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Staatschefs verweigern PCR-Test
Eine Reise mit Abstrichen

Zu Gast bei DNA-Dieben? Olaf Scholz auf dem Flughafen in Moskau. Den Abstrich für den obligatorischen PCR-Test nach der Ankunft liess der Kanzler von einer Ärztin der deutschen Botschaft nehmen.
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Bei der Münchner Sicherheitskonferenz fällt der US-Aussenminister tot um, dahingerafft von einem Virus, das genetisch auf ihn abgestimmt war. Das ist zum Glück keine Nachrichtenmeldung, sondern der Beginn eines Romans des österreichischen Schriftstellers Marc Elsberg aus dem Jahr 2016.

Vermutlich war es auch nicht dieses Horrorszenario, das den französischen Präsidenten Emmanuel Macron dazu veranlasst hat, kürzlich vor seinem Besuch im Kreml den russischen PCR-Test zu verweigern. Doch ein Regierungsmitarbeiter betonte, man könne nicht zulassen, dass Russland an die DNA des Präsidenten komme.

Nun hat auch Olaf Scholz auf das russische Wattestäbchen verzichtet. Stattdessen liess der deutsche Kanzler nach seiner Landung in Moskau den Test von einer Ärztin der deutschen Botschaft mit einem aus Deutschland mitgebrachten Gerät ausführen.

Die russischen Gesundheitsbehörden seien eingeladen worden, dabei zu sein, hiess es aus dem Umfeld des Kanzlers. Schon vor der Abreise waren der SPD-Politiker und seine Delegation dreimal negativ getestet worden.

Wladimir Putin und Olaf Scholz am 6-Meter-Tisch im Kreml.

Scholz mag vor allem politische Gründe für seine Entscheidung gehabt haben und weniger Angst vor DNA-Kontrollverlust. Dennoch bleibt – während der Kanzler am selben absurd langen Tisch im Kreml gegenüber von Wladimir Putin platznimmt wie neulich Macron – die Frage: Was könnte Russland überhaupt anstellen mit der Regierungs-DNA? Und hinterlassen Besucher nicht ohnehin jede Menge Spuren im Kreml: Speichel am Wasserglas, Haare an der Stuhllehne, Hautschuppen im Flur?

«Eigentlich dürfte es nicht schwer sein, da ein paar Haare zu finden», sagt Florian Schimikowski, der als Historiker im Deutschen Spionagemuseum in Berlin arbeitet. Bei einer Speichelprobe sei die Zuordnung jedoch deutlich klarer als bei einem Haar, das auch von einem Kreml-Mitarbeiter oder von jemandem aus dem Regierungstross des Staatsbesuchers stammen könnte.

Geheimdienste an Präsidenten-DNA interessiert

«Daten sind das neue Geld. Und DNA-Profile sind die sensibelsten und persönlichsten Daten, die man sich vorstellen kann», meint Schimikowski. Wenn jemand so prominente Daten wie die DNA eines Präsidenten anbieten würde, wären sicherlich viele Geheimdienste daran interessiert. «Das ist enorm wertvoll, so etwas auf Lager zu haben, wenn auch nur für die Zukunft.» 

Einige Geheimdienste seien schon immer an biometrischen Daten interessiert gewesen. In den USA sollen Berichten zufolge CIA und FBI Zugriff auf DNA-Datenbanken gehabt haben, denen Menschen freiwillig ihre Proben geschickt hatten, um zum Beispiel Ahnenforschung zu betreiben. In der DDR sammelte die Staatssicherheit Geruchsproben von Regimegegnern. Möglicherweise erhebe Russland solche Daten für zukünftige Zwecke, so Schimikowski.

Kein Corona-Test: Ein Polizist nimmt im November 2019 eine DNA-Speichelprobe. Zur Aufklärung eines Mordfall wurden alle Männer einer Ortschaft zum DNA-Test geladen.

DNA-Daten von hohen Politikern könnten theoretisch auf Erbkrankheiten oder die Herkunft ihrer Vorfahren untersucht werden, womit die Staatschefs erpresst oder Opfer von Propaganda werden könnten. Vorstellbar wäre auch, dass die Daten eingesetzt werden, um Politikern etwa eine Straftat oder eine aussereheliche Affäre unterzuschieben. Schon im US-Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 1800 versuchten politische Gegner Thomas Jefferson mit einer Sexaffäre und einem unehelichen Kind zu diskreditieren. Gut für Jefferson, dass erst fast 200 Jahre später eine DNA-Analyse die Gerüchte bestätigte.

Putin bringt seine eigene Tasse mit

«Wenn man davon ausgeht, die diplomatischen Kontakte brechen ab, der Krieg beginnt, und es wird mit schmutzigen Mitteln gespielt, dann könnte all das eine Möglichkeit sein», schliesst Schimikowski seine Aufzählung. «Doch konkrete Anlässe, weswegen sich Macron oder Scholz fürchten müssten, gibt es wenig.»

Putin selbst ist jedenfalls vorsichtig. Seit Beginn der Pandemie dürfen normalerweise nur Personen zu ihm, die zuvor 14 Tage in Isolation verbracht haben, und seine Mitarbeiter verbringen Medienberichten zufolge viel Zeit im Quarantänehotel. Schon beim G-20-Gipfel 2019 in Osaka, also vor der Ausbreitung des Coronavirus, brachte er offenbar sein eigenes Trinkgefäss mit. Fotos zeigen ihn, wie er mit der Thermotasse mit Trump anstösst, der Cola aus einem Weinglas trinkt. Putins Sprecher begründete dies damit, dass Putin eben andauernd Tee aus dieser Tasse trinke.

Trump trinkt Cola, Putin hat seine eigene Tasse dabei.

Auch beim Essen soll der russische Präsident übervorsichtig sein. «Ein Arzt und mehrere Vorkoster nehmen von allem, was wir zubereiten, eine Probe und analysieren sie», sagte die Wirtin eines Brauereigasthofs im bayerischen Dorf Aying im Jahr 2006 dem Münchner Merkur, bevor Putin dort mit dem damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber speiste. Nach dem Anschlag auf den Ex-Spion Sergej Skripal soll der russische Staatschef noch mehr Vorkoster engagiert haben, berichten Boulevardmedien.

«Putin war ja Geheimdienstler», sagt Schimikowski. «Er weiss, was alles möglich wäre.»