Kritik am Schweizer «Tatort»«Ein kompletter Reinfall»
In Deutschland und Österreich war man von der zweiten Zürcher Episode des Sonntagskrimis enttäuscht. Die Reaktionen sind deutlich.
Die Schweizer Episoden des Krimiformats wurden bis zum letzten Herbst von der restlichen deutschsprachigen «Tatort»-Gemeinde nicht gerade gnädig aufgenommen, und ihre Quote dümpelte oft vor sich hin. «Züri brännt» versprach dann aber einen Aufbruch, der auch von deutschen Medien erleichtert bis begeistert begrüsst wurde. Doch, doch, die Schweizer hatten endlich zu neuer Form gefunden.
Bedauerlicherweise nicht auf Dauer. So formuliert der Wiener «Standard» über «Schoggiläbe», die zweite Zürcher Episode, ein Arthouse-Krimi sei es nicht geworden. «Herausgekommen ist ein üppiges Schokoladenmousse, allerdings mit wenig Süsse. Es will nicht richtig auf der Zunge zergehen, obwohl es für Schweizer Verhältnisse ein Fortschritt ist.»
«Längst nicht so fesselnd wie die Premiere des Duos.»
Auch die «Süddeutsche Zeitung» ist nur sehr mässig angetan von «Schoggiläbe». Der Fall sei «derart betulich erzählt, dass man sich nicht in einem Krimi wähnt, sondern in einer Familiensaga oder einem etwas lahmen Gesellschaftsporträt über die zwei Gesichter Zürichs. Erstaunlich ist das schon, sind die Macher doch dieselben wie beim ersten Fall.» Ähnlich konstatiert der TV-Blog «Tittelbach»: «Die Geschichte ist weit weniger originell und zudem längst nicht so fesselnd wie bei der Premiere des Duos.»
Das Fazit von SWR3 lautet: «Schöner-Wohnen-Hochglanzbilder werden, warum auch immer, mit unvermittelt auftauchenden sozialkritischen Kommentaren gemischt. Diesen Mix finde ich persönlich eher befremdlich.» Und die kleinere «Südwest-Presse» findet deutliche Worte für «Schoggiläbe»: «Verwirrend, unausgegoren und zähflüssig» sei der Film, Spannung «Mangelware», der Schweizer «Tatort» schlicht «ein kompletter Reinfall» (lesen Sie hier unsere Kritik).
«Die immer gleichen erzählerischen Standardsituationen werden hier auch noch schlecht ausgeführt.»
Und die «Zeit» ätzt: «Das scheint so der latest shit bei diesen reichen Familienunternehmen zu sein, dass Patri- oder Matriarchin nicht gut klarkommen mit Schwulsein im 21. Jahrhundert. Oder, schrecklicher Verdacht, ist es nur das, was Drehbuchautoren so einfällt, wenn sie ihren traditionsreichen Familienunternehmensalat mit Konflikt würzen wollen?»
Die Rezension rattert dann ähnliche Strickmuster in deutschen «Tatort»-Fällen herunter und ergänzt: «Die immer gleichen erzählerischen Standardsituationen werden hier auch noch schlecht ausgeführt.»
Freundlicher ist allein «Der Spiegel» unterwegs. «Es gibt Momente in diesem ‹Tatort›, da fühlt man sich an die Krimis aus dem Grossbürgertum vom französischen Altmeister Claude Chabrol erinnert, wo perfidester Egoismus oft im delikatesten Dekor ausgelebt wurde.» Und trotz konsequenter weiblicher Besetzung sei keine feministische Agitation im Spiel: Dazu seien die Figuren «zu ambivalent oder zu böse». Immerhin.
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