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Legales Viagra
Erektionsförderer gäbe es rezeptfrei beim Apotheker – doch nur wenige nutzen das Angebot

Auch wenn es nicht empfohlen ist: Sildenafil-Präparate sind manchmal auch ohne Erektionsprobleme im Spiel.  

Unlängst machte Swissmedic einen gravierenden Zwischenfall mit einem vermeintlichen Potenzmittel bekannt. Ein Mann hatte das Präparat im Internet bestellt. Nach der Einnahme musste er jedoch ins Spital. Er hatte eine Dauererektion, Zucken in den Beinen und Rückenschmerzen. Laboranalysen ergaben, dass er durch das nicht zugelassene Arzneimittel ein Vielfaches der empfohlenen Maximaldosis eingenommen hatte.

Erektionsförderer machten in den letzten Jahren jeweils zwischen 75 und 90 Prozent des illegalen Medikamentenhandels in der Schweiz aus. Ohne Potenzpillen hätte der problematische Internetverkauf seine heutige Bedeutung niemals erlangt. Schliesslich kam der Verkauf von gefälschten Medikamenten erst so richtig in Schwung, nachdem vor 25 Jahren Viagra als erstes Medikament mit dem Wirkstoff Sildenafil auf den Markt gekommen war.

Offensichtlich sind für viele Männer die Hürden für eine legale Beschaffung von Potenzmitteln nach wie vor zu hoch. Gemäss Schätzungen sollen rund 10 bis 15 Prozent der über 45-Jährigen von Erektionsstörungen betroffen sein. Im jüngeren Alter ist dies seltener, kommt aber ebenfalls vor. Um legal an ein Sildenafil-Präparat zu kommen, müssen die Betroffenen wegen der Rezeptpflicht zum Arzt oder zur Ärztin, um sich abklären zu lassen. Vielen fällt dies nicht leicht, Erektionsstörungen sind noch immer ein Tabuthema. Hinzu kommt ein beträchtlicher Teil von vor allem jüngeren Männern, die Potenzmittel als Lifestyle-Medikamente verwenden und dafür kein Rezept erhalten. Gemäss einer Befragung der Universität Lausanne von 2018 schlucken bei 24- bis 26-Jährigen 5 Prozent Potenzpillen. Zwei Drittel gaben an, es aus Neugier zu tun – Fachleute raten in solchen Fällen zu Zurückhaltung.

Bescheidener Absatz rezeptfreier Präparate

In Deutschland wurde wegen des illegalen Medikamentenhandels unlängst zum wiederholten Mal darüber diskutiert, kleine Sildenafil-Mengen ohne Rezeptpflicht in Apotheken erhältlich zu machen. Die zuständige Expertenkommission der Arzneimittelbehörde hat einen entsprechenden Antrag verworfen.

In der Schweiz ist man jedoch einen Schritt weiter. Seit Anfang 2019 dürfen Apothekerinnen und Apotheker Kunden vier Tabletten mit 25 Milligramm des Wirkstoffs Sildenafil ohne Rezept abgeben. Damit verbunden sein muss der «aktive Hinweis auf Kontraindikationen», wie es in der Arzneimittelverordnung heisst. Angesprochen werden sollten insbesondere Probleme, die in Kombination mit anderen Medikamenten auftreten, und Risikofaktoren, bei denen die Einnahme von Erektionsförderern gefährlich sein kann. Für eine einzelne Anwendung eines Sildenafil-Präparates sind 25 Milligramm die tiefste Dosis, 100 Milligramm die Maximaldosis, die gemäss Arzneimittelinformationen nicht überschritten werden sollte.

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Das Angebot wird genutzt, wie Zahlen von Pharmasuisse zeigen: Der Absatz von 4er-Packungen hat sich von 2000 im Jahr 2019 auf 14’000 im Jahr 2022 gesteigert. Allerdings sind die Werte bescheiden angesichts der grossen Zahl potenzieller Nutzer und der riesigen Dunkelziffer illegaler Medikamentensendungen. Tatsächlich bemerkt Swissmedic keinen dämpfenden Einfluss auf den illegalen Onlinehandel bei den Erektionsförderern, wie das Institut auf Anfrage bestätigt. Die Menge beschlagnahmter Sendungen wird eher durch die Regulierung, die Intensität der Kontrollen und äussere Faktoren wie die Corona-Pandemie beeinflusst als durch den rezeptfreien Verkauf von Erektionsförderern.

Dabei wäre es sinnvoll, den illegalen Handel mit Potenzmitteln in den Griff zu bekommen, denn immer wieder kommt es zu Zwischenfällen wie bei dem Mann, der ins Spital musste. Rund die Hälfte der konfiszierten Erektionsförderer hat Qualitätsmängel, 15 Prozent sind massiv überdosiert, hat Swissmedic bei einer umfangreichen Analyse im Jahr 2019 festgestellt. Häufig seien zudem keine oder falsch deklarierte Wirkstoffe und möglicherweise schädliche Zusatzstoffe vorhanden, schreibt das Institut. «Erhöhte Dosierungen wirken nicht stärker, die Risiken für unerwünschte Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall oder Überempfindlichkeitsreaktionen sind höher.» Bei Personen mit Risikofaktoren könne dies zu schwerwiegenden Zwischenfällen mit Herzrhythmusstörungen oder gar Herzinfarkten führen.

Unauffällige Bestellung in der Apotheke 

Die geringe Auswirkung der erleichterten Abgabe von Sildenafil-Präparaten dürfte auch damit zusammenhängen, dass in der Schweiz die Regelung nicht primär im Hinblick auf die illegalen Arzneimittelimporte eingeführt wurde. Vielmehr wollte der Bund bei der Überarbeitung des Heilmittelgesetzes den Apothekern und Apothekerinnen bei der Abgabe von Arzneimitteln mehr Kompetenzen geben. Erektionsförderer gehören zu einer ganzen Liste von bislang verschreibungspflichtigen Medikamenten, die seit 2019 mit Einschränkungen ohne Rezept abgegeben werden können. Es geht also mehr um die Apothekerinnen und Apotheker als um die Patienten. Und so verwundert es wenig, dass das Angebot kaum bekannt ist. Es wurde von Behörden und Apotheken bislang kaum kommuniziert.

Paket mit gefälschten Erektionsförderern: Drei Viertel aller illegalen Arzneimittelsendungen betreffen Potenzmittel. 

Wahrscheinlich ist aber ohnehin auch in der Apotheke die Hürde für viele Männer zu hoch. Angesichts des tabuisierten Themas dürfte es vielen Kunden nicht leichtfallen, dort unauffällig ihre Bestellung aufzugeben. Potenzpillen fallen da in eine ähnliche Kategorie wie Hämorrhoidencremen oder Antidepressiva, über die man sich nicht gern über die Ladentheke unterhält.

Gemäss Pharmasuisse führt der Apotheker oder die Apothekerin den Klienten in einen separaten Beratungsraum, um die Abgabe zu dokumentieren und ihn über mögliche Risiken zu informieren. Damit verhindere man auch Missbrauch, heisst es. Denn die Apotheker können den Verkauf auch ablehnen. Vor allem für Lifestyle-Nutzer ist der legale Weg über die Apotheke deshalb nur eingeschränkt möglich und letztlich vom Goodwill der Mitarbeitenden abhängig.