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Meinung

Analyse zum Frauenstreik 
Ein wenig Populismus braucht es

Der Kampf dauert an: Demonstrantinnen am Frauenstreiktag 2019 in Lausanne.
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Heute, am 14. Juni, werden in der Schweiz wieder Frauen und Männer auf die Strasse gehen, um gemeinsam für mehr Gleichstellung und Chancengleichheit zu demonstrieren. Braucht es so einen Streiktag 2022 überhaupt noch? Ja, allerdings. Denn dieser Tag richtet einen Scheinwerfer auf die Gleichstellungsdebatte – und das ist noch immer wichtig.

Laut dem Schillingreport 2022 stieg der Frauenanteil in den SMI-Geschäftsleitungen im letzten Jahr um fünf Prozentpunkte auf 19 Prozent. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen, ja. Doch die Tatsache ist eben auch, dass weiterhin 31 Prozent der Unternehmen keine einzige Frau in ihrer Geschäftsleitung haben.

Hinzu kommt, dass die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern noch immer dramatisch sind. Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) verdienten Frauen im Jahr 2018 durchschnittlich 19 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Gemäss BFS sind 45,4 Prozent dieser Lohnunterschiede unerklärt – sie gehen also nicht auf schlechterer Ausbildung oder weniger Arbeitserfahrung zurück. Frauen verdienen weniger, weil sie Frauen sind. Wir sind also noch lange nicht am Ziel. 

Das wird einem auch bewusst, wenn man auf die jüngsten Bundesgerichtsentscheide zu Unterhaltszahlungen blickt. Gleich in mehreren Urteilen wurde entschieden, dass Frauen nach einer Trennung keinen automatischen Anspruch auf Unterhalt haben – auch wenn sie ihre Karriere zugunsten der Familie zurückgestellt haben. Was Befürworter als Zeichen der finanziellen Eigenverantwortung sehen, ist eigentlich nur eine Verschärfung des Risikos, das das klassische Rollenbild mit sich bringt.

Das Problem: Gleichzeitig fehlen Rahmenbedingungen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, dieses Rollenbild zu durchbrechen. Es fehlt an Kinderbetreuungsstrukturen, an einer Förderung von Teilzeitarbeit für Männer und finanziellen Anreizen wie Steuerabzügen. Stand heute werden Frauen systematisch in eine Abhängigkeit gedrängt, für die sie bei einer Trennung bestraft werden. Gleichstellung sieht anders aus. 

Wer noch einen weiteren Grund braucht, um die Notwendigkeit eines Streiktages zu erkennen, kann die Debatte um die Revision des Sexualstrafrechts verfolgen – und die damit verbundene Misogynie, die in Bern an den Tag gelegt wurde. Nein, das Patriarchat stürzt man mit einem hübsch bemalten Demo-Pappschild nicht – aber solange Politiker wie Roger Köppel die Diskussion mit einem provokativen Tweet wie «Jede grosse Liebe beginnt mit einem Nein der Frau» sabotieren, ist ein wenig lila Populismus zum Frauenstreiktag gar nicht so verkehrt. Oder viel eher: dringend nötig.