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Wahlpleite in Stuttgart
Ein Warnschuss für die deutschen Grünen

Es wird knapp: Winfried Kretschmann (72) möchte im März zum dritten Mal zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg gewählt werden. 
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Stuttgart war 2012 die erste deutsche Landeshauptstadt, die die Grünen eroberten. Winfried Kretschmann hatte dafür eigens den alten Weggefährten Fritz Kuhn aus Berlin nach Schwaben zurückgeholt. Mit Kuhns Sieg veredelte er gewissermassen seinen eigenen Triumph: Im Vorjahr war Kretschmann in Baden-Württemberg als erster Grüner Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes geworden.

Am Sonntag haben die Grünen Stuttgart wieder verloren, wenigstens zur Hälfte. Neuer Oberbürgermeister der Stadt mit 600’000 Einwohnern wurde der Christdemokrat Frank Nopper. Er schlug den Sozialdemokraten Marian Schreier und den Öko-Aktivisten Hannes Rockenbauch. Dabei hätten die beiden Linken zusammen eine klare Mehrheit gehabt.

Die Kandidatin der Grünen, Veronika Kienzle, hatte sich bereits nach dem ersten Wahlgang zurückgezogen. Erst war sie mit 17 Prozent der Stimmen weit hinter den Erwartungen geblieben, danach scheiterte sie daran, ihre linken Konkurrenten zu einem Rückzug zu bewegen. Das Debakel für die Partei war komplett.

War nur zweite oder dritte Wahl: Veronika Kienzle blieb als Kandidatin für das Oberbürgermeisteramt in Stuttgart weit unter den Erwartungen.

Die Grünen waren von Kuhns Rückzug als Oberbürgermeisteramt überrascht worden und versagten in der Folge bei der Aufgabe, eine starke Kandidatin für dessen Nachfolge zu finden. Prominente wie der langjährige Parteichef Cem Özdemir oder die Landtagspräsidentin Muhterem Aras winkten ab, obwohl das Oberbürgermeisteramt von Stuttgart als das zweitwichtigste im 11-Millionen-Einwohner-Land Baden-Württemberg gilt.

Die 58-jährige Kienzle, Eurythmielehrerin und ehrenamtliche Stadtpolitikerin, galt von Anfang an als zweite oder gar dritte Wahl. Die Amtszeit Kuhns beurteilten viele Stuttgarter als enttäuschend, im Wahlkampf stand Kienzle zudem starke Konkurrenz aus dem links-ökologischen Lager gegenüber. Kurz: Es war eine Niederlage mit Ansage.

Zog sich Knall auf Fall zurück: Fritz Kuhn regierte Stuttgart acht Jahre lang und enttäuschte dabei auch viele Anhänger der Grünen.

Prominente Grüne schimpften denn auch laut über die Überheblichkeit ihrer schwäbischen Parteifreunde. Rezzo Schlauch, ein Urgrüner wie Kuhn und Kretschmann, sagte der «Stuttgarter Zeitung», seine Partei sei zu «satt und selbstzufrieden» geworden, um «aus bequemen Parlamentssesseln auch mal ins Risiko zu gehen». Vor zwei Jahren hatten die Grünen bereits die Macht in Freiburg verloren, weil Dieter Salomon seine Beliebtheit überschätzt hatte.

Für die Spitze der Grünen in Berlin, Annalena Baerbock und Robert Habeck, die in den vergangenen Monaten noch über die Eroberung von Rathäusern in Hannover, Aachen oder Bonn gejubelt hatten, war das Fiasko von Stuttgart ein ernster Dämpfer. Und dies ausgerechnet kurz vor Beginn des Superwahljahres 2021.

Auch Kretschmann hat radikal-grüne Konkurrenz

Ein Warnsignal war es aber insbesondere für Kretschmann. Der 72-Jährige will Mitte März ein drittes Mal zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Kretschmann ist als «Landesvater» mit grün-christlich-konservativem Profil weit über die Grenzen der grünen Kernanhängerschaft beliebt. Insofern ist seine Ausgangslage erheblich besser, als es die der kaum bekannten Kienzle war.

Aber die Mehrheitsverhältnisse sind knapp. In den Umfragen führen mal die Grünen, mal die CDU. Kretschmann wirkte zuletzt öfter müde und angespannt, eine Nachfolge für ihn ist ebenfalls weit und breit nicht in Sicht.

Vor allem aber könnte sich wiederholen, was das links-grüne Lager am Sonntag schon in Stuttgart um den Sieg gebracht hat. Jugendliche Klimaschützer stellen derzeit überall im Land eigene Wahllisten auf, weil ihnen die Grünen zu wenig radikal sind. So hatte schon der Aktivist Rockenbauch in Stuttgart begründet, warum er sich nicht hinter der Grünen Kienzle einordnete. Am Ende siegte die CDU.