Kritik an Wagenknecht nach Kundgebung«Wer einen Aufruf startet, der querfronttauglich ist, erntet Querfront»
Die Vize-Parteivorsitzende der Linken hat ihre Parteikollegin Sahra Wagenknecht nach deren Auftritt in Berlin scharf kritisiert. Insbesondere deshalb, weil sie Gleichsetzungen von Baerbock mit Hitler, wie sie zu sehen waren, nicht zurückgewiesen habe.
Friedenstauben auf Plakaten, der Ruf nach Verhandlungen mit Russland und einem Waffenstillstand im Ukraine-Krieg: Trotz Schneeregen und Kälte folgten am Samstag viele Tausend Menschen einem Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer zu einer Kundgebung in Berlin. Die Linke-Politikerin und die Frauenrechtlerin wollten damit ihre Forderungen aus ihrem umstrittenen «Manifest für Frieden» untermauern.
Die Polizei sprach nach der Veranstaltung am Brandenburger Tor von mehr als 13’000 Teilnehmern, der Veranstalter von 50’000. Der Protest stiess teilweise auf heftige Ablehnung, nicht nur, weil sich vereinzelt Rechte und Rechtsextreme unter die Teilnehmer mischten. Kritiker warfen Schwarzer und Wagenknecht Naivität und Irreführung vor.
Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck hatte bereits vor der Kundgebung scharfe Kritik an den Forderungen von Schwarzer und Wagenknecht geübt. Sie wollten etwas als Frieden verkaufen, das ein «imperialistischer Diktator» Europa aufzwinge, sagte er in der ARD. Wenn sich das durchsetze, wäre das eine Einladung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, die nächsten Länder zu überfallen. «Das ist kein Frieden, das ist eine Chimäre, die da aufgebaut wird, das ist eine politische Irreführung der Bevölkerung.»
670’000 Unterschriften für Petition von Wagenknecht
Im Vorfeld hatten sich zahlreiche prominente Politiker auch von SPD und Linken von dem Demo-Aufruf abgegrenzt. Auch der deutsche Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner hatten deutlich gemacht, dass sie die Überzeugung im «Manifest für Frieden» nicht teilten.
Die Mitte Februar von Wagenknecht gestartete Online-Petition unterzeichneten bis Sonntagmittag mehr als 670’000 Menschen. In ihr wird die deutsche Regierung aufgefordert, sich auf deutscher wie europäischer Ebene «an die Spitze einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen» zu setzen, statt weiter Waffen in die Ukraine zu liefern. Die Ukraine könne gegen die grösste Atommacht der Welt keinen Krieg gewinnen, heisst es darin. Verhandeln heisse, «Kompromisse machen, auf beiden Seiten».
Das sogenannte «Manifest für den Frieden» und die Berliner Kundgebung sorgten am Sonntag nochmals parteiübergreifend für Kritik. Selbst Teile der Linkspartei, der Wagenknecht angehört, gingen deutlich auf Distanz. «Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt: Wer einen Aufruf startet, der querfronttauglich ist, erntet Querfront», sagte etwa die stellvertretende Parteivorsitzende der Linken, Katina Schubert.
Bei der Demonstration seien auch zahlreiche Teilnehmer aus dem rechten und rechtsextremen Milieu anwesend gewesen. Es habe sicher sehr viele Menschen gegeben, die einfach für Frieden auf die Strasse gehen wollten und von prominenten Namen angezogen wurden, sagte Schubert: «Aber diese Demonstration hatte nichts mit linker Politik, gar mit linker Friedenspolitik zu tun.» Die Parteivize Schubert kritisierte Wagenknecht auch für die mangelnde Solidarität mit der Ukraine und die Verharmlosung des Kriegstreibers Wladimir Putin. «Die Täter-Opfer-Umkehr zog sich durch die Reden, soweit ich sie verfolgt habe.»
Von Russen-Panzern in Ukraine war keine Rede
Wagenknecht hatte in ihrer Rede unter anderem gesagt: «Wir wollen nicht, dass mit deutschen Panzern auf die Urenkel jener russischen Frauen und Männer geschossen wird, deren Urgrosseltern tatsächlich von der Wehrmacht auf bestialische Weise millionenfach ermordet wurden.» Von den russischen Panzern in der Ukraine sprach sie nicht. Ins Zentrum ihrer Kritik stellte sie Aussenministerin Annalena Baerbock. «Von all den grünen Panzernarren fühlen wir uns nicht vertreten», sagte Wagenknecht.
Schubert kritisierte: «Gleichsetzungen von Baerbock mit Hitler, wie sie unter den Teilnehmenden zu sehen waren, wurden nicht von der Bühne zurückgewiesen. In meinen Augen eine unfassbare Relativierung des Faschismus.» Schubert hat auch ein praktisches Interesse an guten Beziehungen zu den Grünen. Die Vorsitzende der Linken in Berlin sondiert derzeit über eine Neuauflage der rot-grün-roten Koalition. (afp/red)
Fehler gefunden?Jetzt melden.