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Telegram-Gründer Pawel Durow
Er bezeichnet sich selbst als «Teilzeit-Troll»

Hat eine Vorliebe für provokante Aktionen: Telegram-Gründer Pawel Durow auf einer Konferenz in den USA im Jahr 2015.
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Durch den Monitor seiner Gegensprechanlage beobachtete er die russische Sondereinheit. Rund eine Stunde lang standen sie schwer bewaffnet vor seinem Haus. Dann hätten sie aufgegeben, erzählte Pawel Durow, 36, in einem seiner raren Interviews vor einigen Jahren der «New York Times». Der Russe Durow ist der Entwickler des Messengerdienstes Telegram, die Episode mit der russischen Sondereinheit sei die Initialzündung für die App gewesen. Ihm sei während der bangen Momente klar geworden, dass er einen geheimen Kanal brauche, um mit seinem Bruder zu kommunizieren. Sein Bruder, ein Mathegenie, programmierte schliesslich das Gerüst von Telegram, Durow übernahm die Organisation und Vermarktung. 2013 war der neue Messengerdienst auf dem Markt.

Wie bei vielen Episoden über den Telegram-Gründer weiss man nicht genau, wie viel Wahrheit und wie viel bewusste Legendenbildung in der Geschichte steckt. Klar ist, dass der Russe in seinem Heimatland einst ein Pendant zu Facebook entwickelt hatte und mit diesem Dienst VKontakte ein Vermögen verdiente. Als es Ende 2011 zu Demonstrationen gegen Putin kam, weigerte sich Durow, Protestgruppen zu schliessen, die sich auf VKontakte organisierten. Als Folge dessen hätten ihn die Spezialtruppen besucht. Auch beim Ukraine-Konflikt 2013 verweigerte er die Zusammenarbeit mit dem russischen Geheimdienst. Kurz darauf verliess er das Land.

«Darknet für die Hosentasche»

Heute steht sein Dienst stark in der Kritik. Als «Darknet für die Hosentasche» bezeichnet der Spiegel Telegram, als «Bedrohung für die digitale Öffentlichkeit» die «Süddeutsche Zeitung» oder als «Lieblings-App von Jihadisten» die «Washington Post». Während die App in diktatorisch regierten Ländern wie Belarus noch immer als wertvolles Werkzeug der Opposition gilt, ist sie im Westen als Tummelplatz von Verschwörungstheoretikern, Drogenhändlern, Terroristen und Rechtsextremen berüchtigt. Auf Telegram sind Gruppen mit bis zu 200’000 Mitgliedern möglich, posten kann jeder, was er möchte.

Durow widersetzte sich bis vor kurzem den meisten Regulierungsversuchen. Was ihn dabei antreibt, darin sind sich Beobachter nicht ganz einig. Ob es marktwirtschaftliches Kalkül ist, die Suche nach Aufmerksamkeit oder der Glaube an absolute Meinungsfreiheit. Er selbst bezeichnet sich auf seinem Twitter-Profil als «Teilzeit-Troll».

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Aufgewachsen ist Durow in Italien und vor allem in St. Petersburg. Er lernte früh programmieren und hätte schon als Schüler einst alle Schulcomputer gehackt, aufgeblinkt seien dann Fotos seiner Lehrer mit der Botschaft «Muss sterben», wie ein russischer Journalist in einer Biografie schrieb. Später verglich sich Durow gerne mit Neo, dem Helden aus dem Film «The Matrix», trug konsequent schwarze Kleider und blieb bei seiner Vorliebe für provokante Aktionen. Aus dem Büro von VKontakte liess er einmal massenhaft Geldnoten regnen und freute sich über den Tumult, den er damit auslöste.

Firmensitz ist Dubai

Nach seiner Flucht aus Russland kaufte er sich den Pass einer Karibikinsel und lebte als globaler Nomade. Der offizielle Telegram-Firmensitz ist heute in Dubai, mehr als eine Briefkastenadresse soll es jedoch nicht sein. Auf seinem Instagram-Kanal inszeniert sich Durow gern mit gestählten Muskeln und nacktem Oberkörper.

Telegram spielte auch bei der Organisation des Sturms auf das US-Capitol im Januar eine Rolle. Zwölf Tage später schrieb Durow eine für ihn überraschende Botschaft: «Aufrufe zur öffentlichen Gewalt haben auf Telegram keinen Platz», hiess es auf Twitter. Beobachter vermuten jedoch, dass er nicht plötzlich sein Gewissen entdeckt habe, sondern dass ihn wirtschaftliche Überlegungen antrieben. So habe er schon im November 2020 Hand geboten, um islamistische Kanäle auf seiner Plattform zu schliessen. Denn sonst dürften keine Investoren ins Kapital von Telegram einsteigen. Geld ist am Ende auch Durow offenbar wichtiger als Meinungsfreiheit.