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Ermittlung nach Eröffnungsfeier
Das vermeintliche Abendmahl und der Hass im Netz

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Die bunte Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von Paris hat ein langes, gehässiges Nachspiel – auch juristisch. Der kreative Direktor der Show, der bretonische Theatermacher und Schauspieler Thomas Jolly, und einige Protagonisten aus der viel diskutierten Szene «Festivités», Feierlichkeiten, erstatteten Anzeige, weil sie seit dem vergangenen Wochenende in den sozialen Medien von Kritikern der Feier diffamiert und mit dem Tod bedroht werden. Jolly sagte, er werde auch wegen seiner angeblichen israelischen Herkunft angegangen, obschon er gar nicht aus Israel komme. Die Pariser Staatsanwaltschaft hat nun eine Ermittlung eingeleitet.

«Schmor in der Hölle, du Pädophiler, Satanist, Sodomit»

In der verhandelten Szene traten queere Menschen und Dragqueens auf – in ihrer Mitte der griechische Gott Dionysos, blau bemalt und fast ganz nackt. Religiöse und rechtsextreme Kreise sahen darin eine höhnische und spöttische Interpretation von Leonardo da Vincis Gemälde «Das letzte Abendmahl», das Jesus mit seinen Jüngern zeigt. Viele Christen auf der Welt fühlten sich durch die Darstellung in ihren Gefühlen verletzt, sagte die französische Bischofskonferenz. Mittlerweile bedauerte auch der Vatikan.

Die Debatte hielt an, obschon die Organisatoren beteuerten, dass sie sich nicht vom Abendmahl hatten inspirieren lassen, sondern von einem heidnischen Festgelage, die Figur von Dionysos, Gott des Weins und der Festlichkeit, sei Beleg dafür. Und: Niemand habe Jesus gespielt. Im Netz schlug die politische und religiöse Kritik schnell in Hass um. DJ Barbara Butch, eine der Hauptfiguren der Szene und Frauenrechtlerin, erzählt jetzt, sie werde angegriffen, weil sie «weiblich, lesbisch, fettleibig und jüdisch sei». Die Dragqueen Hugo Bardin alias «Paloma» sagt, man sei sich Kritik ja gewohnt, aber hier gehe es weit über das übliche Mass hinaus: «Das klingt dann so: ’Schmor in der Hölle, du Pädophiler, Satanist, Sodomit’.»

Macron: «Feier zeigte auch unsere Kühnheit»

Jolly und seine Schauspieler erfahren viel Solidarität von Emmanuel Macron, dem französischen Präsidenten. Er sei «schockiert und traurig», sagte Macron, nichts rechtfertige einen Angriff gegen einen Künstler. «Die Franzosen waren sehr stolz auf diese Feier.» Sie habe gezeigt, was Frankreich sei, in seiner ganzen Diversität. «Sie zeigte auch unsere Kühnheit.» Ähnlich äusserte sich Anne Hidalgo, die Pariser Bürgermeisterin. «Im Namen der Stadt und in meinem eigenen Namen möchte ich Thomas Jolly, der Opfer von Bedrohung und Mobbing ist, meine unerschütterliche Unterstützung versichern, schrieb sie in einem Communiqué. Jolly habe in dieser Feier «unsere Werte» zelebriert. «Für Paris war es ein Stolz und eine Ehre, dass er uns mit seinem Talent beschenkt hat.»

So sehen es die meisten Franzosen. In einer Umfrage sagten 86 Prozent, sie hätten sich in dieser Eröffnungsfeier, die neben der viel diskutierten Szene eine Myriade von spektakulären Einlagen und historischen Anlehnungen bot, gut wiedererkannt. Der staatliche Fernsehsender France 2, der sie übertragen hat, richtet aus, dass mit den nachträglichen Streamings allein in Frankreich 24,5 Millionen Menschen die Show bisher gesehen hätten.

Rapperin Aya Nakamura überflügelt das «Abendmahl»

Am meisten wird die Szene abgerufen, in der die berühmte Rapperin Aya Nakamura zusammen mit den Bläsern und Trommlern der präsidialen Garde Républicaine ein Medley ihrer Erfolge vorträgt – ein politisches Statement, das zumindest für die Franzosen die laute Debatte über das vermeintliche Abendmahl übertönt. Jeden Tag tanzen nun junge Menschen die Nummer auf dem Pont des Arts nach, wo sie uraufgeführt worden war, filmen sich dabei und posten ihre Videos. Die berühmte Fussgängerbrücke über die Seine wird auch schon «Pont d’Aya» genannt.