Gastbeitrag zur AsylpolitikEritrea ist ein Unrechtsstaat – trotzdem sucht die Schweiz die Kooperation
Abgewiesene Asylsuchende aus Eritrea leben hier seit Jahren unter prekärsten Bedingungen. Ein unhaltbarer Zustand, den Justizministerin Karin Keller-Sutter dringend ändern müsste.
Der grausame Konflikt am Horn von Afrika, in dem Millionen von Menschen von Hunger und Genozid bedroht sind, kommt nicht zur Ruhe. In diesen Tagen wurde davon berichtet, dass der eritreische Machthaber Isayas Afewerki wieder in Tigray, Äthiopien, einmarschiert sei. Dieser Krieg wird auf allen Seiten mit beispielloser Brutalität und ohne Rücksicht auf Zivilisten geführt, und der rätselhafte Diktator spielt dabei eine unheilvolle Rolle.
Im vergangenen Monat wurde auch bekannt, dass Eritrea Berufsschulen verstaatlicht, die von der Eidgenossenschaft mit 1,3 Millionen Franken unterstützt wurden. Im Jahr 2020 wurden 6 Millionen Franken für Schweizer Projekte gesprochen. Aber Eritrea ist ein prekärer Unrechtsstaat mit korrupter Regierung und katastrophaler Menschenrechtslage. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen rangiert das Land im Jahr 2020 auf dem 180. Platz von 180 Ländern.
Es ist ein Überwachungsstaat, in dem es keine Verfassung, kein Parlament, keine unabhängige Justiz und keine Freiheit gibt. Wie kommt man auf die Idee, ein derart korruptes Land zu alimentieren? Die Schweiz ist vom Wunsch getrieben, möglichst bald eritreische Asylsuchende in ihr Herkunftsland zurückzuführen, denn diese Menschen sind in der Schweiz unerwünscht, da kulturfremd.
Keller-Sutter will Eritreer zurückschicken
Die Hoffnung auf Rückkehr hegt auch unsere Bundesrätin Karin Keller-Sutter, wenn sie in den Medien sagt: «Ärgerlich ist auch, dass es Staaten gibt, die ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht wahrnehmen. Zum Beispiel nimmt Eritrea keine eigenen Staatsangehörigen zurück, wenn sie nicht freiwillig ausreisen. Das ist völkerrechtswidrig. Aber wir können es nicht einseitig ändern.»
Die desperate Lage in Eritrea hat sich seit über zwei Jahrzehnten kaum geändert, die asylbehördliche Einschätzung der Schutzbedürftigkeit dieser Menschen dagegen schon. Seit der Praxisänderung des Staatssekretariats für Migration im Juni 2016 wurden über 5000 Asylsuchende aus Eritrea weggewiesen.
Frauen, Kinder und damit überproportional viele vulnerable Menschen sind in den Rückkehrzentren der Schweiz hängen geblieben.
Wo sind diese Menschen heute? Viele sind ins nahe Ausland geflüchtet. Dort leben sie ohne Perspektive auf eine Regularisierung. Werden sie behördlich aufgegriffen, droht ihnen die Rückschaffung in die Schweiz. Frauen, Kinder und damit überproportional viele vulnerable Menschen sind in den Rückkehrzentren der Schweiz hängen geblieben. Sie leben unter den abschreckenden Bedingungen des Nothilferegimes, aber die beabsichtigte Vergrämung hilft hier wenig, denn Familien können sich schlecht in die Klandestinität verabschieden.
Diese Menschen hätten Anspruch auf vorläufigen Schutz. Solange sie nicht zurückkehren können, verdienen sie eine menschenwürdige Behandlung. Sobald sich die Verhältnisse in Eritrea stabilisieren und die repressive Diktatur ein Ende nimmt, wird eine Rückkehr möglich. Es ist bekannt, dass die heutige Form des Nothilferegimes als Langzeitzustand grund- und menschenrechtliche Standards mit Füssen tritt. Sie findet ihre Analogie in der administrativen Versorgung des vergangenen Jahrhunderts. Aber diese Flüchtlinge haben keine Lobby.
Unser Parlament hat in der vergangenen Session im Energiebereich gezeigt, dass es Probleme anpacken und rasch lösen kann. Ein Ausweg aus der Sackgasse wäre für diese Menschen ein Akt der Menschlichkeit.
Daniel Winkler (geb. 1967) ist seit 2005 evangelisch-reformierter Pfarrer in Riggisberg BE. Seit 2014 setzt er sich für Flüchtlinge ein. Er ist Mitglied von «Aktionsgruppe Nothilfe – Sackgasse Langzeitnothilfe».
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