Kommentar zum PolitsystemEin Lob auf die Schweizer Stabilität
Trotz krisenhafter Weltlage versprechen die nationalen Wahlen unspektakulär zu werden – gut so!
Wahlen, die das Parteiensystem umpflügen. Parteien, die nahezu ausradiert werden. Neue Bewegungen, die senkrecht starten.
Was im europäischen Ausland bei Urnengängen häufig vorkommt, ist in der Schweiz undenkbar. Hier sind bereits Bewegungen im tiefen einstelligen Prozentbereich spektakulär. Dass die Grünen bei den letzten nationalen Wahlen sagenhafte 6,1 Prozentpunkte zugelegt haben, war ein Erdrutschsieg historischen Ausmasses.
Doch das Schweizer Politsystem strebt zuverlässig nach Ausgleich. Nachdem die Grünen Anfang dieser Legislatur ihren Triumphzug in den Kantonen fortgesetzt hatten, häuften sich zuletzt die Verluste. Die Wahlen in Luzern, Genf und im Tessin – die letzten vor dem nationalen Wahlherbst – verfestigen diesen Trend. Stand heute sieht es danach aus, als könnten die Grünen ihr Resultat von 2019 nicht wiederholen.
Mitten im Ukraine-Krieg und in wirtschaftlich angespannter Zeit funktionieren die eingebauten Ausgleichsmechanismen immer noch verlässlich.
Thematisch erweist sich ihr Name diesmal statt als Erfolgsgarant als Hypothek. Stehen Klima und Umwelt nicht mehr so stark im Fokus, hat die Partei weniger Zulauf. Mehr noch: In virulenten Fragen wie der Zuwanderung oder bei den Waffenlieferungen an Partnerstaaten hat sie schwierig zu vermittelnde Positionen.
Stattdessen stabilisiert sich die SVP wieder. Sie hatte vor vier Jahren 3,8 Prozentpunkte verloren. Seit Anfang Jahr kippt die Waagschale in den Kantonen wieder zu ihren Gunsten. Die Partei scheint in der Bewirtschaftung der aktuellen Themenlage zu alter Stärke zu finden. Asylzahlen, Zuwanderung, Wohnungsnot, Credit-Suisse-Krise: Die Probleme für das Land ergeben sich aus komplexen, meist internationalen Entwicklungen, aber die SVP weiss die Debatten geschickt zu prägen – und teils populistisch auszuschlachten.
Die krisenhafte Weltlage hat in den vergangenen vier Jahren zu fundamentalen Umwälzungen geführt. Doch das Schweizer Politsystem bleibt ein halbes Jahr vor den nationalen Wahlen stabil. Nach der Corona-Krise, mitten im Ukraine-Krieg und in wirtschaftlich angespannter Zeit funktionieren die eingebauten Ausgleichsmechanismen immer noch verlässlich. Das ist eine gute Nachricht – ein Lob auf die Schweizer Langeweile!
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