US-Techfirmen Tausende IT-Leute werden entlassen – das freut die Startups
Von Musk bis Zuckerberg: Die Chefs grosser Techunternehmen feuern Angestellte. Viele kleine Firmen reiben sich nach vielen harten Jahren nun die Hände.
«Wir haben wahrscheinlich eine Menge Leute, die nicht hier sein sollten», warnte Mark Zuckerberg im vergangenen Juni. Seither hat Meta - die Muttergesellschaft von Facebook, WhatsApp und Instagram - einen Einstellungsstopp verfügt und will nun erstmals in der Firmengeschichte auch Beschäftigte entlassen. Selbst wenn tausende von IT-Experten gehen müssen, dürften sie keine Mühe haben, eine neue Stelle zu finden. Dazu ist der Mangel an Software-Entwicklern und Daten-Analysten in den USA zu gross.
Meta ist der Erste der Tech-Riesen, der Entlassungen ausspricht. Das überrascht keineswegs, hatte Zuckerberg in den Corona-Jahren das Personal doch in nie gesehenem Ausmass ausgeweitet. Zwischen 2020 und 2021 bauten Meta, Amazon und Netflix ihr Personal um über 20 Prozent aus; Microsoft und Alphabet legten um elf und 16 Prozent zu. Die 500 grössten Firmen des Landes dagegen stellten im Schnitt nur drei Prozent mehr Leute ein. Zuckerberg plante, allein in der EU 10’000 Stellen zu schaffen, um sich den Traum der Ober-Atavar des Metaversums zu werden, zu erfüllen. Dieser Traum kostete bisher 15 Milliarden Dollar und brachte klägliche 200’000 Nutzer ein.
Zu riskante Investitionen verbunden mit dem wirtschaftlichen Abschwung zwingt die gesamte Branche, ihre Kosten zu senken. Das geht zulasten der Angestellten, sind sie doch der grösste Kostenpunkt der Branche. Dabei sind es nicht allein Tech-Riesen wie Meta, die bremsen müssen. Die Fintech-Unternehmen Better gab schon im Sommer mit 5000 Entlassungen den bisher grössten Abbau im Silicon Valley bekannt. Robinhood, die gehypte Börsenplattform, feuerte bereits 30 Prozent der Leute. Peloton, Hersteller von IT-vernetzten Sportgeräten musste auch schon über 4000 Leute entlassen, nachdem die Nachfrage zusammengebrochen war. Der E-Commerce-Konzern Carvana trennte sich von 2500 Angestellte, und Elon Musk feuerte 3700 Twitter-Angestellte, bevor er wieder einige einstellen musste.
Mangel an IT-Ingenieuren wächst
Die Wende von Musk ist bezeichnend und nicht überraschend. Ein Tech-Unternehmen kann nicht die Hälfte seines qualifizierten Personals verlieren, ohne die Substanz des Geschäfts zu gefährden. Zwar leiht Musk Tech-Experten von Tesla an Twitter aus, aber eine Lösung ist das nicht, wie die Tesla-Investoren zu Beginn dieser Woche zeigten. Sie machten ihrem Zorn über die Twitter-Eskapaden Luft, indem sie die Tesla-Aktien auf ein Jahrestief abstürzen liessen und den Marktwert des Autoherstellers innerhalb eines Jahres fast halbierten. Mieser steht nur Meta da. Der Konzern verlor wegen der Metaversum-Abenteuer von Zuckerberg drei Viertel des Marktwertes, gewann aber nach Bekanntwerden der Ausbaupläne sechs Prozent zurück.
Musk und Zuckerberg stehen vor einem Dilemma. Sie müssen die Personalkosten senken, wenn sie die Finanzlage stabilisieren und das Vertrauen zurückgewinnen wollen. Aber sie können nicht zu weit gehen. Der Arbeitsmarkt für Software-Entwickler und Datenanalysten ist angespannt. Nach Angaben der Arbeitsmarktbehörde der US-Regierung konnten Tech-Firmen bereits 2019 rund eine Million Stellen nicht besetzen. 2026 soll die Lücke auf 1,2 Millionen Stellen steigen.
Bis 2030 müssten gemäss der Behörde zusätzlich 22 Prozent IT-Ingenieure ausgebildet werden, um die Nachfrage zu stillen. Doch der Trend weist in die andere Richtung. Die Marktforschungsfirma Gartner sieht im Ingenieurmangel einer der grössten Risikofaktoren für die IT-Industrie in den kommenden Jahren. Denn nur 51 Prozent aller Mittelschulen bieten mindestens eine Computerklasse an; und Berufslehren für IT-Interessierte sind so gut wie nicht existent.
Startups springen in die Lücke
Der Mangel wurde durch die Covid-Lockdowns noch verschärft, wie US-Erziehungsminister Miguel Cardona kürzlich eingestand. Das Lernen von zu Hause am Computer und die jahrzehntelange Vernachlässigung der öffentlichen Schulen hätten einen unerhörten Schaden angerichtet, sagte er. Nur noch 26 Prozent der Grundschulabgänger erreichten letztes Jahr genügende Noten in Mathematik. Utah war der einzige Staat, in dem das Mathe-Wissen stabil blieb, da viele Familien ihre Kinder selbst ausbilden.
Bisher verloren etwas mehr als 50’000 Tech-Angestellte ihren Job. Das sind nach Berechnungen der Datenanalysefirma Crunchbase weniger als ein Prozent der knapp sechs Millionen Tech-Beschäftigten. Von einem Aderlass kann auch deswegen nicht gesprochen werden, weil junge und kleine Tech-Firmen in die Bresche springen. Sie hatten wegen der Dominanz der Tech-Giganten immer Mühe, Ingenieure zu finden. «Vor ein paar Jahren hatten wir keine Chance», sagt Kathy Zhu, Gründerin des Tech-Startups Streamline AI. «Nun können wir auswählen, wen wir einstellen wollen».
Auch Arya, ein Startup in New York, will die jüngste Investitionsrunde ins Unternehmen zur Einstellung von Personal verwenden. «Wir bekommen nun Bewerbungen von den FARANGs, die wir zuvor nie gesehen haben», sagte Firmengründer Kunai Sarda dem Wall Street Journal. Mit FARANG sind die alten Giganten Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google gemeint.
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