Der Ex-GemeindepräsidentEr provozierte China und verliess Thalwil vor Amtsende
Märk Fankhauser erlebte während seiner acht Jahre als Gemeindepräsident Buhrufe und Kurioses. Nun ist der Gemeindevater zurückgetreten und ins Nachbardorf gezogen.

Im März 2019 erzürnte Thalwil die Volksrepublik China.
Was war passiert? In der gemeindeeigenen Pfisterschüür hatte ein Anlass der Schweizer Tibeter-Gemeinschaft stattgefunden. Ein Botschafter von Tibets Exilregierung hielt vor rund 50 Delegierten eine Abschiedsrede. Auch Märk Fankhauser (FDP), Thalwils damaliger Gemeindepräsident, trat auf. Als Zeichen der Wertschätzung liess er zudem vor dem Gemeindehaus die Flagge Tibets hissen.
Postwendend schaltete sich das chinesische Generalkonsulat in Zürich ein: Der Generalkonsul und sein Vize kreuzten im Gemeindehaus auf, wo sie Fankhauser eine zwei A4-Seiten lange Protestnote vorlasen und deponierten. Aus Sicht der chinesischen Volksrepublik, die Tibet für sich beansprucht, habe er als Schweizer Regierungsvertreter mehrere Übertretungen begangen. Unter anderem das Hissen der Flagge, so die Kritik.
Die Mehrheit war gegen ihn
Der Gemeindepräsident nahm es mit Humor. «Ich trage die Verantwortung, wenn die bilateralen Beziehungen zwischen dem Kanton Zürich und China scheitern», scherzte er damals, als er den Vorfall öffentlich bekannt machte. Weitere Konsequenzen hatte die Causa nicht. Das Internationale war ohnehin nicht Fankhausers Zuhause – seine Bühne war die Lokalpolitik.

Acht Jahre lang war der Transportunternehmer Gemeindepräsident von Thalwil, Ende Juni trat er zurück. Der Ur-Thalwiler, wie er sich selbst bezeichnet, absolvierte eine Ochsentour par excellence: 1989 stieg er in der Feuerwehrkommission ein, es folgte ein Sitz in der Schulpflege und später das Amt als Finanzvorstand. 2014 schliesslich setzte er sich im Kampf ums Präsidium überraschend gegen Gemeinderatskollege Andreas Federer (Die Mitte) durch. Dies, nachdem die meisten Exekutivmitglieder öffentlich für Federer warben.
«Volksnah zu sein, war mir immer wichtig.»
Lang ists her. Zeit für einen Rückblick auf eine Amtszeit, die wegen so manchem Ereignis in Erinnerung bleiben wird. Für das Gespräch nimmt Märk Fankhauser Platz auf einer Bank im Thalwiler Plattenpark, auch Eselipark genannt. Er hat den Ort bewusst gewählt. Hier führte er im Sommer 2019 eine Gemeindeversammlung unter freiem Himmel durch, im Stile einer Landsgemeinde. Obwohl sie nur über die Jahresrechnung abstimmen konnten, kamen mehr als 400 Leute, auch Zuschauer aus Nachbargemeinden. «Volksnah zu sein», sei das Ziel gewesen, sagt Fankhauser, «das war mir immer wichtig.»

Er habe für die Bürgerinnen und Bürger da sein wollen. Doch nicht immer hatte der Gemeinderat in Fankhausers Ära das Volk auf seiner Seite. Zum Beispiel in der Causa Blutbuche: Dass der Gemeinderat den Baum am Bahnhof nicht schützen wollte, brachte ihm viel Kritik ein und ein Gerichtsverfahren, in dem er unterlag. Auch die Gegner des Gestaltungsplans Talevo waren der Gemeinde gegenüber misstrauisch. Sie machten so viel Druck, dass die SBB das Bahnhofsprojekt zurückzogen.
Schliesslich scheiterte letztes Jahr an einer Gemeindeversammlung auch das wohl wichtigste Vorhaben: die Umgestaltung des Seeufers Bürger. Hatte der Gemeinderat die Wünsche der Bevölkerung aus den Augen verloren? «Nein», sagt Märk Fankhauser. «Wir hatten Generationenprojekte vor», doch sowohl bei Talevo als auch beim Seeufer hätten kritische Wortführer, die teils anonym agierten, «bösartige Unterstellungen gemacht und ihre Partikularinteressen durchgesetzt».
Das Interesse war zu gross
Die Niederlage beim Seeuferprojekt sei schade, sagt der 65-Jährige. Für einen kurzen Moment wirkt er nun nachdenklich. «Kritik habe ich aber nie persönlich genommen.» Selbst damals nicht, als er unter Buhrufen eine emotional aufgeladene Gemeindeversammlung vor deren eigentlichen Beginn abbrechen musste: Es wollten mehr Stimmberechtigte teilnehmen, als das Corona-Schutzkonzept der Gemeinde zuliess.

Unter die Leute hat sich Fankhauser aber immer gern gemischt: Egal, ob es darum ging, den über 90-jährigen Einwohnern mit Blumenstrauss zu gratulieren, durch die Chilbi zu schlendern oder das Konzert der Jungmusik zu besuchen. Eigentlich überraschend für einen FDP-Mann, dessen Ortspartei bei der Kulturförderung gern auf die Bremse tritt. Doch Fankhauser sagt im Stile eines Gemeindevaters: «Mich interessieren die Menschen und Anlässe der Thalwiler Vereine einfach.» In mehr als einem Dutzend Vereinen ist er Mitglied.
Er war anderer Meinung
Auch Gemeindeversammlungen liebt der Ex-Gemeindepräsident. Trotzdem hat er den Entscheid seines Gremiums mitgetragen, die GV zu schwächen, indem ihr durch die neue Gemeindeordnung Kompetenzen entzogen wurden. Doch bei manchen anderen Themen entsprach Fankhausers Meinung nicht dem Konsens des Gemeinderats, den er gegen aussen vertreten musste. «Ich war zum Beispiel gegen die Begegnungszone an der Gotthardstrasse.» Auch die stetige Zunahme an Tempo-30-Zonen findet er unnötig. Da ist er ganz auf Parteilinie.
Thalwils Entwicklung wird er nun ohnehin nur noch als Aussenstehender beobachten können. Denn schon seit März wohnt er nicht mehr hier. Seine Frau Bea und er suchten eine kleinere Mietwohnung. Gefunden haben sie eine in einem 300-jährigen Flarzhaus im Nachbardorf Oberrieden. «Wir haben immer etwas speziell gewohnt, darum entschieden wir uns spontan für diese Wohnung.»
Mehr Zeit fürs Alphorn
Seiner Heimat bleibt Märk Fankhauser trotzdem erhalten. Etwa als neuer Präsident des Ortsmuseums Thalwil. Auch für die Trainings der Männerriege hat er jetzt wieder Zeit. Daneben spielt er in einem Alphorntrio und singt in der Kantorei. Im August steht aber erst einmal eine Töffreise an die Nordsee an.
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