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Meinung

Analyse zum Ende der Maskenpflicht
Endlich haben wir wieder ein Gesicht

Weg mit der Maske! An vielen Orten dürfen wir jetzt den Mundschutz ablegen.
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Wir hatten uns daran gewöhnt, diese Maske umzubinden, mit ihr herumzulaufen und durch sie hindurchzuatmen. Sie immer wieder hervorzuholen, wenn wir einen Bahnhof betraten, eine Beiz, einen Zug oder ein Büro.

Wir hatten uns gewöhnt, aber damit fertig wurden viele von uns nicht. Es war eine deprimierende Erfahrung in den letzten beiden Jahren, dass man dauernd Leuten mit halbem Gesicht begegnete. Auch wenn es schwer zu benennen war, breitete sich mit der Zeit ein Gefühl der Resignation aus, der schleichenden Apathie. Wie kann Fröhlichkeit aufkommen, wenn man niemanden mehr lachen sieht?

«Wir tragen immer eine Maske. Das jedenfalls befand C.G. Jung, der weltberühmte Schweizer Psychiater.»

Das wurde mir bewusst an diesem ersten Morgen ohne Maskenpflicht. Die Leute, die mir entgegenkamen, wirkten wie befreit. Auf die Gefahr einer Überdosis Kitsch hin wage ich die Formulierung: Es schien mir, als sei jedes Gesicht wie eine Sonne aufgegangen.

Zeigen wir jetzt wieder unser wahres Gesicht? Nein, das tun wir nicht. Denn wir tragen immer eine Maske. Das jedenfalls befand C.G. Jung, der weltberühmte Schweizer Psychiater. Er sprach von unserer «Persona», den Begriff lieh er sich aus dem Lateinischen aus. Das Wort meint die Maske des Theaterschauspielers. Die Persona sei eine Maske, schrieb Jung, «die andere und einen selber glauben macht, man sei individuell». Dabei spielten wir alle nur eine Rolle. Wir glaubten zu wissen, wer wir sind. Und lebten in Illusion.

Jung hatte recht. Was wir anderen zeigen und sogar uns selber, ist nicht immer unser wahres Ich. Wir sind in der gesellschaftlichen Konvention erstarrt und merken es nicht. Jeder von uns hat Seiten, die er verbirgt oder verdrängt. Darum tragen wir immer eine Maske: Weil wir eine Maske sind.

Aber wenigstens haben wir jetzt wieder ein Gesicht.