Im Packeis der AntarktisEines der berühmtesten Schiffswracks der Welt entdeckt
Für britische Wissenschaftler und Historiker hat sich ein Traum erfüllt: In den eisigen Wassern der Antarktis ist man auf die Endurance gestossen, die vor 107 Jahren im Packeis verschwand.
Die Endurance, der legendäre Dreimaster des Forschers Ernest Shackleton, war am vergangenen Wochenende von der britisch-südafrikanischen «Endurance22 Expedition» in 3000 Metern Tiefe aufgespürt worden. Es ist, nach den Worten des Expeditionsleiters Mensun Bound, «in einem brillianten Zustand – bei weitem das feinste Schiffswrack aus Holz, das ich je gesehen habe».
Und das nun alle Welt sehen kann, dank der bemerkenswerten Kameraarbeit der Meeres-Experten. In phantastischen Aufnahmen hat Bounds Team den Fund dokumentiert. Besondere Aufregung hat die Entdeckung dabei begreiflicherweise in Shackletons alter Heimat ausgelöst, wo das Schicksal der Endurance in jüngsten Jahren auf immer grösseres Interesse gestossen ist.
Der erste Mensch am Südpol
Denn ursprünglich, nach dem Untergang des Schiffes im Jahr 1915, hatte Shackleton noch im Schatten seines Landsmanns Robert Falcon Scott gestanden, der kurz zuvor im dramatischen Wettlauf zum Südpol dem Norweger Roald Amundsen knapp unterlag und dann mit seiner Mannschaft in Schnee und Eis unterging.
Dabei hätte Shackleton selbst, noch vor Amundsen, der erste Mensch am Südpol sein können. Bei einer früheren Expedition, im Jahr 1909, kam er dem Pol bis auf 150 Kilometer nahe. Weil er wusste, dass seinen Leuten der Proviant für den Rückmarsch nicht ausreichen würde, brach er die Expedition aber, in realistischer Einschätzung seiner Grenzen, ab.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Erst sehr viele Jahre später, als Nationalstolz nicht mehr alles war, begann man Shackleton und seiner damaligen Umsicht mehr Beachtung zu schenken. Tatsächlich war die Geschichte der Endurance die Geschichte einer geradezu unglaublichen Rettungsaktion. Geplant hatte Shackleton bei der Endurance-Expedition, die er im August 1914 startete, einen neuen Rekord – die erste Überquerung der Antarktis von einer Seite zur anderen.
Nach dem Untergang ihres Schiffs lebten Shackleton und seine Männer monatelang auf einer Eisscholle.
Das Schiff geriet aber schnell in Schwierigkeiten und wurde, vor der Nordküste der Antarktik, vom Packeis eingeschlossen. Von Januar bis Oktober 1915 sassen die 28 Expeditionsteilnehmer fest mit ihrem Segler. Sie richteten sich auf dem Eis nahe dem Schiff ein Camp ein und hofften auf Tauwetter. Das aber kam nicht. Stattdessen verschlang das Packeis letztendlich die Endurance und zog sie die Tiefe. Wo sie seither, offenbar weitgehend unversehrt, auf dem Meeresgrund liegt.
Nach dem Untergang ihres Schiffs lebten Shackleton und seine Männer monatelang in Zelten auf einer riesigen Eisscholle. Als die Scholle aber in Stücke brach, blieb ihnen nichts anderes übrig, als in die drei geretteten Begleitboote der Endurance zu springen. Durch tosende Stürme segelten und ruderten sie zu einer kleinen unbewohnten Insel namens Elephant Island. Auf dieser Insel – die an keiner Schiffsroute lag – setzte Shackleton den Grossteil der Mannschaft ab.
Immerhin gab es auf Elephant Island Robben, Pinguine und Seeelefanten, von denen man sich ernähren konnte. Eine kleine sechsköpfige Gruppe unter Shackletons Führung schlug sich alsdann in einem der Boote zum über 1000 Kilometer entfernten South Georgia durch. South Georgia war eine britische Besitzung im Südatlantik, auf der Walfänger eine Station unterhielten. Zuletzt musste Shackleton noch mit zweien seiner Begleiter, praktisch ohne Ausrüstung, über die Gebirgszüge von South Georgia klettern, um Stromness, die Ansiedlung der Walfänger auf der anderen Seite der Insel, zu erreichen.
Am Ende ihrer Kräfte waren die drei Ankömmlinge nun zumindest in der Lage, Hilfe für die anderen Mitglieder der Expeditionen zu organisieren und die drei auf der South-Georgia-Landestelle verbliebenen ebenso wie die 22 in Elephant Island abgesetzten Männer holen zu lassen. Einen «Willen ohnegleichen» habe Ernest Shackleton bewiesen, um sich und seine Mannschaft vor einem eisigen Tod zu retten, bescheinigten ihm die Chronisten jener Zeit.
Pioniergeist, Mut und menschlicher Zusammenhalt
Als Shackleton bei einer letzten Antarktik-Expedition Anfang 1922 einem Herzinfarkt zum Opfer fiel, und das ausgerechnet bei einem erneuten Aufenthalt auf South Georgia, bat seine Frau darum, dass er dort seine letzte Ruhestätte finden sollte. Mit dem Tod Shackletons sei damals die «Heldenära der Antarktik-Erforschung» zu Ende gegangen, schloss man im Vereinigten Königreich.
Die Erinnerung an jene Ära dürfte nun freilich der Fund der Endurance neu beflügeln, glauben die Forscher, die dem Schiff mit modernster Technologie und hochentwickelten U-Booten, aber auch den sehr präzisen Positionsangaben des Endurance-Kapitäns Frank Worsley auf die Spur kamen. «Es geht ja nicht nur um die Vergangenheit», meint Forschungsleiter Bound. Auch jüngeren Generationen könne die Geschichte der Endurance als Inspiration dienen, was Pioniergeist und Mut betreffe – und menschlichen Zusammenhalt.
Peter Nonnenmacher
Fehler gefunden?Jetzt melden.