EU-Mitglied SlowenienEin Populist schürt den ewigen Bruderkrieg
Unter Premier Janez Jansa wächst in Slowenien der Druck auf Kultur und Medien, Zivilgesellschaft und Justiz. Eine Reise durch ein zerrissenes, polarisiertes Land.
Der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa ist kürzlich extra nach Wien gereist. Er hatte sich der Initiative des österreichischen Kanzlers angeschlossen und wollte persönlich Klage darüber führen, dass in Brüssel ein Basar für Impfstoffe geherrscht und der Verteilmechanismus auch sein Land benachteiligt habe. Was auch deshalb ein wenig pikant ist, weil Jansa seit Dezember, als ihm ein Koalitionspartner von der Fahne ging, selbst das Gesundheitsressort führt.
In der EU hat der Kurztrip für einiges Stirnrunzeln gesorgt: Er verstärkte die Sorge, dass die Ratspräsidentschaft Sloweniens, die im Juli beginnt, kompliziert werden könnte – vorsichtig formuliert. Slowenien ist ein Sorgenkind der EU, seit der 62-jährige, rechtsnationale Politiker vor einem Jahr zum dritten Mal in 20 Jahren Regierungschef geworden ist. Nicht nur weil das Land nach einem guten Start eher schlecht durch die Pandemie kommt; der Vorwurf lautet vor allem: Jansa kopiere sein Vorbild Viktor Orban, er gehe den «ungarischen Weg». Der Druck auf Kultur und Medien, Zivilgesellschaft und Justiz nehme stetig zu.
Vorzeigerepublik Jugoslawiens
Eine Reise nach Slowenien zeigt das alles – und noch mehr: ein zerrissenes, polarisiertes Land, das unter der aggressiven Rhetorik und radikalen Vorgehensweise eines Mannes wankt, den die einen als erfahrenes «political animal» mit solider Anhängerschaft, die anderen als skrupellosen Narzissten mit Verfolgungswahn bezeichnen.
International macht das kleine Slowenien mit seinen zwei Millionen Einwohnern, einstige Vorzeigerepublik Jugoslawiens, EU-Mitglied seit 2004, Mitglied der Eurozone seit 2007, immer häufiger Negativschlagzeilen. Die «New York Times» berichtete über einen «Kulturkampf» gegen Künstler, Museen, Nichtregierungsorganisationen, Jugendzentren, nachdem mehrere Direktorinnen staatlicher Museen abgelöst wurden. Internationale Journalistenorganisationen beklagen, dass die öffentlich-rechtlichen Medien politisch attackiert und finanziell ausgeblutet werden, während zugleich der Ausbau eines rechten Medienimperiums mithilfe von Euro-Millionen aus Ungarn fortschreite. Im vergangenen Sommer gab es wöchentlich Demonstrationen, jetzt gibt es immer wieder offene Briefe von Intellektuellen und scharfe Ermahnungen von der EU-Kommission.
«Hier ist nur slowenische Kultur zulässig! Früher war das nur ein Gefühl. Jetzt ist es slowenische Politik!»
Die Verwerfungen kann man in der Zeitung «Vecer» nachlesen, die der Regierung «Repression und die Diktatur des Chaos» vorwirft. Man kann den Intendanten des Mladinsko-Theaters, Goran Injac, in seinem architektonischen Relikt aus dem Spätsozialismus besuchen, der zum Empfang provokativ ruft: «Hier ist nur slowenische Kultur zulässig! Früher war das nur ein Gefühl. Jetzt ist es slowenische Politik!» Und dann erzählt, dass er regelmässig als «stinkendes, serbisches, schwules Schwein» tituliert wurde.
Politik ist in Slowenien immer auch Kampfzone und Hort der Unversöhnlichkeit. Die Anfrage für ein Interview mit dem Premier wird abgesagt, weil Jansa zu viel zu tun habe, um mit einzelnen Medien Vorwürfe zu diskutieren, die «überwiegend im Umfeld der innenpolitischen Opposition entstanden und dann exportiert» worden seien.
Kritiker des Regierungskurses werden abgewatscht: Sie seien «irregeführt worden von der radikalen Linken», die ausgewechselten Museumsdirektorinnen seien «unbedeutend» und Neubesetzung bisweilen der einzige Weg, einen politisch von der Linken infiltrierten Apparat zu erneuern. Jansa spricht von der Durchsetzung des öffentlichen Lebens mit «verborgenen kommunistischen Seilschaften», die ihn persönlich im Visier hätten. Und von einem «deep state» in Slowenien.
Was obsessiv tönt, hat seine Ursachen zum Teil immer noch im Kampf über die Deutungshoheit der Geschichte: Wer war Kollaborateur oder Widerstandskämpfer gegen die Nazis, wer Kommunist oder Antikommunist, wer Partisan, wer Verräter – alles höchst umstritten, alles nie aufgearbeitet. Auch das stehe hinter dem aktuellen Kulturkampf, auch das erkläre Jansas «hysterischen Antikommunismus», sagt der Historiker Oto Luthar, Direktor des Wissenschaftlichen Forschungszentrums der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste: ein ewiger, ideologischer Bruderkrieg.
Klimaskeptiker und Waffenfan
Kaja Sirok, die kürzlich als Leiterin des Museums für Zeitgeschichte abgelöst wurde, gilt als eines der Opfer von Jansa, auch wenn sie selbst sich nicht als Opfer sehen will. Man habe ihr angedeutet, sagt sie bei einem Treffen im frühlingshaften Ljubljana, dass ihre Bewerbung für eine weitere Amtszeit gescheitert sei, weil sie nicht «patriotisch genug», zu sehr «auf den internationalen Markt fokussiert» gewesen sei. Sie hätte sich mehr auf nationale Themen wie den 30. Jahrestag der slowenischen Unabhängigkeit konzentrieren sollen, der im Juni gefeiert wird.
Vor allem Jansas höhnische Tweets und seine sprachlichen Ausfälle sind Legende. Die sozialdemokratische Parteichefin Tanja Fajon, die als Abgeordnete aus dem Europaparlament ausscheiden will, um 2021 bei der Parlamentswahl anzutreten, berichtet vom Tag, an dem ihre Mutter starb und sie dennoch eine öffentliche Rede halten musste. «Coole Beerdigungsfeier», habe Jansa, Twitter-Fan wie sein Vorbild Donald Trump, zynisch kommentiert. «Wir müssen zu Anstand, zu Umgangsformen, zur Normalität zurück», stöhnt Fajon.
Laut Umfragen liegt der Klimaskeptiker und Waffenfan Jansa mit etwa 20 Prozent immer noch vor der gesamten, zersplitterten Konkurrenz. Seit fast 29 Jahren ist er schon Chef der konservativen SDS; zweimal bereits, Mitte der Nullerjahre und 2012 bis 2013, führte er eine Koalitionsregierung, sass dann wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis, scheiterte 2018 als Wahlsieger an der Bildung einer Regierung. 2020 konnte er zum dritten Mal eine Koalition zusammenzimmern.
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