ZoomEine Kultur wird verschrottet
Der Niedergang der Autoindustrie in den USA treibt seltsame Blüten: Der Fotograf Francesco Merlini dokumentiert, wie in «Demolition Derbies» Autos zerstört werden.

«Sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, los» – so dröhnt es aus den Lautsprechern. Dutzende von bunten Wagen rasen los, stossen und krachen zusammen. Auf zum letzten Gefecht könnte man sagen: Bevor sie endgültig ausgemustert werden, hat man sie nochmals flott gemacht. Denn das einzige Ziel der «Demolition Derbies» ist die spektakuläre Zerstörung, die schliesslich in der Verschrottung der kaputten Autos gipfelt.


Dem unterhaltsamen, aber auch traurigen Spektakel wohnen Tausende von Zuschauern bei. Ihnen ist nicht selten eine emotionale Ergriffenheit anzusehen. Die Zeremonie des Niedergangs, vom Röhren der Motoren und dem Krachen des Blechs begleitet, scheint niemanden kalt zu lassen. Einst waren diese Autos der Stolz Amerikas und einer ganzen Kultur. Inzwischen sind sie blecherne Boten einer fremd gewordenen Vorzeit.
Der italienische Fotograf Francesco Merlini beschwört mit seinen Bildern eine Endzeitstimmung herauf, die an Science-Fiction-Filme wie «Mad Max» erinnert. Für seine in Schwarzweiss fotografierte Sozialreportage, mit der er 2019 begonnen hat, sucht er die vom Niedergang der Autoindustrie am stärksten betroffen Regionen der USA auf.




Die meisten der «Demolition Derbies» hat er in den Bundesstaaten des sogenannten «Rust Belt» angetroffen, die unter einem beispiellosen industriellen Niedergang leiden. So sollen allein im Staat Michigan mit seiner Hauptstadt Detroit, wo sich einst das Herz der Autoindustrie befand, in den Jahren 2000 bis 2009 über 800’000 Jobs verloren gegangen sein.
Merlinis Bilder dokumentieren, wie der Kult um das Auto, der nirgendwo sonst so gepflegt wurde wie hier – wo man die Autos nicht nur nutzt, sondern eben auch hergestellt und gut davon gelebt hat –, jetzt in befremdlichen Zerstörungsorgien endet. Auf uns Betrachter wirken die «Demolition Derbies» jedenfalls wie Begräbnisfeiern für eine ganze Kultur.









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