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3:3 gegen Weissrussland
Schweizer Ratlosigkeit nach der Blamage

Switzerland's midfielder Xherdan Shaqiri reacts after the UEFA Euro 2024 qualifying group I soccer match between Switzerland and Belarus, on Sunday, October 15, 2023, at the Kybunpark stadium in St. Gallen. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
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Am Samstag sagt Granit Xhaka noch: «Ich möchte das Spiel geniessen. Es ist ein besonderer Tag.»

Und es wird ein besonderer Tag, aber nicht so, wie sich Xhaka das vorgestellt hat. Es geht nicht mehr um sein 118. Länderspiel, mit dem er den 32 Jahre alten Rekord von Heinz Hermann egalisiert.

Nein, es geht nur noch um das, was die Schweizer Nationalmannschaft gegen Weissrussland bietet. Um dieses 3:3, das wie eine Niederlage wirkt und einer Blamage gleichkommt. Einzig zwei Tore von Manuel Akanji in der 89. und von Zeki Amdouni in der 90. Minute verhindern gerade noch das Allerschlimmste.

«Man hat gesehen, dass nicht ganz alles stimmt», sagt Xherdan Shaqiri in einer ersten schnellen Aufarbeitung dieser Partie im St. Galler Kybunpark. Er umschreibt noch freundlich, dass eben in dieser Mannschaft ganz viel nicht mehr stimmt.

Statt durch die Gruppe I dieser EM-Qualifikation zu schweben, läuft sie auf einmal Gefahr, die Endrunde kommenden Sommer in Deutschland zu verpassen. Das wäre dann endgültig ein Rückschlag monumentalen Ausmasses.

Die Abwehr als wunder Punkt

5:0 hatte die Schweiz im März zum Start dieser Qualifikation das Auswärtsspiel gegen Weissrussland gewonnen. Ihr Auftakt in Novi Sad entsprach einem besseren Trainingsspiel und schien eine problemlose Kampagne einzuleiten. Zehn Siege in zehn Spielen hatte Xhaka als Ziel ausgerufen.

Sieben Monate später ist von Euphorie weit und breit nichts mehr zu spüren. Das 2:2 gegen Rumänien nach zwei Gegentoren in letzter Sekunde war der erste Rückschlag, das 2:2 in Kosovo nach einem Gegentor in der 94. Minute der nächste. Und auf das mühsame 3:0 gegen Andorra folgt nun also dieses Unentschieden gegen Weissrussland. «Sorgen?», fragt Xhaka am Fernsehen zurück, «Sorgen mache ich mir keine. Es ist nur schwer zu erklären.»

Die Ratlosigkeit ist greifbar bei den Schweizern, beim Captain, bei Shaqiri und auch bei Manuel Akanji. Gegen die Weissrussen dürften sie doch nicht drei Chancen dieser Art zulassen, sagt Akanji. Er trifft den wunden Punkt, der in dieser Mannschaft so offensichtlich geworden ist.

Als Murat Yakin vor zwei Jahren die Nachfolge von Vladimir Petkovic antrat, war die Verteidigung das Prunkstück. In den ersten sieben Spielen liess sie zwei Tore zu. Inzwischen ist sie verwundbar – und das auf einfachste Art. Nach den Rumänen und den Kosovaren zeigen das auch die Weissrussen.

Fabian Schär verhindert eine Flanke nicht, Ricardo Rodriguez passt in der Mitte nicht auf, Yann Sommer bleibt stehen. So fällt das 1:1 nach einer Stunde. Corner, wieder ist Rodriguez nicht aufmerksam, und Sommer reagiert absolut ungenügend auf einen Kopfball aus zwölf Metern. Das 1:2 in der 69. Minute zeigt sein Dilemma: Er hat kaum etwas zu tun, aber wenn es ihn brauchen würde, ist er nicht zur Stelle.

Es kommt noch schlimmer. Ein Pass in die Tiefe genügt in der 84. Minute, um eine Abwehr auszuhebeln, die genau genommen in diesem Moment gar nicht existiert. «Aus dem Nichts steht es 1:3», sagt Akanji. Konsternation macht sich im Stadion breit. Der Schweiz bleibt nichts anderes übrig, als verzweifelt alles nach vorne zu werfen. Shaqiri hebt einen Freistoss vors Tor, Akanji drückt den Ball über die Linie. Xhaka hebt den Ball in den Fünfmeterraum, Amdouni gelingt im Nachsetzen der Ausgleich.

Der Gegner macht sich danach zu einem letzten Konter auf, Akanji kann den Ball gerade noch in Corner retten. Dann ist das Spiel fertig. Und Shaqiri stellt fest: «Gegen solche Mannschaften muss man Winnermentalität zeigen. Was soll ich mehr sagen?»

Zu viele Ausfälle

Dabei haben die Schweizer gewusst, was mit diesen Weissrussen auf sie zukommt, sie haben im Vorfeld Geduld angemahnt. Das Spiel wird für sie von der ersten Minute an zur zähen, mühsamen Arbeit. Sie prallen auf einen Gegner, der seinen Strafraum regelrecht zumauert.

Umso wichtiger ist es, dass sie nach einer halben Stunde den Bann brechen und in Führung gehen. Nach vielen erfolglosen Anläufen braucht es ein Tor, wie es Shaqiri schon oft erzielt hat: Er dreht den Ball aus 20 Metern in die entfernte Ecke. Ein kleines Kunstwerk soll die Basis zum sicheren Sieg sein.

Yakins Mannschaft rennt weiter an, aber sie macht es nicht gut. Jordan Lotomba als stürmender Rechtsverteidiger ist eine Fehlbesetzung und nicht in der Lage, selbst aus besten Positionen eine saubere Flanke zu schlagen. Renato Steffen ist am linken Flügel ebenso eine Fehlbesetzung. Cédric Itten rechtfertigt seine Nomination nicht, Djibril Sow ebenso wenig.

Xhaka ist viel am Ball, er will ordnen, und zweimal schiesst er recht gefährlich aus der Distanz. Es ist aber bei weitem nicht das beste Spiel seiner Karriere. Zwanzig Meter vor dem Tor verliert er in einer Druckphase den Ball und verschuldet den Konter, der schliesslich das 1:2 zur Folge hat, «wir bekommen zu einfache Tore», stellt er später fest.

Und noch eines ist festzuhalten: Die Mannschaft hat sich mit einer Führung im Rücken halt schon wieder zu sicher gefühlt, wie gegen Rumänien und in Kosovo. Auch Yakin ist das nicht entgangen. Gleichwohl gibt er sich Mühe, den Glauben an die Mannschaft hochzuhalten. «Wir sind noch immer auf Kurs», sagt er, «die Harmonie stimmt, die Spielweise, wir schiessen Tore.»

Dass er in diesem Moment das Positive sucht, kann verstehen, wer will. Es ist der normale Reflex eines Trainers, dem eine solche Leistung schwer auf dem Magen liegen muss. Jedenfalls besteht dringend Handlungsbedarf, dass seine Mannschaft wieder zu Ordnung und Sicherheit findet. Denn in dieser Verfassung gefährdet sie alles.