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Parteitag in Berlin
Die Grünen machen sich zum Regieren bereit

Sieht aus wie ein Wohnzimmer, ist aber Teil eines Videoparteitags: Die Co-Chefs der deutschen Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck, am Wochenende in Berlin. 
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Wäre der Parteitag der Grünen nicht eine Videokonferenz gewesen, hätte der Saal wohl gejubelt: Macht sei im grünen Kosmos zu lange ein «Igitt-Begriff» gewesen, sagte Co-Parteichef Robert Habeck am Wochenende in die Kameras. Dabei komme Macht von machen. Und das wollten die Grünen jetzt: machen, die Gesellschaft gestalten. 2021 werde man mit der Union um die Führung ringen. Applaus, Applaus – wenigstens virtuell.

Zuvor hatte schon Habecks Co-Chefin Annalena Baerbock kämpferische Töne angeschlagen, auch gegen innen: Sie freue sich darüber, dass die Klimajugend auf den Strassen Druck mache, sagte die 39-Jährige. Aber nur die Grünen könnten in den Parlamenten auch die Mehrheiten organisieren, die man brauche, um den Klimaschutz tatsächlich zu verbessern.

Kämpferisch im weissen Kleid: Annalena Baerbock eröffnete den Parteitag der Grünen am Freitagabend.  

Die Grünen mögen derzeit in 11 von 16 Bundesländern mitregieren, der Bundesregierung aber schauen sie seit 15 Jahren von aussen zu. Baerbock und Habeck wollen die Opposition hinter sich lassen und in Berlin wieder Verantwortung übernehmen. Seit zwei Jahren haben sie die Grünen dafür ideologisch abgerüstet und von der früheren Öko-Nische in die Mitte der Gesellschaft geführt.

Das Duo sprach gezielt neue Wählerschichten an und hatte damit sofort Erfolg: Seit Herbst 2018 liegen die Grünen mit Umfragewerten über 20 Prozent nicht nur deutlich vor den Sozialdemokraten, sondern wetteiferten zeitweise mit der CDU/CSU um die Spitze. Beiden historischen «Volksparteien» warben sie Wähler ab, die Proteste der Klimajugend verstärkten den grünen Trend weiter. Bricht die Partei 2021 nicht plötzlich ein, kann ohne sie in Berlin nicht regiert werden.

«Jede Zeit hat ihre Farbe»: Und die Farbe der aktuellen politischen Saison sei grün, glaubt Robert Habeck.

Dass die Grünen mit Macht aus ihren alten Milieus hinaus- und in bürgerliche Mittelschichten hineindrängen, dieses Ziel schreibt auch das neue Grundsatzprogramm fest, das die 800 Delegierten am Wochenende beschlossen. Es ist das vierte in der 40-jährigen Geschichte der Partei, das erste seit 18 Jahren.

Sahen die grünen «Fundis» der Vergangenheit die Wirtschaft noch als Gegner und die Staatsorgane als potenzielle Gefahr, erklingt nun eine Melodie: Das neue Programm lobt die Märkte für ihre Innovationskraft über den grünen Klee und sieht in den Unternehmen grundsätzlich Partner, ohne die der angestrebte ökologische Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft nicht möglich sein werde.

Wirtschaft und Staat sind keine Feindbilder mehr

Den Staat betrachten Habeck und Baerbock nicht nur als Garant für mehr soziale Gerechtigkeit, sondern auch als unverzichtbar für die Sicherheit. Den Verfassungsschutz, den die Grünen früher lieber heute als morgen abgeschafft hätten, nehmen sie nun gerne in Anspruch, um das Land vor Rechtsextremisten und Islamisten zu schützen. Der Polizei sprechen sie ihr Vertrauen aus, ebenso der Bundeswehr und den Asylbehörden, die kriminell gewordene Einwanderer aus dem Land bringen. Wenigstens auf dem Papier sind das für die Grünen grosse Schritte in eine neue, mehrheitsfähigere Zukunft.

Geballte Kraft: Die deutschen Klimastreiks haben die Grünen beflügelt – aber auch hohe Erwartungen geweckt. 

Das Führungsduo verteidigte seinen Kurs am Wochenende vehement gegen Kritik von radikalen Flügeln der Partei. Vor allem die jungen Klimaaktivisten von «Fridays for Future» drängten die Grünen dazu, ihre Politik zu verschärfen. Die Partei verrate das Pariser Klimaabkommen, hiess es, wenn sie ihre Politik nicht kompromisslos darauf ausrichte, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen.

Was dies für die deutsche Politik heissen würde, legten die Klimaschützer in einem Expertenpapier dar: null Emissionen ab 2030, Halbierung des Autoverkehrs, Verbot von Inlandflügen, von Ölheizungen und so fort. Forderungen, die ausserhalb des Kreises der Klimabewegten nicht mehrheitsfähig und aus Sicht der Partei nur dazu angetan sind, Wähler in Massen zu vertreiben.

Grosses Konfliktpotenzial

Das Pariser Abkommen eröffnet allerdings, anders als behauptet, etwas Spielraum, indem es einen Zielkorridor vorgibt: weniger als 2 Grad, möglichst nahe bei 1,5. Um eine Kampfabstimmung um radikalere Ziele zu verhindern, willigten Baerbock und Habeck in einen Kompromiss ein: Im Programm steht jetzt ein «1,5-Grad-Pfad», auf den man kommen müsse.

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Auf Dauer wird das den Aktivisten nicht genügen. Weil ihnen die Grünen nicht mehr grün genug sind, stellen Klimaaktivisten an vielen Orten bereits eigene Wahllisten auf, etwa in Baden-Württemberg. Winfried Kretschmann, der einzige Grüne, der ein Bundesland regiert, fürchtet die Konkurrenz. Bei den Landtagswahlen Mitte März könnte er deswegen die Macht verlieren. Die CDU würde sich freuen.