Eine Krise zum Abschied des SBB-Chefs
Der Abgang von Andreas Meyer wird überschattet vom Coronavirus. Er nimmts geduldig hin – und mahnt die Medien.
Es sei eigentlich eine Medienkonferenz wie jede andere zuvor, bemühte sich SBB-Chef Andreas Meyer um Normalität. Doch dem war nicht so. Denn einerseits war es sein letzter grosser öffentlicher Auftritt als CEO der Bundesbahnen. Andererseits wird dieser Auftritt von einer Krise überschattet, die seinen Abgang in den Hintergrund drängt.
Merklich gut gelaunt war Meyer trotzdem. Routiniert sprach er auf Deutsch, Französisch, Italienisch über das Coronavirus. Und er konnte der Krise gar Positives abgewinnen: Vielleicht sei es ja eine Chance, das Thema Digitalisierung verstärkt anzugehen, sagte er in Bezug auf etwa Homeoffice-Regelungen. Erst ganz zum Schluss, nach gut einer Stunde und als er die gefühlt 100. Frage zu Corona gestellt bekam, merkte man ihm seine Unlust an.
«Ach, wissen Sie, es ist immer etwas», sagt Meyer zur Tatsache, dass nun sein Abgang von der Berichterstattung zum Virus überdeckt wird. Und es ist tatsächlich immer etwas bei den SBB. In seiner 13-jährigen Amtszeit gab es Streik, Personalentscheide, die in die Hosen gingen, ein zu spät gelieferter Doppelstöcker, der so ziemlich jede Planung über den Haufen warf, am Ende Probleme mit der Pünktlichkeit und immer wieder Konfrontationen mit dem Personal wegen Restrukturierungen. Sein letztes Jahr war für die SBB ein schwieriges, geprägt etwa vom tragischen Tod eines Zugbegleiters, von unpünktlichen Zügen und Lokführermangel.
Das alles hat dazu geführt, dass Meyer sich in seiner Zeit als CEO immer wieder an den Medien abarbeitete. In einem Interview mit dieser Zeitung sagte er im vergangenen Herbst, dass er am wenigsten die Sonntagszeitungen vermissen werde, wenn er nicht mehr Chef der SBB sei. Bei anderen Gelegenheiten, etwa in einem Gespräch mit einer Publikation des Lokführerverbands (VSLF), sprach er ausführlich über die Rolle der Medien und kritisierte sie scharf.
Die Aussensicht auf sein Wirken an der Spitze der SBB schien und scheint ihn immer noch zu bewegen. Ausdrücklich bat er denn bei seinem letzten Auftritt darum, dass «die Medien Sorge tragen» sollen zu den Bundesbahnen.
Weniger Lohn zum Schluss
Ein Thema, das Andreas Meyer während seiner Amtszeit begleitete, war die Frage nach seinem Lohn und ob dieser in der Höhe gerechtfertigt sei. 2019 erhielt Meyer knapp eine Million Franken – die Boni-Zahlungen wurden ihm im Vergleich zum letzten Jahr allerdings zusammengekürzt, weil nicht alle Unternehmensziele erreicht wurden. Sein Salär war auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga ein Dorn im Auge. Entsprechend wollte sie es kürzen. Für Meyer kein Thema: In einem Interview mit dieser Zeitung sagte Meyer im September: «In den letzten Monaten sich noch den Lohn kürzen lassen habe ich nicht als angemessen empfunden.»
Es wird sich zeigen müssen, ob Vincent Ducrot als Meyers Nachfolger tatsächlich viel weniger verdienen wird. Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar sagte in einem Interview, dass der Fixlohn und die Boni zusammen 800'000 Franken betragen werden. Dazu kommen aber noch andere Zahlungen wie allfällige Einschüsse in die Pensionskasse. Maximal soll so eine Million erreicht werden. Da war Andreas Meyer in seinen Jahren als CEO nie viel drüber.
Emotionale Chefin
Nicht nur sein letzter grosser öffentlicher Auftritt wurde vom Coronavirus überschattet, auch seine interne Verabschiedung musste kurzerhand anders gestaltet werden. Statt dem traditionellen Kaderanlass wurde vergangene Woche ein Livestream geschaltet. Dabei ging es sehr emotional zu und her, wie Meyer sagte.
Ein kleines Müsterchen dieser Emotionalität lieferte Monika Ribar an der Medienkonferenz gleich selbst: Ganz zum Schluss ihrer Abschiedsworte versagte ihr kurz die Stimme, sie bekam feuchte Augen. «Ich bin ein emotionaler Mensch. Und es hätte noch schlimmer kommen können», lacht Ribar. Sie hätten sehr eng miteinander gearbeitet, entsprechend treffe sie dieser Abschied.
Was Meyer nach dem 1. April machen wird, ist noch unklar. Eines scheint klar: Mit einer gewissen Gelassenheit wird er in Zukunft die Sonntagszeitungen lesen können. Und doch wird er sich auch in Zukunft nerven, wenn aus seiner Sicht «SBB-Bashing» betrieben wird. Denn nach 13 Jahren lassen ihn die Bundesbahnen wohl auch künftig nicht kalt.
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