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Drama um den Superstar
Ronaldo motzt, dirigiert, hadert – und weint bittere Tränen

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Seit 22 Jahren dürfen wir Cristiano Ronaldo jetzt schon beim Fussballspielen zuschauen. Seit dem Sommer 2002, als er zu den Profis von Sporting Lissabon aufstieg. Und eigentlich hatte man ja das Gefühl, man hätte von ihm so langsam alles gesehen. 

Ronaldos breitbeinige Pose vor jedem Freistoss? Kennen wir. Dieses nervige «Siuuu» nach seinen Toren? Sieht man auf jedem Bolzplatz. Ronaldos Jubel mit entblösstem Oberkörper? Klar! Ronaldo beim Fallrückzieher, drei Meter über der Grasnarbe? Nichts Neues! Ronaldo mit irgendeinem Pokal in der Hand? Logisch, hat ja fast alles gewonnen, der Kerl! Ronaldo als Assistenztrainer, der Portugal zum EM-Titel treibt? Selbst das gab es schon! 

Aber Ronaldo wäre nicht Ronaldo, wenn er im Alter von 39 Jahren nicht noch ein paar Bilder im Angebot hätte, die die Welt von ihm noch nie gesehen hat.

Im EM-Achtelfinal gegen die Slowenen steht er auf dem Rasen des Frankfurter Stadions und die Tränen laufen ihm übers Gesicht. Ronaldo, der doch in seiner Karriere fast immer nur gewonnen hat, plötzlich auf der Seite der Verlierer. Die Teamkollegen nehmen ihn in den Arm, klopfen ihm auf die Schultern, muntern ihn auf. Das haben sie wohl auch noch nie erlebt: Dass ein Mitspieler weinend auf dem Rasen steht – dabei ist die Partie weder verloren noch beendet.

Das kann nur einer! Nach dem Match sagt er: «Das ist mir selten passiert, deshalb war ich wahnsinnig traurig und musste weinen. Jetzt bin ich aber sehr glücklich.»

In der Halbzeit der Verlängerung rollen Cristiano Ronaldo nach seinem verschossenen Elfmeter die Tränen übers Gesicht.
Drama mit Happy End: Trotz eines vergebenen Penaltys in der Verlängerung setzt sich Portugal gegen Slowenien durch – auch dank eines verwandelten Ronaldo-Elfmeters.

Ronaldos Karriere neigt sich dem Ende entgegen, die EM in Deutschland dürfte wohl sein letztes grosses Turnier sein. Den sportlichen Ruhestand hat er mit dem Transfer nach Saudiarabien ja längst eingeläutet. Und am Montagabend wirkt es so, als wolle er die Emotionen seiner gesamten Karriere noch mal in ein einziges Spiel pressen.

Am Anfang kriegen wir den gewohnten Ronaldo: Er dirigiert seine Mitspieler, fordert den Ball, verwirft die Hände, nervt sich über zu wenig Bewegung. Bei den Freistössen schaut er in den Himmel, bläst die Backen auf, nimmt Anlauf – und schiesst mal wieder drüber oder in die Mauer oder zentral auf den Torhüter. Mit der Zeit werden seine Gesten immer verzweifelter. 

Der Höhepunkt dann in der Verlängerung, als Portugal in der 105. Minute einen Elfmeter bekommt und – klar – Ronaldo sich den Ball nimmt. Doch Jan Oblak hält und in der Halbzeit fliessen die Tränen nicht nur bei Ronaldo auf dem Rasen, sondern auch bei seiner Mutter auf der Tribüne. Ein Drama in weit mehr als drei Akten – denn am Ende zeigt er trotzdem sein Cristiano-Ronaldo-Strahlen.

epaselect epa11451348 Cistiano Ronaldo of Portugal (L) gestures after failing to convert a penalty against Slovenia goalkeeper Jan Oblak during the UEFA EURO 2024 Round of 16 soccer match between Portugal and Slovenia, in Frankfurt Main, Germany, 01 July 2024.  EPA/MOHAMED MESSARA

Portugal gewinnt im Penaltyschiessen, weil nicht nur Ronaldo dieses Mal die Nerven im Griff hat und vom Punkt trifft, sondern auch Bruno Fernandes und Bernardo Silva. Torhüter Diogo Costa hält alle Elfmeter des Gegners, was ihn in mehreren Statistiken auf den ersten Platz katapultiert. Noch nie hat ein Torhüter bei einer EM drei Strafstösse gehalten, noch nie hat ein Torhüter bei einer EM kein Tor im Elfmeterschiessen kassiert. Nach dem Match sagt er: «Das sind die grossen Momente im Fussball. Ich bin so glücklich, dass ich meiner Mannschaft helfen konnte.»

Diogo Costa, der bis sieben in Rothrist aufwuchs, ist also der grosse sportliche Held dieses Achtelfinals der Portugiesen. Aber so ist das nun mal, wenn man einen wahren Superstar als Mitspieler hat: Selbst der grösste sportliche Erfolg wird angesichts der Tränen eines Cristiano Ronaldo plötzlich ganz, ganz klein.