Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Ein Tag im Leben eines engagierten Bündners
«Wir kämpfen für ein lebendiges Berggebiet»

Morgens gehe ich immer mit meinem Hund raus, sammle manchmal auch gleich noch Pilze für unsere Hotelküche oder Blumen und Kräuter für die Sirups, die wir in unserem Lädeli verkaufen. Dass ich eines Tages ein Hotel in der Val Medel, einem Seitental der Surselva, führen würde, hätte ich nie gedacht.

Ich bin in Disentis aufgewachsen, habe dort das Gymnasium besucht und anschliessend in Zürich Geografie studiert. Ich bin in verschiedene Sachen reingerutscht: Ich arbeitete bei der Schweizer Flüchtlingshilfe, war in Entwicklungsprojekte involviert wie etwa für die UNO in Laos, und war Mitglied des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe.

Nach mehreren Jahren kehrte ich zurück und arbeitete als Regionalentwickler für das Projekt Parc Adula, das im Alpengebiet zwischen Graubünden und Tessin einen zweiten Nationalpark errichten wollte. Parallel dazu arbeitete ich Teilzeit auf der Gemeinde als Wirtschaftsförderer. Im Grunde befasste ich mich also weiterhin mit Entwicklungsprojekten, eine Zeit lang auch noch als Gemeindepräsident – einfach auf einer anderen Ebene: Wir kämpfen hier nicht gegen Armut und Ressourcenausbeutung, wir kämpfen gegen Abwanderung und für ein lebendiges Berggebiet.

In unserem Tal sind fast 70 Prozent aller Wohnungen Zweitwohnungen. Dies jedoch ohne Neubauten wie etwa in Flims, sondern indem bestehende altrechtliche Häuser ausverkauft wurden. Die Zweitwohnungsinitiative greift in Tälern wie der Val Medel nicht. Vor zehn Jahren zogen ein paar jüngere Leute hierher, die neue Projektideen hatten, und brachten Elan ins Tal. Doch wie so oft in ländlichen Gebieten gab es auch hier Widerstand gegen Neues. Viel umgesetzt wurde schlussendlich nicht. Das finde ich sehr schade.

Als ich auf der Gemeinde arbeitete, planten wir unter anderem die Umnutzung des ehemaligen Alters- und Pflegeheims. Unser Projekt war es, daraus ein kleines, nachhaltiges Hotel mit einer Verbundenheit zum Ort und zur Kultur zu kreieren. Weil sich kein Käufer fand und der Nationalpark von den betroffenen Gemeinden abgelehnt worden war, suchte ich selbst nach Investoren. Wir gründeten zu fünft eine Aktiengesellschaft – und ich übernahm, anders als geplant, schliesslich auch die Führung des Hotels medelina.

Das Heim liess sich gut umfunktionieren, wir haben es mit Holz aus dem Tal und Stein vom San Bernardino renoviert. Unser Ziel war es, Kultur und Natur ins Haus zu bringen, ohne dass es zur Folklore wird. Wo früher die Kapelle mit Altar war, ist heute der Kultur- und Seminarraum, und wo sich der Aufbahrungsraum befand, bietet nun ein Lädeli Produkte aus der Region an. Zudem leistet unser Verein medelina einen Beitrag an das lebendige Bergtal. So entstand auch der Ausstellungsstall La Vitrina im Dorfzentrum, mit alten Fotografien und kulturhistorischen Kurzfilmen über die Geschichte des Tals. Das dort vermittelte Wissen ist sowohl für die Gäste als auch für die Einheimischen spannend – man läuft danach mit ganz anderen Augen durch das Tal.

Je nachdem, was ansteht, übernehme ich im Projekt medelina unterschiedliche Aufgaben, sowohl im Gastroalltag, etwa an der Rezeption oder im Service, aber auch in der Planung und Organisation. Wenn es die Zeit zulässt, verfolge ich meine eigenen Projekte. Ich zimmere oder repariere Möbel fürs Hotel, schaue nach dem Garten oder flechte Körbe aus Haselstauden. Das alte Handwerk ist eines meiner Hobbys. Im Sommer fahre ich mit dem E-Bike auf den Berg, meinen Hund im Anhänger hintendran. Oben gehen wir wandern.

Ich habe sehr viel Zeit und Herzblut ins Hotel reingesteckt, jetzt wünsche ich mir wieder mehr Zeit für andere Projekte. Ich habe auch schon neue Ideen für die Region – denn die Zukunft unseres Tals ist auch meine Zukunft.

Protokoll: Eva Hirschi

Protokoll EVA HIRSCHI