, ob es überhaupt verfassungskonform wäre. Einen «Asylstopp» behalte man sich vor, so ÖVP-Chef Stocker.

SPÖ-Chef Babler will zudem die sozialen Medien in die Pflicht nehmen, gegen islamistische Propaganda vorzugehen. Aussen- und sicherheitspolitisch hält man an der bisherigen Europapolitik, am Ausbau der Landesverteidigung sowie der weiteren Beteiligung an Programmen der Nato fest. Unter anderem an diesen Punkten waren die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP gescheitert.

Auf die Frage, warum jetzt möglich sei, was im Januar noch unvereinbar erschien, hiess es bei der Präsentation, man habe nicht nur, befeuert von österreichischen Tugenden wie Konsens- und Kompromissfähigkeit, einen gemeinsamen Nenner gefunden, sondern sich über Parteigrenzen hinweg auch auf zentrale Reformen geeinigt.

Unterschiedliche Reaktionen

Eine solche findet sich in der Justiz: Hier ist eine Generalstaatsanwaltschaft nach deutschem Vorbild geplant. Österreich ist eines der letzten europäischen Länder, in denen Justizminister Vorgesetzte der Staatsanwaltschaften sind, also Politiker ein Weisungsrecht haben. Diese rechtsstaatliche Reform wird von Experten seit Langem gefordert.

Die Reaktionen auf das Regierungsprogramm schwanken zwischen Erleichterung und Kritik. Während man vielerorts froh über die Aussicht auf eine stabile Regierung ist, zeigen sich etwa die Grünen enttäuscht darüber, dass Klimafragen kaum eine Rolle spielen.