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Enfin Romy

Marie Bäumer als Romy in «3 Tage in Quiberon». Foto: Peter Hartwig / Rohfilm / PROKINO
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Das Interview dauerte länger als einen Tag, der Journalist liess dafür bereits am Vormittag Weisswein auffahren. Er wusste, dass der Alkoholkonsum die Gemütslage des Gegenübers auflockern würde, vielleicht auch verdüstern, auf jeden Fall würde er so seine Geschichte bekommen. Und tatsächlich standen dann im Artikel, der 1981 im «Stern» erschien, Sätze wie: «Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heisse Romy Schneider.»

Weniger als ein Jahr vor Romys Tod

«3 Tage in Quiberon» ist der Titel des Films über das letzte deutschsprachige Interview, das Romy Schneider gab. Es fand in einem Kurhotel auf der Bretagne-Halbinsel statt, wohin die Schauspielerin gefahren war, um sich zu entgiften. Sie entsagte dem Alkohol (wenn sie nicht dazu verführt wurde), sie liess sich pflegen (wenn sie nicht einfach auf dem Bett rauchte), sie genoss die salzige Luft (wenn sie sich nicht einsam in ihr Zimmer einschloss). Es ging ihr manchmal blendend, dann gleich wieder miserabel, nichts Aussergewöhnliches im Leben der Romy Schneider. Niemand konnte ahnen, dass sie zu diesem Zeitpunkt nur noch wenig mehr als ein Jahr hatte: Sie starb am 29. Mai 1982.

Beim Interview mit der Frau, die Romy Schneider spielt, ist alles ganz anders. Es findet an einem Wintertag im Berlinale-Palast statt, in einem Nebenraum des Hauses, wo der Film Premiere hatte. Das Gespräch dauert 20 Minuten, zu trinken gibt es Mineralwasser, stilles oder lautes, wie es hier heisst. Und Marie Bäumer sagt gleich zu Beginn: «Ich bin nicht Romy Schneider, und Sie sind nicht Michael Jürgs» – so hiess der spätere «Stern»-Chefredaktor, der damals das Gespräch führte.

Klar, ist die 48-jährige Schauspielerin, die 1995 mit «Männerpension» bekannt wurde, nicht Romy Schneider, aber die äusseren Ähnlichkeiten sind frappant. Deshalb hat Marie Bäumer eigentlich seit dem Karrierestart immer wieder Angebote ausgeschlagen, zum Beispiel in einem «Sissi»-Remake mitzuspielen. Aber nicht nur das: «Ich kann Ihnen gar nicht ­sagen, wie viele Geschichten ich über Romy Schneider erzählt bekam, die ich gar nicht hören wollte», sagt sie, es komme oft vor, dass jemand zu ihr trete mit den Worten: «Mensch, ich muss dir noch erzählen, ich habe Romy ja . . .» Sie antworte dann einfach mit «ja» oder «okay» oder «gut».

«Ich kann gar nicht sagen, wie viele Geschichten über Romy ich erzählt bekam»

Und doch. Jetzt hat sie Ja gesagt zu Romy, enfin, aber man solle sich nicht täuschen, ihr Leben habe nicht darin bestanden, Romy-Schneider-Angebote abzulehnen, sagt Marie Bäumer, «das ist mehr so ein Mediending». Ihre Bedenken seien vielmehr grundsätzlicher Natur, sie möge – «egal über wen» – keine Biografien, schaue sich solche Filme nicht gerne an, weil es angestrengt wirke, ein Leben in 90 Minuten zu verpacken. Ausserdem habe sie immer gesagt, und dazu stehe sie noch, dass die Interpretation einer Schauspielikone durch eine Schauspielerin nicht funktioniere: «Man kann damit nur gegen die Wand fahren, denn am Ende will das Publikum doch immer nur die Ikone sehen.»

Ja gesagt hat Marie Bäumer deshalb allein zu diesem aussergewöhnlichen Film, von dem ihr ein befreundeter Produzent erzählte: Vier Hauptpersonen, drei Tage, dazu die Landschaft der Bretagne, die zum fünften Protagonisten wird. Ein repräsentativer Moment im Leben der Romy Schneider, die in einer emotionalen Sackgasse steckt. Eine Regisseurin – die in Berlin lebende Französin Emily Atef – deren ersten Film sie kannte und schätze. «Am Ende war es für mich ein Projekt, mit dem ich mich total identifizieren konnte. Ich habe bis kurz vor Drehbeginn verdrängt, wen ich da überhaupt spielen sollte. Und erst dann gemerkt, dass ein Damoklesschwert über mir hängt.»

Marie Bäumer spielt die Rolle herausragend. Sie lacht wie Romy, sie raucht wie Romy, sie tanzt wie Romy. Und bleibt doch als Schauspielerin eigenständig. Klar hat sie sich das angeeignet, indem sie sich unzählige Filme und Videos ansah. Aber irgendwann sagte sie sich dann: «Jetzt ist Schluss, jetzt muss ich frei sein zum Spielen.»

