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Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
Ein Herz für Loser

Fragt sich, warum sich ihre Freundin immer in Jammerlappen verliebt: Autorin Claudia Schumacher.

Eine meiner Freundinnen hat eine Gabe: Charme. Ihre Aura ist ein Sonnenblumenfeld im Hochsommer, daneben kann van Gogh seine Bildchen einpacken. Nun hat meine Freundin aber auch einen Schatten, wie die meisten von uns. Bei ihr fällt er exklusiv auf den Liebessektor. «Die Entscheidung ist gefallen», verkündete sie vor einer Weile mit breitem Sonnenblumengrinsen. Ich ahnte, was kommt. 

Sie war umschwärmt worden, von gleich drei Männern. Zwei davon wirkten richtig nett, stabil im Leben stehend, sportlich wie sie. Der dritte aber: unzufrieden im Job, noch herzgebrochen von der Ex. Ein rückzüglicher Typ, der über die meisten Menschen schlecht redet. Natürlich entschied sie sich für ihn. Denn meine Freundin hat ein klares Dating-Muster: ein trauriger Typ nach dem anderen. Jede Beziehung beginnt im grossen Aufbau-Camp: Sie tröstet, coacht, hilft den Männern auf die Beine. Bis denen auffällt, dass sich meine Freundin ein bisschen viel einmischt. Und dass sie glaubt, immer alles besser zu wissen.

Nach einem kurzen Hoch werden die Männer noch unleidlicher als vorher. Die Beziehung endet. Meine Freundin ist traurig. «Der war einfach undankbar!», sage ich dann immer: «Er hat sich dir unterlegen gefühlt, konnte damit nicht umgehen.»

Warum nicht mal ein Mann auf Augenhöhe?

Aber je häufiger wir dieses Theater aufführen, desto mehr habe ich das Gefühl, dass etwas daran schiefgewickelt ist. Warum sucht sie sich nicht mal einen Mann auf Augenhöhe? Gib ja welche in ihrem Orbit. Aber die interessieren sie nicht. 

Ich geriet ins Grübeln, spielte Sherlock Holmes: Sie hat ein Helfersyndrom. Dahinter steckt oft ein Problem mit dem Selbstwertgefühl. Man hilft anderen, um sich aufzuwerten — vielleicht sogar ein bisschen, um sich überlegen zu fühlen. Nur: Wozu sollte meine Freundin, der Charmebolzen mit der glücklichen Kindheit, das nötig haben? Ich kam nicht dahinter. «Hast du eigentlich ein gutes Selbstwertgefühl?», fragte ich sie also etwas plump, als wir uns das nächste Mal trafen.

Es dauerte, bis sie antwortete: «Geht so.» Wir redeten eine Weile über das Thema, spielten Erfahrungen hin und her und landeten irgendwann auf dem Pausenhof. «Ich war die Einzige, die nicht auf die Kantonsschule kam», sagte sie. All ihre engen Freundinnen hätten das damals geschafft — nur sie nicht. Und so brach sie aus ihrer Clique raus, fühlte sich verlassen. Schlechter als die anderen.

Ob ihre neue Liebe das überlebt?

Es gelang ihr zwar, mit ihren damaligen Freundinnen Kontakt zu halten. «Aber ich denke heute noch manchmal, dass die alle klüger und besser sind als ich.» Kurz wirkte sie traurig, dann war die Sonnenblume zurück. «Dafür bin ich auf die School of Life gegangen», sagte sie grinsend und meinte damit, wie gut sie im Leben zurechtkommt. 

Plötzlich war mir klar, warum sie anderen so gerne Ratschläge gibt — und hoffte sehr, dass ihre neue Liebe es überlebt.