John Whitaker: Mit 67 an der WeltspitzeEr gewann schon Medaillen, da waren seine Gegner noch nicht auf der Welt
Seit einem halben Jahrhundert springt John Whitaker mit seinen Pferden um die Medaillen. Jetzt startet er noch einmal an einer WM – zu seiner eigenen Überraschung.
Als John Whitaker von seiner Nomination für die WM in Herning erfuhr, reagierte er wie meistens – mit einer knappen Aussage: «Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal an einer WM dabei sein werde.»
Es war aber kein typisch britisches Understatement. Viel eher ein gesundes Mass an Realismus: Schliesslich war Whitaker vor 16 Jahren das letzte Mal bei einer WM angetreten und auch seine letzte Olympiateilnahme, von insgesamt sechs, liegt sechs Jahre zurück. Vor allem aber: Der Mann ist 67. In seinem Alter sind Spitzenathleten – in allen Sportarten – normalerweise längst im Ruhestand.
Der erfolgreichste Spross
John Whitaker hätte sich diesen längst verdient. Er ist untrennbar mit der britischen Pferdesporthistorie verbunden und eine lebende Legende, Träger der Auszeichnung «Most Excellent Order of the British Empire». Er ist der erfolgreichste Vertreter der vermutlich bekanntesten Pferdesportdynastie weltweit, in der John zusammen mit seinen Brüdern Michael, Steven und Ian in den 1960er-Jahren in Yorkshire im Norden Englands hobbymässig zu reiten begann. Heute sind mehr als 15 Mitglieder der Familie auf internationalem Niveau aktiv.
Viele Reiter bezeichnen John Whitaker als ihr Idol, vor allem wegen seines Instinkts, seiner natürlichen Art zu reiten, seines Siegeswillens und seiner Beziehung zu seinen Pferden. Auch für Steve Guerdat war er immer ein Vorbild, der Jurassier sprach in diesem Jahr gegenüber der «Pferdewoche» in höchsten Tönen vom Doyen der Szene: «Ich habe es schon geliebt, ihm zuzuschauen, als ich noch ein Kind war. Sein ‹Horsemanship› ist unerreicht. Ich glaube nicht, dass er weiss, was er genau richtig macht, er macht es einfach. Er spricht die Sprache der Pferde. Ich fühle mich manchmal immer noch wie ein kleiner Junge, wenn ich gegen ihn antreten darf.»
«Ich will Wettkämpfe bestreiten und werde dies tun, bis es nicht mehr geht.»
Der Schweizer Olympiasieger von 2012 war acht, als John Whitaker eine WM-Medaille im Einzel gewann. Das war 1990 in Stockholm mit dem unvergessenen Wunderschimmel Milton, mit dem er viele Medaillen und mehr als eine Million Euro Preisgeld gewann. Eine stolze Summe für die damaligen Zeiten. Bis heute ist Whitaker der letzte britische Reiter, der WM-Edelmetall im Einzel holte. Total hat er an Titelkämpfen zwei Dutzend Medaillen gewonnen.
Den Spass und den Hunger hat der verheiratete dreifache Familienvater in all den Jahren nie verloren, und das ist es auch, was ihn weiter antreibt: «Ich reite einfach enorm gern und messe mich mit Konkurrenten, auch viel jüngeren.» Sein Geheimnis für die ewige Jugend sei gar keines, hatte er vor Jahren einmal gegenüber CNN erklärt: «Ich bin einfach verbohrt und stur. Ausser dem Reiten mache ich kein Fitnesstraining, aber ich bin immer beschäftigt und nicht faul. Meine Familie weiss, dass es nichts bringt, wenn sie mir sagt, ich solle kürzertreten. Ich will Wettkämpfe bestreiten und werde das tun, bis es nicht mehr geht.»
In die lange Liste seiner Spitzenpferde reiht sich nun auch Unick du Francport. Whitaker sieht den 14-jährigen Wallach, der seiner Frau gehört, als Hauptverantwortlichen dafür, dass er ein weiteres Stück ewige Jugend erlangt hat: «Dank ihm dauert meine Karriere nun etwas länger. Er hat mir so viel gegeben und wir harmonieren sehr gut.»
«Es könnte eine lange Woche werden»
In Herning wird er bei der Vergabe der WM-Medaillen und der ersten fünf Quotenplätze für die Olympischen Spiele in Paris nur zum Einsatz kommen, wenn Aussergewöhnliches passiert. Er wurde für die hochkarätige Equipe mit Ben Maher, Joe Stockdale, Harry Charles und Scott Brash als «travelling reserve» aufgeboten.
Egal, ob im Parcours oder nicht, John Whitaker wird mit ganzem Herzen dabei sein: «Es könnte eine sehr lange Woche für mich werden, aber man weiss nie, ob etwas schiefgeht und sie mich brauchen. Ich werde in jedem Fall alles für das Team geben.» Es ist klar: Seine Leidenschaft für den Pferdesport, sie brennt auch im Rentneralter noch immer.
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