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Bildstrecke: Die Karriere der Romy Schneider

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«3 Tage in Quiberon» ist schwarzweiss, wie die Fotos aus dem «Stern»-Interview. Die Aufnahmen der Actrice auf den charakteristischen Felsen der Insel oder im Bett hat Robert Lebeck geschossen (im Film gespielt von Charly Hübner), über den der Kontakt überhaupt erst zustande kam. Lebo, wie sie ihn liebevoll nannte, hatte Romy Schneider 1977 bei Dreharbeiten zur Heinrich-Böll-Verfilmung «Gruppenbild mit Dame» kennen gelernt. Die beiden hatten damals eine Nacht zusammen verbracht, er kam ihr nahe, indem er sie fotografierte, bis beide erschöpft ins Bett fielen (sonst sei nichts passiert, versicherte der 2014 verstorbene Fotograf in seinen Memoiren). Er wird in Quiberon begleitet vom kaltblütig kalkulierenden Journalisten Jürgs (Robert Gwisdek). Im Hotel wohnt auch eine österreichische Jugendfreundin (Birgit Minichmayr), die Romy eingeladen hat. Und die nun als Beschützerin und Blitzableiter fungiert.

Wieso gab Romy Schneider dieses Interview, bei dem sie eigentlich nur verlieren konnte? «Es war ihr schon fast verzweifelter Versuch, sich in Deutschland zu offenbaren», vermutet Marie Bäumer. Die deutsche Presse verzieh ihr nämlich nie, dass sie nach dem «Sissi»-Erfolg nach Paris abhaute. Ihre phänomenalen französischen Filme wurden in der Heimat ständig verrissen. Deshalb habe sie sich geöffnet, mutmasst Marie Bäumer. Romy sei in dieser Situation wie ein emotionaler Schwamm gewesen, «alles ging rein und raus». Und vieles landete am Ende im «Stern».

Gibt es Dinge, die Sie mit Romy Schneider verbinden, Frau Bäumer? «Das ist eine Frage, die ich mir nie stelle», antwortet sie sofort. «Ich bin mit Brecht erzogen worden, das heisst, ich beschreibe meine Figur nur.» Natürlich werde jetzt, da sie eine Schauspielerin spiele, einiges an sie herangetragen – «Sie leben ja auch in Frankreich!» – und das Einzige, was sie antworten könne, sei, dass Romy Schneider in dieser Phase kein inneres und kein äusseres Zuhause mehr hatte. Es sei aber unendlich wichtig, in diesem Beruf eine solide Basis zu haben. Sie selber hat diese in der Nähe von Avignon gefunden, wo sie wohnt.

«Ich habe bis kurz vor Drehbeginn verdrängt, wen ich da überhaupt spielen sollte»

Romy habe das offensichtlich nicht gehabt, sie sei mit 14 Jahren in die Öffentlichkeit katapultiert worden wie ein Popstar, «von der Mutter vielleicht noch ein wenig rausgeschoben», habe als junge Schauspielerin nicht gelernt, auf ganz simple Grundbedürfnisse wie Ruhe, Essen, emotionalen Schutz zu achten. Es sei wichtig, sich in diesen Jahren eine solide Pyramide zu schaffen: «Bei ihr stand diese auf der Spitze. Jeder kleine Moment von aussen hat das Ganze zum Wackeln gebracht.»

Der Fotograf Lebeck formulierte das Dilemma in seinen Erinnerungen so: «Wir wollten ein Interview, sie wollte ein Gespräch. Sie brauchte Halt, ich brauchte Fotos.» Es sind einige der schönsten Aufnahmen dabei, die es von Romy Schneider gibt. Beim ausgelassenen Spiel mit der Kamera auf den Felsen von Quiberon – sie wollte fröhliche Bilder für Deutschland – brach sie sich allerdings den Fuss. Natürlich dachten alle, sie übertreibe wieder. Aber sie bekam tatsächlich einen Gips verpasst. Musste die bereits anberaumten Dreharbeiten verschieben (wegen Geldsorgen filmte sie ununterbrochen). Und verbrachte ein paar ruhige Tage mit ihrer Tochter in Paris.

Damit endet der Film. Aber viele wissen, was danach passierte: Ein paar Monate später stürzte ihr 14-jähriger Sohn beim Spielen im Garten in die Eisenspitze eines Zauns und starb. Ein Jahr später wurde Romy selber tot an ihrem Schreibtisch gefunden. Der Arzt konstatierte einen natürlichen Tod: Herzversagen.

Das schwingt alles mit in «3 jours à Quiberon». Es ist die Stärke des Films, dass er sich auf diese drei Tage konzentriert. Man sieht gleichzeitig Romy Schneider. Marie Bäumer. Und eine zutiefst verunsicherte Frau am Wendepunkt ihres Lebens.

«3 Tage in Quiberon»: seit 12. April im Kino