Fussball-NationalteamYakins Spagat zwischen Trauer und Fussball
Nach dem Tod seiner Mutter richtet Nationalcoach Murat Yakin den Fokus auf den Schlussspurt in der EM-Qualifikation. Das macht er, indem er mit schönen Worten den jüngsten Kritiken begegnet.
«Es geht weiter», sagt Murat Yakin. Er sagt es immer wieder und manchmal auch in der Variante, dass das Leben weitergeht.
Yakin sitzt im Sitzungszimmer des Schweizerischen Fussballverbandes in Muri BE. Es ist Freitagmorgen, und drei Tage liegt die Nachricht zurück, dass seine Mutter in einem Basler Spital gestorben ist. 89-jährig ist Emine Yakin geworden. Yakin tritt an die Öffentlichkeit, um das Kader für die drei verbleibenden Spiele in der EM-Qualifikation bekannt zu geben.
Das ist sein Spagat, den er in diesen Tagen bewältigen muss. Auf der einen Seite ist diese Trauer um eine Frau, die als Mutter der Fussballer Murat und Hakan Yakin schweizweit bekannt geworden ist. «Wir kennen sie ja», sagt Murat, «die Mutter ist eine wichtige Person in unserer Kultur. Sie hat uns enorm unterstützt, sie hat uns in jeder Beziehung grossgezogen, sie hat eine grosse Familie grossgezogen.» Bis zum letzten Moment der Erlösung haben er und seine Geschwister bei ihr sein dürfen. Nur Hakan und zwei weitere Brüder fehlten.
Die Familie Yakin-Irizik ist gross, acht Kinder von zwei Männern hat Emine gehabt. Das hilft jetzt, weil Yakin in dieser Grösse auch eine Stärke sieht, um mit dem Verlust umgehen zu können. «Wir müssen das akzeptieren, wie es ist», sagt er, «und wir haben es akzeptiert.» Was er spürt, ist ein Gefühl der Dankbarkeit für das, was sie alle von ihr gelernt hätten. Sie sei nicht nur Mutter gewesen, sondern auch Fussballfan.
Drei Spiele innert sieben Tagen
«Es ist trauriger Moment», hat Yakin gleich in seiner ersten Antwort gesagt. Aber nur zwei Sätze später richtet er den Blick auf die andere Seite des Spagats. «Der Fokus liegt klar auf dem, was die Zukunft betrifft.» Die Zukunft, das sind diese drei Spiele in Ungarn gegen Israel, in Basel gegen Kosovo und in Bukarest gegen Rumänien, die innert sieben Tagen anstehen, vom 15. bis zum 21. November.
Es ist der Schlussspurt mit einer Sonderbelastung, wie sie die Spieler normalerweise nur von ihren Clubs kennen. Und es geht um viel, um nichts anderes als um die Qualifikation für die EM im kommenden Sommer. Die Schweizer liegen im Moment auf Platz 2, nur auf Platz 2, und das bringt sie mehr unter Druck, als sie sich das selbst vorgestellt haben. Im Rücken lauert Israel.
Nach einem sicheren Start mit drei Siegen haben die Schweizer angefangen, Punkte zu verschenken: nur 2:2 gegen Rumänien nach einem 2:0, nur 2:2 in Kosovo trotz zweimaliger Führung, nur 3:3 gegen Weissrussland trotz eines 1:0. Gerade die Spiele in Kosovo und zuletzt gegen Weissrussland haben die Kritiken laut werden lassen. Die Leistung in Pristina war miserabel, gegen Weissrussland stolperte die Schweiz nach einem späten 1:3 fast in eine monumentale Blamage.
«Wir sind eine Einheit.»
Keiner ist deshalb mehr in den Mittelpunkt geraten als Yakin. Schon wieder ist verhandelt worden, ob er eine Zukunft als Nationaltrainer haben kann. Und nicht zuletzt ist es um seine Beziehung zu Granit Xhaka gegangen, zum Chef der Mannschaft mit einer Macht, wie sie kaum ein Schweizer Nationalspieler je gehabt hat.
Mit ein paar Wochen Distanz sagt Yakin in die Journalistenrunde: «Ich weiss nicht, welche Informationen Sie haben. Ich spüre die Mannschaft. Ich weiss, welche Qualitäten sie besitzt, ich weiss, wie die Stimmung bei ihr ist. Also, wenn man die Spielweise sieht, macht es Freude, ihr zuzuschauen. Nach einem 1:3 ist es nicht selbstverständlich, mit so einer Dynamik zurückzukommen und das Spiel fast noch zu gewinnen. Das ist Ihre Arbeit, wenn die Resultate nicht stimmen, müssen wir die Kritik akzeptieren. Aber sicher nicht die Spielweise und die Stimmung – die stimmen mich extrem positiv.»
Als er mit seinem Monolog fast fertig ist, schiebt er eines nach: «Und ich spüre das Vertrauen der Chefs. Das ist das Einzige, was wichtig ist.» Die Chefs sind Verbandspräsident Dominique Blanc und Pierluigi Tami als Direktor der Nationalteams. Beide haben öffentlich bekundet, zu Yakin zu stehen. Yakin wiederum sagt, er brauche gar keine grossen Worte. Ihm reiche das, was er spüre. «Wir sind eine Einheit. Das ist positiv.»
Mit Xhaka hat er sich nach dem Match gegen Weissrussland ausgetauscht, um seine Meinung zu Spielweise und Aufstellung zu erfahren. «Klar, dass ich das mit ihm bespreche», sagt er. Alles gut mit ihm und Xhaka, vermittelt er als Botschaft zwischen den Zeilen.
Keine Schönheit, nur Punkte
Was immer Yakin an diesem Freitagmorgen sagt, hört sich ziemlich schöngefärbt an. Das ist zum einen sein Recht, zum anderen ist es verständlich, nicht unnötig böse Wortmeldungen abzusetzen. Schliesslich haben der Trainer und seine Spieler selbst die Möglichkeit, die Kritiken der letzten Wochen endgültig zum Verstummen zu bringen.
Verlieren die Israelis in Kosovo und auch gegen die Schweiz, ist alles bereits entschieden. Dann ist die Schweiz vorzeitig qualifiziert. Und selbst wenn sie noch auf den 3. Platz zurückfällt, bleibt ihr der Gang durch die Hintertür offen, die sich mit einem Playoff im März bietet.
«Es gibt nur eines», sagt Yakin, «die Qualifikation.» Und weil es nur darum geht, ist ihm auch nicht so wichtig, wie sie zustande kommt. Die Spiele müssen nicht schön aussehen. «Wir spielen nur resultatorientiert», stellt er klar.
24 Spieler hat er aufgeboten. Djibril Sow fehlt wie Cédric Itten und Jordan Lotomba auch. Dafür sind Nico Elvedi, Ruben Vargas und Noah Okafor wieder dabei. Filip Ugrinic gehört nach seinem Bekenntnis zur Schweiz zum Kader wie erstmals seit zwei Jahren auch Loris Benito. Es ist anzunehmen, dass Yakin sein Personal rotieren wird – auch auf der Goalieposition. Möglich ist, dass Gregor Kobel gleich zu zwei Einsätzen kommt. Nur ändert das für Yakin an einem nichts: «Yann Sommer bleibt die Nummer 1.»
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