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Der Klimazug ist bald abgefahren

Auf den Kontinenten schmelzen bereits die Gletscher: Der Aletschgletscher oberhalb von Bettmeralp. Foto: Anthony Anex (Keystone)
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Die Lücke wird einfach nicht kleiner. Im Gegenteil. Die globalen Treibhausgas-Emissionen sind in den letzten zehn Jahren um 1,5 Prozent jährlich gestiegen. Letztes Jahr wurde ein neuer Höchstwert erreicht. Die Menge Treibhausgase, die man gemäss Erkenntnissen aus der Klimaforschung reduzieren muss, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, wird immer grösser. Das ist das Fazit des «Emission Gap Reports», den das Umweltprogramm der UNO (Unep) heute veröffentlicht hat. «Unser kollektives Versagen, bereits früher das Klima zu schützen, verlangt nun eine starke Reduktion der Emissionen in den nächsten Jahren», sagt die Unep-Direktorin Inger Andersen.

Im Durchschnitt müssen die Emissionen von 2020 bis 2030 jedes Jahr um 2,7 Prozent gesenkt werden. Ansonsten steigt die Temperatur auf der Erdoberfläche um weit mehr als 2 Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts – die Erde wird auf eine Erwärmung von 3,4 bis 3,9 Grad zusteuern. Vor einem Jahr zeigte der Weltklimarat IPCC in einem Bericht auf, dass bereits bei einer durchschnittlichen globalen Erwärmung um 1,5 Grad das Risiko für überflutete Küstenstädte und absterbende Korallenriffe massiv steigt. Um dieses Szenario abzuwenden, müssten gemäss dem neuen Unep-Bericht die Treibhausgase sogar jährlich um 7,6 Prozent reduziert werden.

«Die Klimaschäden bei einer Erderwärmung von 2 auf 2,5 Grad sind viel grösser als von 1,5 auf 2 Grad», sagt ETH-Klimaforscher Reto Knutti. Die Temperatur ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts um rund 1 Grad angestiegen. In drei umfassenden IPCC-Berichten in den letzten zwölf Monaten zeigten Klimaforscher, dass die Folgen des Klimawandels bereits deutlich sichtbar geworden sind: Es schmelzen nicht nur die Gletscher auf den Kontinenten. Auch die Zahl und die Dauer der Hitzewellen in Europa, in Nordamerika und in Australien ist angestiegen. Ebenso steigt die Zahl der Dürreperioden in Südeuropa, Nordafrika und im Nahen Osten. Und die Fläche des jährlich entstehenden arktischen Meereises, das eine wichtige Rolle für das Klimasystem in der Nordhemisphäre spielt, ist in den letzten 30 Jahren massiv kleiner geworden.

Unterschätzte Dringlichkeit

Für ETH-Forscher Knutti ist die «Dringlichkeit zu handeln» in der Politik und in der Gesellschaft noch nicht richtig erkannt worden. «Selbst wenn wir den im Unep-Bericht vorgeschlagenen Reduktionspfad erfüllen, gibt es eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 30 Prozent, dass wir das Klimaziel verfehlen», sagt er. Wenn so viel auf dem Spiel stehe, müsse eigentlich die Sicherheitsmarge höher liegen. Das heisst: Wenn wir ganz sicher gehen wollen, müssten die Treibhausgase bis 2030 noch stärker gesenkt werden.

Der Unep-Bericht ist wenig optimistisch. «Es gibt keine Anzeichen, dass die Emissionen in den nächsten Jahren das Maximum erreichen», heisst es. Jede Verzögerung verlangt später nach noch stärkeren Reduktionsmassnahmen. Dabei scheint die Aufgabe heute schon aussichtslos: In zehn Jahren müssten die globalen Emissionen um mehr als die Hälfte tiefer liegen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, eine 2-Grad-Erwärmung ist gemäss Wissenschaftler zu verhindern, wenn die aktuellen Emissionen um etwa ein Viertel gesenkt werden. «Der mögliche ökonomische Nutzen bei einer Begrenzung der Erderwärmung bei 1,5 Grad dürfte die Investitionen, um dieses Ziel zu erreichen, mindestens vier- bis fünfmal übertreffen», schrieben Klimaforscher im September in einem Artikel im Fachmagazin «Science».

Die bisher eingereichten nationalen Klimapläne der Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens reichen bei weitem nicht aus, um auch nur annähernd auf den notwendigen Reduktionspfad zu gelangen. Die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer stösst knapp 80 Prozent der globalen Emissionen aus. Bisher hätten nur gerade fünf dieser Staaten, darunter Japan und Grossbritannien, das langfristige Ziel festgelegt, bis 2050 die Emissionen gegen null zu senken, heisst es im Unep-Bericht. In die Gesetzgebung sind diese Ziele jedoch noch nicht eingeflossen. Auch die Schweiz will bis 2050 eine CO2-Emissionsbilanz gegen null anstreben. Das Ziel hat allerdings erst der Bundesrat festgelegt und wurde vom Parlament noch nicht bestätigt.

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Alle fünf Jahre müssen die Klimaziele gemäss dem Pariser Abkommen verschärft werden. Ende nächsten Jahres ist es wieder so weit. «Die neuen Daten zeigen, dass die Staaten, Städte, Regionen und die Wirtschaft nicht so lange warten können, es muss jetzt reagiert werden», sagt Unep-Chefin Inger Andersen. Die nächste Gelegenheit für die Staaten bietet sich in einer Woche. An der nächsten Klimakonferenz in Madrid können sie zeigen, ob sie zu den Vorreitern im Klimaschutz gehören.

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