Coronakrise in BrasilienEr lehrt Bolsonaro das Impfen
João Doria nutzt als Gouverneur von São Paulo die Chance, sich vom impfskeptischen Staatspräsidenten Jair Bolsonaro zu distanzieren. Als nächstes will er das Amt seines ehemaligen Freundes.
Am Ende ist alles ganz schnell gegangen: Zunächst liessen die brasilianischen Behörden zwei Corona-Impfstoffe zu, nur Minuten später wurde die erste Brasilianerin immunisiert. Das geschah in einem Krankenhaus in São Paulo, vor den Augen der geladenen Presse - aber ohne den brasilianischen Präsidenten.
Statt seiner stand João Doria auf der Bühne, schwarzer Mundschutz, weisses Hemd, akkurate Frisur. Mag der Start der Impfkampagne ein Hoffnungsschimmer sein für Millionen Brasilianer, so ist er für Doria vor allem ein phänomenaler Sieg.
Er will Präsident werden
63 Jahre alt ist João da Costa Doria Júnior, seit 2019 ist er Gouverneur von São Paulo, Brasiliens bevölkerungsreichstem und wirtschaftsstärkstem Bundesstaat. Wenn alles glattgeht, dürfte es dabei aber nicht bleiben. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Doria mehr will, genauer gesagt ins Präsidentenamt.
Mit der Impfung dürfte er diesem Ziel einen Schritt näher gekommen sein. Fast 8,5 Millionen Brasilianer haben sich mit dem Coronavirus infiziert, mehr als 200’000 Menschen sind gestorben. Während Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro aber die Pandemie von Beginn an verharmloste, ergriff Doria in seinem Bundesstaat Massnahmen zur Bekämpfung des Virus und kümmerte sich zugleich mit Hochdruck um eine Impfung. So entstand eine Zusammenarbeit zwischen dem renommierten Butantan-Institut in São Paulo und dem chinesischen Unternehmen Sinovac.
Doria moderierte die brasilianische Version der Trump-Show «The Apprentice»
Sein Impfstoff Coronavac war es, der zu Wochenbeginn in den Arm einer 54 Jahre alten Krankenschwester gespritzt wurde, während Doria stolz daneben stand. Wie ein Politiker wirkte er dabei nicht, eher wie ein Firmenboss, der dem Rest der Welt gerade das neueste Produkthighlight präsentiert.
Tatsächlich war João Doria die längste Zeit seines Lebens vor allem Unternehmer. Er entstammt einer wohlhabenden Familie aus São Paulo. Der Vater war in der Politik, nach der Machtübernahme des Militärs in Brasilien 1964 mussten die Dorias darum das Land verlassen, zwei Jahre später kehrte die Mutter mit den beiden Söhnen zurück. Eine harte Zeit sei das gewesen, erzählte Joãos Dorias Bruder später in einem Interview, nicht einmal genug zu essen hätten sie gehabt.
Interviews aus dem Porsche
Doch die Not hielt nicht lange: Doria besuchte eine elitäre Privatschule, 1992 gründete er die «Grupo Doria» halb Eventagentur, halb Medienhaus. Doria war Gesicht des Unternehmens, bei Partys stand er gern im Rampenlicht, und als ein TV-Sender einen Moderator für die brasilianische Variante von der in den USA von Donald Trump moderierten Show «The Apprentice» suchte, holten sie Doria vor die Kameras.
Genauso wie der scheidende US-Präsident schaffte es auch Doria von der Showbühne ins Politikbusiness. 2016 wurde er zum Bürgermeister von São Paulo gewählt. Er startete eine PR-wirksame Stadtverschönerungskampagne. Seine Frau gab derweil aus ihrem Porsche Cayenne heraus Interviews.
Doria ist Mitglied der brasilianischen Sozialdemokraten PSDB. Einst linke Partei, ist sie heute stramm konservativ. Auch Doria selbst suchte als Politiker vor allem am rechten Rand nach Stimmen. 2018 stellte er sich hinter Jair Bolsonaro, in dessen Windschatten er sich zum Gouverneur von São Paulo wählen liess.
Doch dann kam das Coronavirus, Brasilien und seine Pandemie-Bekämpfung versanken in politischen Grabenkämpfen – und João Doria erkannte seine Chance.
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