Debatte um ErbschaftssteuernErbdynastien sind ein Problem, doch es braucht seriöse Lösungen
Die Jungsozialisten in der Schweiz lancieren ein wichtiges Thema, doch ihre Initiative überzeugt nicht. Wie stimmt man «taktisch» richtig?

Die laufende Debatte zur Erbschaftssteuerinitiative der Jungsozialisten in der Schweiz erstarrt in traditionellen Bahnen. Die Gerechtigkeit predigende Linke sagt Ja, die Eigentumsfreiheit fordernde Rechte sagt Nein. Simple Rhetoriken entlang klassisch-weltanschaulicher Grenzlinien werden dem brisanten Thema freilich nicht gerecht. Da wirkt es erfrischend, dass ein führendes wirtschaftsliberales Wochenmagazin wie «The Economist» vor kurzem seine prinzipielle Unterstützung für Erbschaftssteuern zum Ausdruck brachte. Dahinter steckt die Befürchtung, dass rasant steigende Grossvermögen, die an Familienerben weitergegeben werden, unsere meritokratisch-marktwirtschaftlichen Strukturen unterwandern.
Die Furcht vor der Entstehung neuer Erbaristokratien bewog auch erfolgreiche, aufgeklärte Unternehmer immer wieder, sich kritisch mit der Übertragung ihres Vermögens auf Nachkommen zu befassen. In den letzten Jahren taten dies prominent zum Beispiel Warren Buffett oder Bill Gates. Ihre «Giving Pledge»-Bewegung fordert reiche Unternehmer dazu auf, einen Grossteil ihres Vermögens in Stiftungen einzubringen, statt es an Familienerben weiterzugeben.
Stiftungslösungen sind in der Tat eine echte Alternative zur Vererbung von Grossvermögen an Nachfolger ohne Leistungsausweis. Vor allem Unternehmensstiftungen, deren Hauptzweck darin besteht, das Unternehmen langfristig zu erhalten, bieten sich als mögliche Organisationsform an. Eine Anzahl erfolgreicher Beispiele, in der Schweiz zum Beispiel Rolex oder Victorinox, unterstreichen diesen Befund. In Dänemark sind sogar die meisten wichtigen Unternehmen, etwa Novo Nordisk, Carlsberg oder Maersk, in der Hand von Unternehmensstiftungen.
Kruder, staatsgläubiger Ansatz der Erbschaftssteuerinitiative
Es ist ein Verdienst der Erbschaftssteuerinitiative, dass sie das Thema der Vererbung grosser Vermögen aufs Tapet bringt. Ihr kruder staatsgläubiger Ansatz sowie die Vernachlässigung zentraler Fragen ihrer Umsetzung wirken dagegen disqualifizierend. Unbeachtet bleiben beispielsweise die Auswirkungen der vorgeschlagenen Erbschaftssteuer auf unternehmerische Anreize oder die Existenzgefährdung erfolgreicher Familienunternehmen bei einer Steuerlast von 50 Prozent. Ein Steueraufschub bis zum Verkauf des Unternehmens wäre hier eine denkbare Lösung gewesen. Eine wichtige, unbeantwortete Frage ist auch diejenige der Steuerbefreiung im Fall der Wahl von Stiftungslösungen.
Stimmbürger, welche die Gefahr neuer Erbdynastien anerkennen, die volkswirtschaftlichen Risiken einer Annahme der Erbschaftssteuerinitiative jedoch ebenfalls, müssten somit eigentlich Nein stimmen. Weil aber praktisch sicher ist, dass eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung – und schon gar eine Mehrheit der Stände – die Initiative ablehnen wird, bietet sich eine Alternative an. Wer möchte, dass das zunehmend wichtige Thema der Übertragung sehr grosser Vermögen auf nächste Generationen politisch am Leben bleibt, kann ein taktisches Ja in die Urne legen. Er kann damit dazu beitragen, dass diese gesellschaftspolitisch zentrale Frage dank eines hohen Ja-Stimmen-Anteils Aktualität behält. Damit besteht die Aussicht, dass sie in Zukunft auf der Basis besser durchdachter Vorlagen erneut diskutiert wird.
Karl Hofstetter ist Titularprofessor für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich.
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