Erster Fanclub des Frauen-NationalteamsVon den Männern kamen statt Tipps nur Bedingungen
Zwei Arsenal-Fans aus Deutschland und England schwärmen für Lia Wälti und wollen einen Fanclub fürs Schweizer Nationalteam gründen. Dabei treffen sie auf Hindernisse.
Es gibt Antworten, die lassen eine Frage ziemlich schnell ziemlich dumm erscheinen. «Wir sind hier, oder?», antwortet Jennifer Dinges und lächelt. Zusammen mit Amy Owen sitzt sie in einem Kaffee in Auckland, Neuseeland.
Dabei wäre es gar nicht mal so abwegig gewesen, wenn die beiden jungen Frauen in Australien wären. Dinges nämlich ist Deutsche, Owen Engländerin – und ihre Nationalteams absolvierten ihre letzte Gruppenpartie in Brisbane beziehungsweise Adelaide. Aber eben, sie sind hier, im Nachbarland, das lässt die Frage nach ihren Prioritäten so albern erscheinen. Das Herz von Dinges und Owen schlägt in erster Linie für das Schweizer Nationalteam. Und mit dem haben sie Grosses vor.
Sympathie für Wälti – und den Underdog
Owen (23) und Dinges (25) sind Arsenal-Fans, dort ist die Verbundenheit mit den Fussballerinnen besonders gross. Dinges hat in einer Excel-Tabelle festgehalten, wann und wo die Arsenal-Profis für ihre Nationalteams spielen. Dank Lia Wälti steht auch die Schweiz auf dieser Liste, mittlerweile ist auch Noelle Maritz hinzugekommen. Damals aber, vor fast vier Jahren, da war es Wälti, die dafür sorgte, dass die Schweiz auch in Londoner Fankreisen auf dem Radar erschien.
Wir schreiben das Jahr 2019, die WM ist eben erst vorbei, sie hat in England einen ziemlichen Boom verursacht. So ist es neuerdings möglich, alle Spiele der englischen Liga per Stream zu verfolgen. Owen ist überrascht, wie gut Wälti spielt. Hinzu kommt die Sympathie für den Underdog, deshalb ist ihr die Schweiz noch sympathischer.
Ab sofort schaut sie die Schweizer Spiele, bald tauscht sie sich mit Dinges darüber aus. Die beiden haben sich online kennen gelernt, auf einer der viele Plattformen, auf denen sich Arsenal-Fans tummeln. Dinges wohnt in Mainz, fliegt ab und zu mal auf die Insel, um mit Saisonkarten-Inhaberin Owen Arsenal-Spiele zu besuchen. Eine Schweizer Partie sehen sie erstmals bei der EM 2022 zusammen. Sie sind negativ überrascht, als sie feststellen müssen, dass dort die Schweizer Fans nicht nebeneinander sitzen, sondern eher verteilt. Im Gegensatz zu den damaligen Gegnern Schweden und Holland, dort ist alles organisierter.
Es reift die Idee, gemeinsam mit einer Bekannten aus Genf einen Fanclub für das Frauen-Nationalteam zu gründen. Bei den Männern gibt es das schon längst, deshalb versuchen sie sich dort Hilfe zu holen. Das bringt herzlich wenig, statt Tipps erhalten sie Bedingungen: Sie sollen dem bestehenden Fanclub beitreten und sich damit verpflichten, jedes Länderspiel der Männer zu besuchen. Ein einseitiges Commitment: Nur drei der fünf Vorstandsmitglieder interessieren sich überhaupt für das Frauen-Nationalteam. Also schauen die Frauen weiter.
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Etwas Unterstützung erhalten sie immerhin von Tatjana Haenni. Die ehemalige Frauenfussballchefin beim Verband verspricht, das erste Mitglied zu werden. Owen und Dinges werden sich an die notwendige Vereinsgründung machen, sobald sie von der Weltmeisterschaft nach Hause kommen. Ihr grosses Ziel ist es, für die Europameisterschaft 2025 in der Schweiz bereit zu sein.
Jede Spielerin soll ihren Fansong erhalten
Bis dahin wollen sie auch ein paar Fansongs bereit haben, bei Arsenal hat jede Spielerin ihr eigenes Lied. Zu Ehren von Lia Wälti singen sie in London zur Melodie des Songs «September» von «Earth, Wind & Fire»: «Woooaaahhhh super Lia Walti / Woooaaahhhh super Lia Walti / Woooaaahhhh she never gives the ball away.»
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Wälti ist bei Arsenal längst Publikumsliebling. Dort nennen sie den Schweizer Captain nicht nur «Wally», weil Lia auf Englisch zu ähnlich klingt wie der Vorname von Abwehrchefin Leah Williamson, sondern auch «Snake Hips» – Schlangenhüfte. «Sie hat die Füsse am Boden, den Kopf gerade – aber ihre Hüfte bewegt sich nach links und rechts», erklärt Dinges. Maritz nennen sie «Noz» – wieso, weiss niemand so genau.
Mit den Brüdern von Géraldine Reuteler begann das Trio schon mal etwas zu tüfteln, die zündende musikalische Idee ist ihnen aber noch nicht gekommen. Wird schon, finden sie: «Es braucht einfach Leute, die sich die Zeit dafür nehmen.» Sie tun das gern.
Autounfall auf dem Weg nach Auckland
Ohnehin nehmen sie fürs Schweizer Nationalteam viel auf sich. Dinges hat ihre Masterarbeit um ein halbes Jahr nach hinten verschoben, um bei der WM in Neuseeland dabei sein zu können, Owen hat seit der WM 2019 für diesen Trip gespart, opfert dafür die Ferientage ihres Bürojobs. Ausserdem mussten sie umdisponieren, wie so viele hatten sie ihren Flug für nach der Gruppenphase nach Wellington gebucht. Dort hätte die Schweiz ihren Achtelfinal gespielt, wäre sie Gruppenzweite geworden.
Also mieten sich die beiden ein Auto, fahren acht Stunden lang bis nach Auckland. Unterwegs geraten sie in einen Schneesturm, zwischenzeitlich ist die Strasse vereist, in Neuseeland überfordert das die Autofahrer offenbar. Ein 20-Jähriger fährt ihnen hinten auf, glücklicherweise bleiben alle unverletzt, das Fahrzeug erleidet nur einen leichten Schaden.
Mittlerweile sind auch die Tickets für den Achtelfinal gegen Spanien auf ihren Handys eingetroffen, organisiert von Nationalspielerin Géraldine Reuteler. Von der Tribüne des eindrücklichen Eden Park aus werden sie die Schweizer Fussballerinnen lautstark unterstützen. Keine Frage!
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