Kommentar zum misslungenen Therapie-CheckEin Debakel und peinlich für die Schweiz
Das soll das beste Gesundheitswesen der Welt sein? Der Bund schafft es nicht einmal, nutzlose oder gar schädliche Behandlungen aus dem Leistungskatalog auszumisten.
Der Zeitpunkt ist ungünstig, um sich über das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und das Schweizer Gesundheitswesen zu entrüsten. Die Corona-Krise verlangt ihnen viel ab, und – auch wenn nicht immer alle einverstanden sind – es wird Ausserordentliches geleistet.
Doch das Problem ist ernst und zudem viel älter als Sars-CoV-2. Es geht um die Überprüfung von Therapien, Operationen und Diagnoseverfahren durch den Bund, die ein Desaster ist. Seit dreissig Jahren steht sie als Auftrag im Gesetz, seit zehn Jahren nimmt man das Thema in der Schweiz einigermassen ernst. Doch eine wirkungsvolle Nutzenbewertung von medizinischen Leistungen, wie sie viele westliche Länder unter dem Namen Health Technology Assessment (HTA) seit Jahrzehnten kennen, findet bei uns nach wie vor nicht statt.
Im Schweizer Gesundheitswesen könnten bis zu 20 Prozent der Kosten ohne Qualitätseinbussen eingespart werden.
Diese Tatsache ist nicht nur stossend. Sie ist auch überaus peinlich für die Schweiz, von der viele behaupten, dass sie eines der besten Gesundheitswesen der Welt habe, vielleicht sogar das beste. Wie kann das sein, wenn es hierzulande nicht einmal möglich ist, medizinische Leistungen einzudämmen, die nur viel kosten, Patientinnen und Patienten aber nichts bringen oder sogar schaden?
Mehr Durchsetzungskraft beim Bund
Ausbaden müssen wir es mit unseren Prämien und Steuern. Studien zeigen, dass im Schweizer Gesundheitswesen bis zu 20 Prozent der Kosten ohne Qualitätseinbussen eingespart werden könnten. Selbst wenn es in der Realität deutlich weniger sein sollte: Es handelt sich um viele Milliarden Franken jährlich. Ein beträchtlicher Teil betrifft unnötige Behandlungen.
Schuld an der Misere tragen nicht allein das Innendepartement EDI und das BAG, von denen man sich bei der Nutzenbewertung mehr Durchsetzungskraft wünschen würde. Gross ist auch das Versagen der anderen Akteure des Gesundheitswesens, von Industrie über Versicherer bis zu Ärzteschaft und Spitälern. In immer neuen Konstellationen sabotieren sie bis heute Nutzenbewertungen, die Folgen haben.
Fehler gefunden?Jetzt melden.